Repräsentativer Empfang in Gipskarton

ZAL, Hamburg

Mit dem Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) des Büros PSP Architekten Ingenieure ist in Hamburg ein neues Forschungs- und Entwicklungs-
cluster der zivilen Luftfahrt entstanden. Orientiert an den geschwungenen Formen des Flugzeugbaus steht im Foyer ein Trockenbau-Radialkörper, der verschiedene Funktionen bündelt.

Im Jahr 2011 konnte PSP den Wettbewerb für einen Neubau auf der Rüschhalbinsel in Finkenwerder für sich entscheiden. Ende 2015 wurde das Gebäude fertiggestellt und ist nun mit rund 600 Arbeitsplätzen auf mehr als
26 000 m² und einer hervorragenden technischen Infrastruktur ein weltweit führender Standort für technologiebasierte Luftfahrtforschung. Forschungsthemen sind beispielsweise Kabinenausstattung, Stromversorgung und Akustik. Das Gebäude wird durch das ZAL-Netzwerk genutzt – ein Public-Private-Partnership, an dem auch die Stadt Hamburg, Airbus, Lufthansa und mehrere Hamburger Hochschulen beteiligt sind.

Ein Zentralbau mit Flügeln

Der neue Gebäudekomplex erstreckt sich zwischen Hein-Saß-Weg und Steendiek-Kanal und lässt eine klare Gliederung in Zentral- und Flügelbauten erkennen. Zwei
parallel angeordnete, längliche Baukörper mit Werkhallen und Büroflächen umfassen den Vorplatz. Sie sind über ein zweigeschossiges Quergebäude mit Eingangsfoyer, Präsentationsräumen, Gemeinschaftsbereichen und Kantine miteinander verbunden. Das Quergebäude wird mittig von einem raumgreifenden Riegel überragt, dessen Form und Positionierung Assoziationen mit einem Flugzeugrumpf hervorrufen und in dem auf drei Ebenen Open-Space-Büros untergebracht sind. Eine exzellente technische Ausstattung, zum
Beispiel mit Virtual-Reality-Raum und großem Akustiklabor, in dem Flugzeugrümpfe im Flugbetrieb getestet werden können, ergänzen das umfangreiche Raumangebot.

Obwohl zunächst eine Ausführung der Fassade in Backstein gewünscht wurde, entschieden sich die Architekten für Materialien, die der Funktion des Gebäudes besser entsprechen. Anthrazitfarbene Faserzementplatten, Metallverkleidungen und eine großflächige Sonnenschutzverglasung erzeugen eine transparente Architektur mit kühler, technoider Wirkung. Fensterbänder unterstreichen längsseitig die Horizontalität der Baukörper. Die vollverglasten Stirnseiten des aufgesetzten Riegels erlauben Ausblicke in die Umgebung.

Räumliche Verknüpfung und Brandschutz

In den Flügelbauten war die visuelle und räumliche Verknüpfung der Werkhallen mit den anliegenden Büros und Laborräumen ein Vorteil bei der Wettbewerbsentscheidung, aber auch eine Herausforderung für den Brandschutz. „Das Besondere an unserem Projekt ist, dass wir es in Abstimmung mit dem Brandschutzgutachter geschafft haben, die Achse zwischen den Büroriegeln und Werkhallen nicht in Brandschutzqualität ausführen zu müssen, sondern als offene Beziehung zu gestalten,” erklärt Ulrich Joachim, Projektleiter bei PSP. Da die offene galerieartige Büroerschließung über die Halle keinen sicheren Rettungsweg darstellt, wurden an den Fassaden Fluchtbalkone aus Stahlbetonfertigteilen angeordnet. Der Nutzen dieses Fluchtwegs für die Arbeit im Gebäude wird unmittelbar bei Betreten der Halle deutlich: Sichtbeziehungen und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Bürogalerien und dem Hallenbereich erlauben ein vielschichtiges Raumerlebnis und gute Voraussetzungen für einen intensiven Austausch zwischen den Mitarbeitern. Hier wurden die Trennwände zwischen Büro-/Laborbereich und Hallen mit Glasfenstern versehen.

Verknüpfungen unterschiedlicher Funktionsbereiche finden sich auch zwischen dem „Innovationsmarktplatz“ im Quergebäude und dem Foyer sowie zur Halle im nördlich gelegenen Flügelbau. Der für Präsentationen vorgesehene Marktplatz/Ausstellungsraum lässt sich über drei deckenhohe, im Querschnitt gewölbte Drehtüren mit Aluminiumverkleidung zum Eingangsbereich öffnen. Aus brandschutztechnischen Gründen musste die ursprünglich geplante vierte Drehtür, die eine Öffnung zum Foyer über die gesamte Wandlänge erlaubt hätte, durch eine Wandscheibe mit konventioneller Fluchttür ersetzt werden. Auf der gegenüberliegenden Raumseite gibt eine verglaste Trennwand den Blick auf offene Flugzeugrümpfe in der benachbarten Werkhalle frei. Hier dient ein vor der Verglasung liegendes Brandschutztor der Abschnittstrennung.

