ThyssenKrupp Haus Berlin, Teil 3

Thyssenkonzern zieht Berliner Projekt überraschend zurück; dachte man

Nun ist die Berliner Zeitung nicht unbedingt dafür bekannt, ihre Themen in aller Kürze, knapp recherchiert und reißerisch aufzubereiten. Im heutigen Fall der Meldung "ThyssenKrupp baut nicht vor dem Staatsratsgebäude" ist der Redaktion aber wohl etwas gelungen, was man in Zeitungskreise eine Ente nennt. Jedenfalls kam auf die erstaunte Nachfrage in der Thyssenzentrale in Essen gleich das Dementi: Stimmt nicht; nicht so ganz jedenfalls.

Gewundert hatte es den Autor schon eine ganze Weile, wie es überhaupt zum Wettbewerb am Schlossplatz vor dem ehemaligen Staatsratgebäude für ein ThyssenKrupp Haus Berlin hatte kommen können. Der internationale Wettbewerb für die Firmenrepräsentanz hatte 258 Büros aus 19 Ländern angesprochen, die jedenfalls hatten in der ersten Phase ihre Arbeiten eingereicht. Ende November 2011 gab es das Wettbewerbsergebnis, aber noch keine Bilder: Einstimmig wurde der Entwurf des Büros Schweger & Partner, Hamburg, mit dem ersten Preis ausgezeichnet, die Projekte von drei weiteren Architekten wurden gleichrangig mit zweiten Preisen ausgezeichnet. Neben der Frage, wie es überhaupt zu Verhandlungen über einen Bauplatz kommen konnte, der eigentlich gar nicht vorhanden ist, und ebenso, warum ein milliardenschwerer Konzern, der gerade dabei ist, sich personell zu verschlanken, diesen Bauplatz für einen Betrag aus der Portokasse erhalten konnte, wunderte man sich auch über das Verhalten der Stadt Berlin. Die will - mit dem Bund zusammen - gegenüber der Firmenrepräsentanz ja ein ganzes Schloss hinter historisierenden Fassaden errichten, und schräg gegenüber eine Bauakademie hinter immer blasser aussehenden Fassadentapeten aushungern.

Die Berliner Zeitung schreibt von einem Telefonat, das angeblich der Ehrenvorsitzende des Aufsichtsrats des ThyssenKrupp-Konzerns, der 98-jährige Berthold Beitz, mit Florian Mausbach geführt haben soll. Der, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, stand, so die Berliner Zeitung, "am Dienstagmittag gerade in der Küche, als ihn seine Frau ans Telefon rief. Berthold Beitz war in der Leitung. Der 98 Jahre alte Ehrenvorsitzende des Aufsichtsrats des ThyssenKrupp-Konzerns wollte Mausbach eine wichtige Mitteilung machen. Und zwar, dass der Technologiekonzern auf den umstrittenen Bau seiner Hauptstadtrepräsentanz direkt vor dem denkmalgeschützten Staatsratsgebäude in Mitte verzichtet." Der Inhalt dieses Telefonats ist so schlicht, wie er brisant sein könnte. Laut Berliner Zeitung - und sie stützt sich hier auf die Aussage von Mausbach, der der Berliner Zeitung dieses alles anvertraute - verlief das Gespräch wie folgt:

Beitz: „Herr Mausbach, wir bauen das nicht.“

Mausbauch: „Den Glaskubus vor dem Staatsratsgebäude?“

Beitz: „Ja, wir bauen das nicht."

Man könnte nun eine Menge unterstellen. Beispielsweise, dass der Mann, dem wir den Neubau des Folkwang Museums in Essen (David Chipperfield) zu verdanken haben, sich an diesem Dienstag nicht wohl gefühlt hatte. Oder dass Mausbach, dem das Thyssen-Projekt als treibendem Mitinitiator des Einheitsdenkmals gleich gegenüber, von Anfang an ein Dorn im Auge war, und er den Anruf von Beitz entsprechend lancierte. Oder dass die Berliner Zeitung diese Ente baute, um auf diesen und anderen Online-Seiten zitiert zu werden ...

Die Thyssener schickten uns auf Nachfrage per Email eine "Stellungnahme zum Artikel 'ThyssenKrupp baut nicht vor dem Staatsratsgebäude' aus der Berliner Zeitung vom 01.03.2012". Hierin erklären sie, dass die Aussagen von Florian Mausbach zum Telefongespräch "nicht den tatsächlichen Aussagen [entsprechen], die Prof. Dr. h.c. mult. Berthold Beitz in einem Telefonat mit Florian Mausbach getroffen hat. Darüber hinaus ist zwischen den Beteiligten ausdrücklich eine vertrauliche Behandlung der Inhalte des Telefonats vereinbart worden." Dieser Verweis auf einen Maulkorb sorgt in der Sache natürlich nicht für Klarheit, im Gegenteil bekommt man den Eindruck, hier solle etwas unter den Teppich gekehrt werden.

Aufhorchen lassen einen dann noch die beiden abschließenden Sätze: "Die Darstellung, dass der ThyssenKrupp Konzern nicht vor dem Staatsratsgebäude baut, ist nicht korrekt. ThyssenKrupp hat hierzu noch keine Entscheidung getroffen." Das klingt nach "Ende offen", und vielleicht ziehen die ThyssenKruppianer dann doch in die Bauakademie-Attrappe ... die natürlich dafür endlich wiederhergerichtet werden wird, ganz ohne Wettbewerb, streng nach Schinkel. Wir bleiben dran. Be. K.

Artikel in der Berliner Zeitung

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