Rechtsprechung

Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf bestehende und zukünftige Verträge

Als Russland am 24.02.2022 die Ukraine militärisch überfallen hatte, folgten neben dem unfassbaren Leid für die Ukrainische Bevölkerung auch heftige wirtschaftliche Auswirkungen auf Bauvorhaben hierzulande. Sei es wegen erheblich gestiegener Preise für Baumaterial oder benötigter Energie am Bau oder in der Logistikkette. Die ursprünglich kalkulierten Preise, auf deren Basis die Unternehmer Bauverträge eingegangen sind, haben sich teilweise dramatisch erhöht, sodass jeglicher Gewinn aufgezerrt und schlimmstenfalls sogar ein Minusgeschäft daraus wird. Die Lösung: Anpassung der Geschäftsgrundlage durch Neukalkulation von Preisen und Terminen über § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage). Wann hierauf ein Anspruch besteht, wird nachfolgend erklärt.

Ausgangspunkt ist, dass die Geschäftsgrundlage des gegenständlichen Vertrages durch den Ukraine-Krieg erheblich gestört oder gar weggefallen ist. Zur Geschäftsgrundlage gehört die Erwartung der Vertragsparteien, dass grundlegende wirtschaftliche oder weltpolitische Rahmenbedingungen sich nicht - durch bspw. einen Krieg - ändern. Keine der Vertragsparteien darf zudem für die veränderten Rahmenbedingungen verantwortlich sein oder Kenntnis hiervon bei Vertragsschluss gehabt haben. Wenn dann feststeht, dass sich die dem Vertrag zugrundeliegenden Umstände nachträglich derart schwerwiegend verändert haben, dass ein Festhalten am unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, ist der Vertrag anzupassen und, wenn dies nicht möglich ist, aufzuheben.
 
Die Kalkulationsgrundlage ist zwar regelmäßig keine Geschäftsgrundlage. Jedoch spielen die kalkulierten Preise eine wichtige Rolle bei der Bewertung der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung. Diese Vorstellung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes regelmäßig Geschäftsgrundlage der Vertragsparteien.
 
Bei explosionsartigen Preisanstiegen wurde bislang ein Anspruch auf Vertragsanpassung meist verneint, wenn der Preisanstieg bereits vor Vertragsschluss absehbar gewesen ist und die Vertragsparteien entsprechend Vorsorge hätte betreiben können. In dem Fall eines Krieges, mit dem niemand gerechnet hat, sind die damit verbundenen Preisanstiege nicht vorhersehbar. Hier ist allerdings Vorsicht geboten. Der Vertrag kann nicht einfach aufgehoben werden. Vielmehr ist zu prüfen, ob lediglich die Preise für wirklich durch den Krieg veränderte Materialien oder z.B. Energieressourcen anzupassen ist. Wenn feststeht, um welche Positionen es sich dabei handelt und diese im Preis anpassbar sind, muss der Vertrag angepasst werden, es sei denn, dem Auftraggeber wäre ein Festhalten an dem Vertrag dann nicht mehr zumutbar. Auch in Bezug auf die Preise führt nicht jede Erhöhung zu einem Anpassungs- bzw. Aufhebungsanspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gibt es hierfür zwar keine starren Grenzen, ab deren Überschreitung ein entsprechender Anspruch besteht. Gradmesser sei demnach, ob die tatsächlichen Kosten den Gewinn des Auftragnehmers aufzehren und darüber hinaus Verluste entstehen. Dann erst wäre ein Festhalten an der Preisvereinbarung in der Regel nicht mehr zumutbar.
 
Für Verträge, die nach dem 24.02.2022 geschlossen wurden oder noch werden, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anpassungs- oder Aufhebungsanspruch auf Basis der gestörten oder weggefallenen Geschäftsgrundlage ausgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt musste für die Vertragsparteien klar gewesen sein, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen massiv verändern können. In künftigen Verträgen sollte daher zwingend eine Vertragsanpassungsvereinbarung aufgenommen werden.
 
Eins gilt aber in jedem Fall: Die Vertragsparteien sollten in diesen Zeiten miteinander reden und eine Lösung finden. Einem Auftraggeber hilft ein insolventer Auftragnehmer recht wenig. Zudem sollten beide Vertragsparteien die Auswirkungen insbesondere auf die Preise konkret dokumentieren, dass für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung über eine Vertragsanpassung oder Vertragsaufhebung alle Voraussetzungen dargelegt und bewiesen werden können.

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