Internationaler Hochhauspreis IHP 2014

"Horizontaler Wald", ein Projekt von Stefano Boeri gewinnt die mit 50000 € dotierte Auszeichnung

Ein Hochhauspreis in München? Oder in Hamburg? Schwer denkbar, aber vielleicht nötig. Denn wenn man dem Chef des Frankfurter Deutschen Architekturmuseums, Peter Cachola Schmal, folgen möchte, sind Hochhauspreise nichts weniger als ein Muss für eine Stadt. Internationale Hochhauspreise. „Hochhäuser“, so der Direktor des DAM auf der Pressekonferenz zur Bekanntgabe des Gewinners des International Highrise Award 2014 IHP, „Hochhäuser sind unsere Chance für die Zukunft der Städte.“ Das sagte er Downtown Frankfurt a. M., der einzigen Hochhausstadt Deutschlands. Er sagte das im 44. Geschoss der den Preis finanzierenden Deka-Bank, ein Geschoss über der Vorstandsebene.

Das Szenario ist einfach: Die Städte 2050 sollen rund 70 Prozent der Weltbevölkerung beherbergen, 70 Prozent von etwa 9 bis 10 Milliarden. Dass diese Städte nicht in Europa explodieren werden, spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle. Architektur wird, wie das Meiste auch, als Geschäft wie auch als kultureller Ausdruck im Jahr 2050 endgültig globalisiert sein; wenn man schon meint, man könne 35 Jahre voraus in die Zukunft schauen.

Und damit die Städte die Explosion der Bevölkerungszahl überhaupt verkraften, so nicht nur Peter Schmal auf dem Podium, brauchen wir die vertikale Stadt. Damit diese dann nicht so aussieht wie Hongkong beispielsweise, gehen die Frankfurter auf die Suche; auch in der eigenen Stadt. Und wie schon beim letzten Preis 2012 spielte auch in diesem Jahr weniger die Ästhetik die entscheidende Rolle, sondern eher das – man möchte es kaum schreiben – Soziale des Turms. Also seine Vertäglichkeit im sozialen Gefüge. Was man insgesamt mit der Farbe Grün assozieren möchte.

Kein Wunder dann, dass nun der grüne „Bosco Verticale“ in Mailand ausgewählt wurde. Zumal dieses Projekt, das aus zwei begrünten Türmen besteht, dem Juryvorsitzenden und letzten Gewinner des Preises, Christoph Ingenhoven, dem Instinkthaften des Menschen am nächsten kommt. Mit seinem Wald, bestehend aus Baumstämmen. Unter anderem. Der „Bosco Verticale" der vertikale Wald, ist also Preisträger des mit 50.000 € dotierten Internationalen Hochhauspreises. Er konnte sich – das im Hinterkopf – spielend leicht gegenüber den mehr als 800 eingereichten Hochhäusern durchsetzen. Selbst gegen die fünf Finalisten. So setzte sich das Wohnhochhaus von Stefano Boeri gegen „De Rotterdam“ in Rotterdam von OMA, Rotterdam; „One Central Park“ in Sydney von Ateliers Jean Nouvel, Paris; „Renaissance Barcelona Fira Hotel“ in Barcelona von Ateliers Jean Nouvel, Paris und „Sliced Porosity Block“ in Chengdu von Steven Holl Architects, NYC, durch. Letzterer – wie auch der De Rotterdam – ist nun tatsächlich monströs im Vergleich mit den begrünten Wohntürmen. Der Block in Chengdu kam ins Finale, weil er energieeffizient sei und bei seiner Realisierung „vorwiegend regionale Baumaterialien“ verwendet wurden (Best Highrise. DAM/Prestel 2014); also Beton, Stahl und Glas. Herausgehoben wurde bei dem Büro- und Wohnkomplex weiterhin, dass sein Innenhof – eher eine Schlucht – einen „spektakulären Erlebnisraum“ für das umliegende Quartier bilde, einen „Hort der Ruhe“.

Sämtliche Projekte zeichnen sich durch ihre Beanspruchung öffentlichen Raumes aus, das „One Central Park“ von Jean Nouvel reagiert darauf fast schon selbstverständlich aber doch völlig überzogen mit aufwendigen Tageslichtlenksystemen, die verhindern, dass der anliegende Park im Dauerschatten seines neuen Nachbarn versinkt. Ist soetwas nachhaltig oder eher der Nachhall eines Planungsfehlers?

Sämtliche Projekte zeichnen sich durch hohe Erstellungskosten aus, die zum einen in der Ausstattung, zum anderen vom Typen Hochhaus gefordert werden. Damit sind die Miet- oder Kaufpreise so, dass die Wohnflächen (im Bosco Verticale zwischen 70 und 500 m² und pro m² rund 9000 € kosten) nicht für die erreichbar sind, die in den kommenden Jahrzehnten ihr Glück in den Städten suchen werden.

Stefano Boeri, zusammen mit dem Investor Hines Italia, sieht sein Projekt in Mailand als eine Art von Vorstudie für Hochhäuser, die er sonstwo auf der Welt bauen wird. In China beispielsweise werde ein vergleichbarer horizontaler Wald demnächst realisiert, über dessen Kosten könne er aber noch nichts sagen.

Dass die Jury den vertikalen Wald als Gewinner wählte, mag daran liegen, dass die beiden Türme dem aktuellen Standard internationaler Hochhausästhetik entsprechen. Nicht mehr die Höhe zählt, nicht mehr die exaltierte Form, nicht mehr der Glanz abweisender Fassaden, sondern Funktionalität, Okölabel und eine Schönheit, die eben auf Instinkten baut, so denen, die den Wald als (entfernte) Heimat empfinden. Dass die Höhenbegrenzung der Bäume im Wachstum und ständige Pflege durch professionelle Pfleger, dass die vertikale Undurchlässigkeit der Ebenenforste für größere Tiere, dass das Fehlen von Humusböden mit Kleinstlebewesen und viele andere Künstlichkeiten gegen das Prinzip des lebendigen Organismus Wald verstoßen interessiert vielleicht nur die Waldläufer unter uns. Wälder sterben auch mal komplett, lässt man ihnen Zeit, sind sie auch wieder da. In Mailand würde das nicht funktionieren, in Shanghai oder Frankfurt auch nicht.

Vorschlag für den IHP 2016: Gewinner wird nur der Architekt/Investor, der ein vertikales Quartier realisiert hat, dessen Mietpreise auf dem Niveau des sozialen Wohnungsbau liegen, dessen Gebäude nicht solitär sondern im Ensemble stehen, das komplett aus regionalen, nachhaltig produziert und nachhaltig verbauten Materialien besteht und genossenschaftlich finanziert wird. 2025 sollten München oder Hamburg dann einen internationalen Preis für horizontalen Massenwohnbau ausloben, gute Projekte werden bis dahin sicher dabei sein. Be. K.

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