Besser als bestellt
Kindertagesstätte FuSTA, Aarau/CH

In nur acht Monaten Bau- und Planungszeit realisierten die Aarauer Architekten vom Büro Husistein & Partner zusammen mit der schaerholzbau AG aus Altbüron, Luzern/CH, den Ergänzungsbau der Kindertagesstätte „Spielvilla“ in Aarau/CH. Der schnelle Wurf überzeugt durch Logik, Charisma und einen pragmatischen Umgang mit den Ressourcen.

Der Zeitplan war sportlich: Im November 2011 hatte die Stadt Aarau als Bauherr ausgewählte Architekturbüros
zu einem Planerwahlverfahren eingeladen. Die Aufgabe: ein Erweiterungsbau für die Kindertagesstätte „Spielvilla“ der Familien- und Schulergänzenden Tagesstrukturen Aarau/CH, kurz FuSTA, der schon im Sommer 2012 bezogen werden sollte.

Bis dahin waren die Kinder in der ehemaligen Hauswartwohnung der benachbarten Grundschule und in einem Containerpavillon auf dem Schulhof untergebracht. Der Kauf des angrenzenden Grundstücks erlaubte der Stadt, das räumliche Angebot zu verbessern. Basierend auf einer Machbarkeitsstudie mit Raumprogramm und Platzbedarf reichten die Büros ihre Realisierungskonzepte ein. Zusätzlich mussten sie den Nachweis erbringen, den engen Zeitplan auch umsetzen zu können. Siegreich aus dem Verfahren ging das ortsansässige Büro Husi­stein & Partner hervor. Innerhalb von wenigen Wochen erarbeiteten die Architekten ein Entwurfs- und Realisierungskonzept, im Januar 2012 folgte die Baueingabe. Die effektive Bauzeit betrug nur drei Monate, von Juni bis August 2012.

Schnell, gut, sicher

Die neue Kita im Westen von Aarau liegt in einem Wohnquartier in Nachbarschaft zur Aare, einem Nebenfluss des Rheins. Das Gebiet befindet sich in der Gefahrenzone für Hochwasser, Bauten müssen bis auf 1,20 m über Grund vor Hochwasser geschützt werden. Die Machbarkeitsstudie sah einen modularen Baukörper vor; wichtig
für die Bauherren waren eine schnelle Umsetzung und die Flexibilität in der Raumnutzung. Eine aufwändige architektonische Gestaltung stand aufgrund der zur Verfügung stehenden knappen Bauzeit explizit nicht im Vordergrund. Zudem sollte der Bau, zumindest theoretisch, auch an einen anderen Ort versetzt oder mit einer Aufstockung erweitert werden können.

Der eingeschossige, 23,60 x 17,70 m große Baukörper steht auf Punktfundamenten auf einem Hochparterre-Niveau von 1,20 m und nutzt das Grundstück bis auf die obligatorischen Außenräume nahezu vollständig aus. Mit dem Verzicht auf die Unterkellerung trug man einerseits dem Hochwasserschutz Rechnung, andererseits ließen sich so Bauzeit und -kosten minimieren. Wichtig für den reibungslosen Bauablauf war die GU-Vergabe an das Holzbauunternehmen schaerholzbau, das so auch für die Ausführung und die Bauleitung verant­wort­lich war.

Nach außen präsentiert sich der Pavillon als Teil des Quartiers. Die vertikale, fast fugenlose Holzverkleidung aus sägerauer Fichte in variierenden Grüntönen ist eine Reminiszenz an das von Kletterpflanzen überwachsene Einfamilienhaus, das dem Neubau weichen musste.
L-förmige Einschnitte in komplementären Rottönen markieren die Spielloggia auf der Westseite sowie den ostseitigen Eingangsbereich. Mit den changierenden Nuancen wollten die Planer auch die Verwitterung der Holzfassade vorwegnehmen. Tatsächlich wirkt die Fassade auch nach vier Jahren in Gebrauch lebendig und wertig.

Überraschung im System

Statt dem in der Machbarkeitsstudie vorgesehenen Modulbau realisierten Planer und Unternehmer einen Elementbau. Ausschlaggebend war der Preis, ein Modulbau hätte mit 15 –20% Mehrkosten zu Buche geschlagen. Aufbauend auf einem statischen Raster von 2,95 m formieren sich die Einheiten zu funktionalen Zonen mit ungewöhnlicher Verteilung: Das Innere ist als additives Raum-an-Raum-System entwickelt, die einzelnen 2,80 m hohen Zimmer erschließen sich gegenseitig. Das hat nicht nur eine hohe räumliche Qualität zum Vorteil. Die sonst üblichen Korridore konnten den Aufenthaltsräumen zugeschlagen werden, sie liegen flächenmäßig über den gesetzlichen Anforderungen.