Radialkörper in Gipskarton

Dem anfänglich funktional gestalteten Eingangsbereich kam im Laufe der Entwurfsbearbeitung größere Bedeutung zu. Das Ergebnis ist ein repräsentativer, inselförmiger „Radialkörper“, so die Bezeichnung der Architekten, der den Empfangstresen formt, eine Nische mit Sitzlounge bietet und mehrere Nebenräume wie Backoffice und Garderobe umhüllt. Er liegt mittig im Foyer und zoniert damit den Eingangsbereich. Die geschwungenen Formen erinnern an den Flugzeugbau und begünstigen die Wegeführung – während links des Eingangs Vortrags- und Kreativräume angeordnet sind, öffnet sich der Raum auf der rechten Seite zu verschiedenen Sitzbereichen, einer Kantine mit Zugang zur Außenterrasse am Kanal und der Sicherheitsschleuse mit Zugang zu den oberen Geschossen.

Die übereinander geschichteten und zueinander versetzt angeordneten Bänder des Radialkörpers konnten
in überzeugender Qualität als Trockenbaukonstruktion
erstellt werden. Dafür ist wesentlich die werkseitige Vorfertigung der einzelnen Gipskartonabschnitte verantwortlich. Anhand des 3D-Entwurfsmodells konnte eine Sonderabteilung des Herstellers die Gipskartonplatten mit 2 x 12,5 mm Stärke unter dem Einfluss von Hitze und Feuchtigkeit in Form biegen. Selbst kleine Radien sind in diesem Verfahren möglich. Die Abschnitte behalten nach dem Trocknen die Form bei. Teilweise wurde eine Holzunterkonstruktion eingesetzt, um die Formteile zusätzlich zu stabilisieren.

Vor Ort wurden von der Trockenbaufirma Matthias Mier GmbH
zunächst konventionelle Gipskartonwände als Abgrenzung der Nebenräume errichtet. Anschließend wurden mithilfe von Standardtrockenbauprofilen die Gipskartonformstücke befestigt. „Während die normale Trockenbauwand im Kantinenbereich mit einer Q3-Spachtelung und einem Dispersionsanstrich versehen wurde, erhielt der
Radialkörper mit einer höherwertigen Q4-Spachtelung und einem Lackanstrich einen Glanzcharakter“ erläutert Ulrich Joachim. Der Empfangstresen aus Corian fügt sich fugenlos in diese leicht glänzende Bandstruktur ein. Das Sockelband erhielt eine Aluminiumverkleidung. LED-Lichtbänder im Boden- und Deckenbereich trennen den Radialkörper optisch von seiner Umgebung. Eine Lichtdecke aus einem hinterleuchteten, verspannten Textilgewebe erzeugt ein diffuses Licht über dem Tresen. Die mäandernde, gepolsterte Sitzgruppe, die sich in die Nische der Empfangsinsel einfügt, wiederholt die geschwungene Formensprache der Gipskartonformteile.

Das Foyer ist in Lauf- und Verweilflächen gegliedert, für die mit Industrieestrich und Eichenholzparkett bewusst kontrastierende Materialien gewählt wurden. Eine klare Trennung von Sitzbereich und Laufzone bewirken die individuell unterschiedlichen Aluminiumschwerter, welche, wie die Gipskartonformteile, für die Herstellung und Positionierung einzeln CAD-technisch dargestellt wurden. Zur Zonierung des offenen Erdgeschosses tragen auch die Deckenleuchten bei: Weiße Kunststoffflügel schweben über den Sitzbereichen der Kantine.

Für eine verbesserte Raumakustik wurden die Präsentationsräume, das Foyer und die Kantine mit Gipskartonplatten mit versetzter Rundlochung und akustischer Dämmauflage ausgestattet. Durch die verspachtelten Plattenstöße entsteht ein homogenes Erscheinungsbild. Im Randbereich und um die Deckenauslässe wurden die Platten mit einem geschlossenen Gipskartonfries ausgeführt. Die größte Absorberwirkung hat im Foyer jedoch ein in die Trockenbauwand des Sitzbereiches integriertes Akustikpaneel aus Glaswolle mit einem widerstandsfähigen Glasfasergewebe als sichtbare Oberfläche. Wie schon beim Radialkörper zeigt sich hier die funktionelle und gestalterische Verbindung verschiedener Elemente mit dem Trockenbau. Uta Gelbke, Oldenburg

Baudaten

Objekt: ZAL Zentrum für Angewandte Luftfahrt-forschung

Standort: Hein-Saß-Weg 22, 21129 Hamburg
Typologie: Forschungs- und Technologiezentrum
Bauherr: FAP First Aviation Property Development Grundstücksgesellschaft mbH & Co. KG,
Hamburg, vertreten durch die ReGe Hamburg
Projekt-Realisierungsgesellschaft mbH, Hamburg, www.rege.hamburg

