„Kö-Bogen“, Düsseldorf

Dynamische Glaskonstruktion
„Kö-Bogen“, Düsseldorf

Grobe Einschnitte und horizontale Linien bestimmen das Erscheinungsbild des Kö-Bogens in Düsseldorf. Vier unterschiedlich ausgestaltete Fassaden hat das Einkaufszentrum am Nordende der Düsseldorfer Königsallee. Dabei bediente sich der Architekt Daniel Libeskind der Glasfassaden-Konstruktion des „Structural-Glazing“.

Bis zu den Bombennächten des Zweiten Weltkrieges bildeten der Jan-Wellem-Platz und der sich westlich daran anschließende Schadowplatz den urbanen Kern von Düsseldorf. Danach, in den Wirtschaftswunder­jahren, wurde die Rheinmetropole aus­­gesprochen verkehrsgünstig ausgebaut.
Der erstgenannte Platz wurde mit einer Hochstraße überbaut und auf seinem Bodenniveau ein zentraler Halt für die Straßenbahnen angelegt. Mit ihm entstanden zahlreiche Abstellgleise und Wendeschleifen, die weit in das nordwestliche Nach­bargrundstück hinein­reichten. Während an
seiner Nordostseite zwei Inkunabeln der Moderne, das berühmte Dreischeiben-Hochhaus und das Schauspielhaus, entstanden, verblieb auf dieser undefinierten Nebenparzelle über Jahrzehnte mit besagter Gleisharfe und einer tangentialen Schnellstraßenabfahrt ein un­befriedigender Stadtraum, der im Zuge des Abrisses des sogenannten „Tausendfüßlers“ – der Hochstraße – revitalisiert werden sollte.

Bevor die aktuellen Akteure auf den Plan kamen, gab es für dieses Grundstück schon einen städtebaulichen Rahmenplan, der insbesondere die Gebäudefluchten hin zur Königsallee wie auch die konvex gewölbte Raumkante entlang der Düssel, eine entsprechende Uferpromenade sowie deren genaue Breite exakt festlegte. Da­rüber hinaus war auch die Teilung der Bebauung in einen größeren und einen kleineren Block an der realisierten Stelle determiniert sowie eine interne Verbindung dieser beiden Einheiten mittels eines Skywalks. Jenseits des bekannten Flüsschens lag schon immer der Hofgarten, ein kleiner englischer Landschaftspark. Ihn galt es durch den Neubau nicht zu beeinträchtigen, sondern vielmehr aufzuwerten. Auf dieser Basis wurde ein Investorenwettbewerb ausgelobt, dessen Hauptgewinn nicht nur in dem Anrecht auf eine Bebauung dieses Grundstücks bestand, sondern eben auch in dem Erwerb dieser 1a-Lage. Vor diesem Hintergrund ist das Engagement der Düsseldorfer (sic!) Projektentwicklungsgesellschaft „die developer“ zu sehen, die den New Yorker Architekten Daniel Libeskind hierfür gewinnen konnten. Und tatsächlich gelang es diesem, die Jury mit seinem für ein Kaufhaus bemerkenswert überraschenden Entwurf für seine Idee zu begeistern.

Fassade – die Pflicht

Tatsächlich hat der Architekt sich bei diesem Projekt vornehmlich auf die Ausführung der Fassade konzentriert. Obwohl auch der Innenausbau durch seine Schweizer Niederlassung umgesetzt wurde, gab es hier jedoch aufgrund durchweg verbindlicher Vorgaben der gewerblichen Mieter kaum Gestaltungsmöglichkeiten.

Für die städtebaulich festgeschriebenen Gebäudefronten entlang der Königsallee und dem Düsselufer wählte der Architekt eine ausgesprochen glatt erscheinende Vorhangfassadenkonstruktion mit einer vertikalen Ausrichtung. Bei ihr alternieren bei einer Segmentbreite von durchgehend 1,35 m geschosshohe Natursteintafeln aus 5 cm starkem Travertin mit starren Glaselementen identischer Dimension. Was äußerlich hermetisch und glatt erscheint, erfordert eine ausgefeilte Detailplanung. Sowohl der Naturstein wie auch die Glaselemente werden mit einer dem „Structural-Glazing“ entliehenen, verdeckten Stahlrahmenkonstruktion gehalten. Während die Glasflächen natürlich die thermische Trennschicht sind, verspringt die Innen-/Außenzäsur hinter den geschlossenen Travertinflächen um 25 cm, im Erdgeschoss statisch bedingt sogar um 35 cm. In diesen Bereichen erfolgt die umseitige Dämmung über Metallkassetten, die mit Mineralwolle kaschiert sind. Zwischen der Dämmung und der Natursteinfassade gibt es zudem eine 15 cm starke Luftschicht. Eine tragende Außenwandkonstruktion hat der Bau nicht, vielmehr nehmen zurückgesetzte Stützen die vertikalen Lasten auf. An den Wechseln zwischen den geschlossenen Wandflächen und den geschosshohen Fensterflächen kragen die Decken nie aus. Denn sowohl die kassettenartige Innenwanddämmung wie die Rahmenkonstruktion der Fenster mit ihren bodengleichen Metallbrüstungen und den entsprechenden Leibungen stehen konstruktiv vor dem Deckenrohbau.