Der Neubau beherbergt zwei Gruppen mit jeweils bis zu 14 Kindern im Alter von wenigen Monaten bis zur Vorschule. Von Ost nach West präsentieren sich darin drei Raumschichten: Vom Eingang aus rechts öffnet sich der Bereich der einen Spielgruppe mit Spielzimmer, Ruheraum und Essbereich. Mittig folgt eine gestaffelte, durch Oberlichter natürlich belichtete Raumfolge mit den WC-Anlagen, der Küche, einem Kreativzimmer und den Garderoben. Linkerhand schließt daran wieder eine Gruppeneinheit an, davor befinden sich Wirtschafts-, Büro und Lagerräume. Die Erschließung der mittleren Zone, die von beiden Gruppen genutzt wird, erfolgt von beiden Seiten.

Gewollt, aber nicht gewagt

Auffallend ist das Farbkonzept: Die weiß lasierte Decke und der lehmfarbene Linoleumboden stehen im Kontrast zu den mit Gipskarton verkleideten und mit Raufasertapete belegten Wände der Ess- und der Ruhebereiche in kräftigem Rosa und Hellblau. Leider verließ die Bauherrschaft bei der weiteren Umsetzung der Mut: Die bunten Räume waren Teil eines Farbkonzepts, Spielzimmer in Grün sollten den polychromen Dreiklang komplettieren. Sie sind heute, ebenso wie die Wirtschafts- und Bürobereiche, in konventionellem Weiß gehalten. Neben dem Wechsel vom Modul- zum Elementbau war dies die einzige Adaption des Entwurfskonzepts.

Neben der Farbigkeit fällt die Leitungsführung ins Auge: Alle Medien sind offen und sichtbar verlegt – ein Zugeständnis an die kurze Planungszeit, aber auch ein pragmatischer Zugang zur Entwurfsaufgabe. Auf diese Weise ist die einfache Demontierbarkeit gewährleistet. Tatsächlich stören die Leitungen nicht; im Gegenteil, man könnte der sichtbaren Technik auch einen pädagogisch-didaktischen Auftrag unterstellen.

Und die Nachhaltigkeit?

2013 erhielt der Neubau das Label „Minergie-­Eco“. Für den Schweizer Minergie-Standard muss ein Neubau unter anderem einen Energieverbrauch von maximal 38 kWh/m2a nachweisen, dies für Heizung, Kühlung, Warmwasser und Lüftung. Die Zertifizierung erfolgt aufgrund der Planungswerte, die Umsetzung sieht in der Regel eine gut isolierte Gebäudehülle vor, ergänzt durch eine automatische Belüftung mit Wärmerückgewinnung. Beim Neubau der Kita sind dies eine Luft-Wasser-Wärmepumpe sowie eine 22 cm dicke Wärmedämmung aus Zellulosefasern für die Wände, 0 –12 cm Gefälledämmung und 5 cm PUR auf dem Dach.

Zur Energie- kommt die Flächeneffizienz: Mit seinem kompakten Grundriss und dem Verzicht auf Verkehrsflächen erreicht der Bau einen hohen Flächeneffizienzwert von 0,77 (290 m2 Hauptnutzfläche gemäß SIA 416 / 379 m2 Geschossfläche gemäß SIA 416). Würde die konstruktiv mögliche Aufstockung realisiert, ließe sich dieser Wert noch erhöhen. Ob sich die positive Rechnung allerdings auch vorteilhaft auf die Raumqualität im Erdgeschoss mit seinen Oberlichtern auswirken würde, bleibt abzuwarten.

Eine Besonderheit für einen öffentlichen Bau ist der „Eco“-Standard für Gebäude mit ökologischer Bauweise. Diesen Ansatz verfolgte man auf besonderen Wunsch der Architekten: Zum einen verlangt das Bauen für Kinder ohnehin ein umsichtiges Denken. Zum anderen war die Kombination von kurzer Bauzeit, Holzkonstruktion und automatischer Lüftung quasi glückliche Fügung und systemimmanenter Imperativ zugleich: Die Lüftung ermöglicht ein angenehmes Innenraumklima, die durch die kurze Bauzeit intensiveren Emissionen des Holzes konnten nach außen abgeführt werden.

Obwohl der Bau durchaus Aspekte von Nachhaltigkeit und Suffizienz thematisiert, war dies kein spezielles Entwurfsthema. „Unser Büro hat den Nachhaltigkeitsgedanken verinnerlicht“, so Philipp Husistein. Und die Fokussierung auf einen bewussten Umgang mit Material und Ressourcen sei durch die knappe Bauzeit ohnehin gegeben gewesen. Tina Cieslik, Bern/CH

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