Nutzer: ZAL Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung GmbH, Hamburg, www.zal.aero
Architekt: PSP Architekten Ingenieure, Hamburg, www.arch-psp.de
Entwurfsverfasser: Dipl.-Ing. Architekt BDA Michael Krämer, PSP Architekten Ingenieure, Hamburg
Projektleiter: Dipl.-Ing. Architekt Ulrich Joachim,
PSP Architekten Ingenieure, Hamburg
Projektteam/Architekten: Daniel Erismann, Raul Hölzel, Matthias Wefel, Dorothee Schröder, Pamela Schwarz, Christian Schreinert
Bauleitung: Ed. Züblin AG, Direktion Nord, Hamburg, www.hamburg.zueblin.de
Generalunternehmer:
Ed. Züblin AG, Direktion Nord, Hamburg
Bauzeit: Juli 2014 – Dezember 2015

Fachplaner

Tragwerksplaner: Weber Poll, Ingenieurbüro für Bauwesen GbR, Hamburg, www.wp-ingenieure.de
TGA-Planer: Pinck Ingenieure Consulting GmbH, Hamburg, www.pinck.de
Akustikplaner: Lärmkontor GmbH, Hamburg,
www.laermkontor.de
Energieplaner: Weber Poll, Ingenieurbüro für Bauwesen GbR, Hamburg
Brandschutzplaner: hhpberlin Ingenieure für Brandschutz GmbH, Hamburg, www.hhpberlin.de

Projektdaten

Grundstücksgröße: 29 200 m²
Grundflächenzahl: 0,35
Geschossflächenzahl: 0,93
Nutzfläche: 26 160 m²
Technikfläche: 1 470 m²
Verkehrsfläche: 4 670,         m²
Brutto-Grundfläche: 28 200 m²
Brutto-Rauminhalt: 179 500 m³
Energiebedarf
Primärenergiebedarf: 180,8 kWh/m²a nach EnEV 2009
Endenergiebedarf: 140,0 kWh/m²a nach EnEV 2009
Gebäudehülle
U-Wert Außenwand = 0,20 W/(m²K)
U-Wert Fassadenpaneel = 0,20 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte = 0,52 W/(m²K)
U-Wert Dach = 0,15 W/(m²K)
Uw-Wert Fenster = 1,1W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung = 1,1 W/(m²K)

Hersteller

Trockenbau: Knauf Gips KG, www.knauf.de
Fenster: Schüco International KG, www.schueco.com
Fassade Bauteil 1: 3A Composites GmbH,
www.alucobond.com
Fassade Bauteil 2: Eternit GmbH, www.eternit.de
Bodenbeschichtung: Disbon GmbH, www.disbon.de
Sonnenschutz: Warema Renkhoff SE,
www.warema.de
Türen/Tore: Teckentrup GmbH & Co. KG,
www.teckentrup.biz
Beleuchtung: Trilux GmbH & Co. KG, www.trilux.com; Philips Lighting GmbH, www.lighting.philips.de; Inotec Sicherheitstechnik GmbH, www.inotec-licht.de;
Zumtobel Lighting GmbH, www.zumtobel.com
Türbeschläge: Franz Schneider Brakel GmbH + Co KG, www.fsb.de
Türschließer: Dormakaba Deutschland GmbH,
www.dorma.com

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 10/2017

Zentrum für Luftfahrtforschung, Hamburg

Das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung, kurz ZAL, ist in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Airbus-Werk in Finkenwerder nach Plänen der Hamburger PSP Architekten Ingenieure entstanden. Das...

mehr
Ausgabe 07/2017

Finanzamt, Halle

Das neue Finanzamt Halle ist umgeben von einer gründerzeitlich geprägten Wohn- und Geschäftsbebauung. Auf fünf Ebenen mit rund 19?000?m² Bruttogeschossfläche, wurden Büros, Besprechungs- und...

mehr
Ausgabe 12/2022

Bettenhaus am Universitätsklinikum Halle (Saale)

Das Universitätsklinikum Halle an der Saale erweitert seinen bestehenden Gebäudekomplex um ein neues Bettenhaus. Die Cadolto Modulbau GmbH erhielt den Auftrag, das Projekt in Modulbauweise zu...

mehr
Ausgabe 07/2016

Einfach raffiniert Werkhalle Walter Küng AG, Alpnach OW/CH

Hört man den Begriff „Industriearchitektur“ erscheinen unweigerlich lieblos oder gar nicht gestaltete Kisten vor dem inneren Auge. Kommt dann noch das inflationär gebrauchte Label „corporate...

mehr
Ausgabe 12/2022

Kantine für NewWorker:innen, London/GB

Direkt südlich vom Millenium Dome auf der Greenwich-Halbinsel wurde der sogenannte „Design District“ installiert, ein – wie es auf der Homepage des Ortes heißt – „permanentes Zuhause für...

mehr