Fassade – die Kür

Bei der Ausführung der anderen Blockflanken war das Büro Libeskind deutlich freier. Bewusst gaben die Architekten hier der Fassade ein stark horizontales Gepräge mittels prägnanter Großlamellen. Die Planer statteten damit die der Sonne zugewandten Gebäudeflächen nach Süden hin zum Schadowplatz und nach Südosten hin in Richtung Berliner Allee aus. Die pulverbeschichteten Aluminiumflügel besitzen eine Stärke von bis zu 40 cm. Bei seitlichem Lichteinfall ist besonders gut deren großformatige diagonale Profilierung zu erkennen. Diese formt ein kreuzartiges Relief in der Lamellenstruktur, die allein formal begründet ist. Die vollständig starre Sonnenschutzkonstruktion ist für den baulichen Wärmeschutz ohne Relevanz. Sie wurde bei der Erhebung der entsprechenden Wärme­lasten, die in den Räumen dahinter an­fallen, als mindernder Faktor nicht mit eingerechnet. Nominell
erfolgt die Isolation ausschließlich über die Glasfassade. Sie wurde in diesen Bereichen um 50 cm nach innen versetzt und sitzt räumlich hinter den Lamellen. Auch deren Glastönung ist so ausgelegt, dass die vorgeschriebene Dämpfung ohne die Großlamellen erreicht wird.

Cuts – die gliedernden Zäsuren

Augenfällig sind die von Daniel Libeskind als „Cuts“ bezeichneten, rissartigen Kamine, die – nie vertikal angeordnet – die hermetisch glatten Fassadenflächen segmentieren. In die Cuts hat der Architekt kubusförmige Pflanztröge integriert, in die er jeweils eine Birke setzte. Es war ihm wichtig, dass die Bäume nicht lotrecht eingepflanzt werden. Gerade im Frühling fühlt man sich bei diesen schräg herausragenden Gewächsen ungemein an Maibäume erinnert, die spontan an Fassaden angebracht wurden, um ein verehrtes Wesen zu ehren. Es ist eine durchaus alpin zu bezeichnende Variante des Urban Gardening, freilich in einer High-Tech-Version. Die Pflanzen werden automatisch bewässert und mit Flüssigdünger versorgt, besonders energiereiche Strahler versorgen die Vegetation auch in benachteilig­ten Lagen mit ausreichend UV-Licht. Sollte einmal ein Gärtner sich der Anpflanzung annehmen müssen, gibt es entweder die Möglichkeit, sich dieser in einem Hubsteiger zu nähern oder sich zu ihr abzuseilen – über eine spezielle Vorrichtung am Dach. Eine diskrete „Tapetentür“ aus einer Geschossebene heraus gibt es hingegen nicht. Auch das Dach ist wie die Cuts als vegetativer Bereich angelegt, der in vergleichbarer Weise digital versorgt wird. Allerdings ist diese Begrünung eine extensive, die vor allem aus flachen Gräsern und niedrigen Bodensträuchern besteht.

„Ein zuträgliches Erleben von Stadtraum“

Städtebaulich war eine direkte Verbindung zwischen dem Schadowplatz und der Uferpromenade vorgegeben, natürlich war die geschwungene Fassadenform so nicht gefordert. Daniel Libeskind und sein Team entschieden sich dafür, nicht weil sie eine bauliche Entsprechung für den „Kö-Bogen“ artikulieren wollten, sondern vielmehr, weil sie eine Dynamisierung des Raumes anstrebten. Letztlich greifen sie damit auf die Schriften Camillo Sittes zurück. Der österreichische Städtebauer verglich am Ende des 19. Jahrhunderts barocke Stadtgrundrisse mit denen des Mittelalters und kam zu dem Schluss, dass optische Begrenzungen der Stadträume diese als Aufenthaltsorte aufwerten. So sollten Plätze nicht über ihre Mittelachsen erschlossen werden, sondern nur tangential über ihre Ecken. Er sprach sich zudem gegen das Diktat gerader Häuserfluchten aus und befand, dass leicht gekrümmte Straßenzüge gefälliger wirken, da so die Raumkanten auch diese Orte visuell begrenzen. Gerade mit der hier realisierten Passage hat Libeskind mehr als eine direkte Verbindung zwischen zwei Punkten geschaffen − es ist ein echter „Stadtraum“. Robert Mehl, Aachen

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