Bez+Kock Architekten

Anneliese Brost Musikforum Ruhr, Bochum

Das bewegliche Deckensegel oberhalb der Bühne des neuen Musikforums Ruhr in Bochum von Bez+Kock Architekten steuert den Klang automatisch in die richtige Richtung und sorgt dafür, dass kein Ton schief ankommt.

Im Konzertsaal des von Bez + Kock Architekten entworfenen Anneliese Brost Musikforums Ruhr spielt die Akustik eine entscheidende Rolle. Jeder der auf dem Podium produzierten Töne ist sowohl von den Musikern als auch auf jedem der 960 Plätze rings herum gleichermaßen glasklar, voll- und wohltönend zu hören. Keine Frequenz wird verschluckt, nichts unglücklich reflektiert. Nicht zuletzt dank des Engagements von über 20.000 Spendern, die das Haus großzügig mitfinanzierten, erhielten die Bochumer Symphoniker damit nach 15 Jahren endlich eine angemessene Wirkungsstätte, die auch Orchesterkonzerten Raum bietet.

Eines der akustisch wirksamen Elemente, die für die Qualität maßgeblich sind, ist das fünfteilige, sich dreidimensional verwindende Deckensegel oberhalb der Bühne: ein vorgefertigtes, hochkomplexes Konstrukt, das sich dank ausgeklügelter Bühnen- und Trockenbautechnik in alle Richtungen verfahren, verstellen und bewegen lässt. So weist es dem Klang automatisch die richtige Richtung – und beherrscht darüber hinaus noch die Kunst der Fuge: Die Zwischenräume zwischen den einzelnen Gliedern nehmen die Bühnenbeleuchtung auf.

Gipsplatten auf Gipsfaser-Spantenkonstruktion: Stabil und schwer
Die Grundlage des Segels bilden mehrere Dutzend Einzelsegmente, die im Werk von Knauf millimetergenau produziert wurden. „Wir haben dabei auf Spantentechnik gesetzt, um eine dreidimensionale Konstruktion zu erschaffen, die auf der Baustelle formstabil miteinander verbunden werden kann“, erklärt Ekkehard Scholz, Objektmanager Akustiksysteme/Design bei Knauf. Die Materialkombination aus Gipsfaserunterkonstruktion und Beplankung aus 2 x 9,5 mm Gipsplatten erfüllt alle Anforderungen aus brandschutztechnischer Sicht. Gefordert war die Verwendung von Materialien mit der Mindestanforderung Baustoffklasse A2. Der eingesetzte Gipsfaserwerkstoff der Unterkonstruktion entspricht der Brandschutzanforderung A1 und die Bekleidung der Anforderung A2.

Die Form der doppelt gekrümmten Paneele war zuvor von Spezialisten mit parametrischen 3D Entwurfsmethoden hinsichtlich einer räumlich homogenen Schallreflexionsverteilung optimiert und in enger Zusammenarbeit mit den Architekten gestalterisch abgestimmt worden. Die Akustikplaner gaben auch das Flächengewicht vor: 15 kg/m² ohne Unterkonstruktion waren notwendig, um in Verbindung mit der rückseitigen Aussteifung unterschiedliche Tonhöhen gleichermaßen gut zu reflektieren.

Optimale Höhe und Neigung des Deckensegels
„Auf der Baustelle haben wir die im Werk schon mit den Abhängepunkten gekennzeichneten Einzelteile zunächst zu einem sinnvollen Puzzle zueinander geführt, eingemessen und mit Klebe- und Verschraubungstechnologie zusammengefügt“, verrät Roman Zuber, Abteilungsleiter von Heinrich Schmid. Die fertigen Gebilde wurden im Anschluss mit der Bühnentechnik an den Spanten hochgehängt.

Zuletzt verspachtelten die Trockenbauer die durchschnittlich 11,5 m langen und 2,5 m breiten Segel vollflächig in Q4-Qualität und egalisierten dabei die herauskragenden Stellen an den Montagestößen der Längs- und Querachse. Final aufgeklebtes Malervlies dient als Grundlage für die farbliche Endbeschichtung und stellt sicher, dass die fertigen Elemente keine Risse ausbilden können. So entstanden aus Dutzenden Einzelsegmenten fünf Blöcke mit absolut gleichmäßiger Krümmung.

Die optimale Höhe und Neigung des Deckensegels stellten die Akustikspezialisten während einer intensiven Akustikprobe mit den Bochumer Symphonikern ein.


Projektdaten

Bauherr: Stadt Bochum
Entwurfsplanung:
Bez + Kock Architekten Generalplaner GmbH, Stuttgart
Fachplanung Akustik:
Müller-BBM GmbH, Planegg, mit Kahle Acoustics, Brüssel
Fachplanung Bühnentechni:
The Space Factory, Lyon, mit itv Ingenieurgesellschaft für Theater- und Veranstaltungstechnik mbH, Berlin
Bühnentechnik:
Bühnentechnik Arnold GmbH, Brechen
Fachunternehmer Trockenbau:
Heinrich Schmid, Röhrsdorf
Fachberatung:
Ekkehard Scholz, Knauf Gips KG


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