„Wohnen ist überall alles“


Meixner Schlüter Wendt
Architekten, Frankfurt a. M.

zum Thema „Urbanes Wohnen“

Was ist Wohnen? Ist Wohnen, sich in einer Wohnung, in einem Haus oder in einer Stadt aufzuhalten? Ist Wohnen zu Hause essen, im Restaurant essen, auf der Straße improvisiert essen – im Wohnzimmer lesen, im Park lesen –, zu Hause fernsehen, im Kino Filme anschauen, zu Hause arbeiten, im Büro arbeiten oder in der U-Bahn arbeiten? Wohnen findet übergangslos und irgendwie überall statt. Wohnen hat mit sich befinden, wahrnehmen, reflektieren und zusammenleben zu tun.

Was ist urban? Urban sind städtische Situationen – „urban“ assoziiert Begriffe wie Verflechtung, Vernetzung, Rückzug, Bewegung – physisch und psychisch, formal und funktional. Urban hat zu tun mit Ballung, Mischung unterschiedlicher Atmosphären, unterschiedlicher Nutzungen und sozialer Interaktion. Oft geht es um vielschichtige Veränderungen und Auseinandersetzung mit Mängeln.

Insofern ist urbanes Wohnen ein sehr komplexes, auch uferloses Thema. Aussagen dazu können daher nur fragmentarisch und subjektiv sein. Städte haben global – unabhängig von ihrer Größe – politisch, soziologisch und physisch eine große Eigendynamik; städtebauliches, planerisches Wollen kommt eher eingeschränkt zur Entfaltung. Wenn aber, dann sind die Themen des planerischen Alltags unter anderem die Erhaltung authentischer, auch historischer Strukturen und Identitäten, die Weiterentwicklung sämtlicher Segmente des Wohnungsbaus von grundversorgt bis sehr hochwertig, die Gestaltung des öffentlichen Raums und die Vernetzung aller Bereiche.

Neben der Kultivierung dieser fundamentalen Alltagsthemen, zu denen bei jeder Planungsaufgabe Stellung genommen werden sollte, haben für uns Projekte und Themen einen besonderen Reiz, bei denen Überlagerung, Verfremdung und Transformation eine Rolle spielen. Gemeint sind Projekte, die mit der Verwischung von Grenzen, Verschränkungen, Schichtungen und Gleichzeitigkeit zu tun haben. So haben wir Projekte geplant, bei denen ein Kirchplatz auch Sport- und Spielplatz sein kann, die Eingangshalle eines Amtes auch Ausstellungsraum sein kann, oder ein Wohnhaus in innerstädtischer Lage sich in besonderer Weise zur Nachbarschaft abgrenzt und gleichzeitig öffnet.

Projekte anderer, die uns in diesem Zusammenhang gefallen, weil sie die Möglichkeiten des Städtischen zeigen, sind etwa Parkhäuser mit multiplen funktionalen Überlagerungen, Raumblasen-Küchen im städtischen Raum, die Umwandlung von Supermärkten in Wohnhäuser, parasitäre Dachaufbauten oder visionäre Raumstrukturen im größeren Maßstab. Im ganz bescheidenen Maßstab finden vielfältige Funktionsverwischungen auch immer wieder in Gründerzeitwohnungen statt.

Oft sind ja die authentischen und interessanten städtebaulichen Situationen die, bei denen sich durch Zeit und pures Leben wirklich vielschichtige, lebenswerte Qualitäten mit großer Authentizität entwickeln. Dies im Planungsprozess zu behandeln und damit zu arbeiten, ist sehr vielversprechend. Letztlich geht es dabei auch um die Ambivalenz aus Determination und Offenheit, aus vorgegebener Planung und möglicher sozialer Teilhabe als wesentlichem Element urbanen Lebens.

Die Architekten

Claudia Meixner, Studium TH Darmstadt und an der Universita degli Studi/ Florenz (DAAD Stipendium), seit 1987 Zeichnung und Malerei - div. Austellungen und Beteiligungen, Lehrtätigkeit an der TH Darmstadt, zahlreiche Auszeichungen. Florian Schlüter, Studium TH Darmstadt und an der Universita degli Studi/ Florenz (DAAD Stipendium), Lehrtätigkeit an der TH Darmstadt und Gesamthochschule Siegen, zahlreiche Auszeichnungen. Martin Wendt, Studium FH Frankfurt a. M., zahlreiche Auszeichnungen; alle drei seit 1997 in der Bürogemeinschaft in Frankfurt a. M. www.meixner-schlueter-wendt.de

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2023 Flexibel wohnen in Gemeinschaft

Wohnhaus Abakus Basel/CH

An sich wohne man hier mit weniger als 30?m2 pro Person weit unterhalb des durchschnittlichen Raumbedarfs, so Architekt Claudio Meletta über das Gebäude in Basel mit dem Projektnamen Abakus....

mehr
Ausgabe 06/2021

Wohnhaus bei Augsburg

Unweit von Augsburg hat eine Familie neu gebaut: Wichtig war ihnen, neben einer klaren Architektursprache und hellen Innenräumen, eine hochwertige Gebäudesubstanz. Zuvor hatte die Familie in einem...

mehr

Zukunft des Wohnungsbaus

Symposium am 7. November 2013, msa Münster

In Kooperation mit der msa münster school of architecture (Prof. Jürgen Reichardt) veranstaltet bauforumstahl ein ganztägiges iforum unter dem Titel "private steel – living no limits". Dabei...

mehr
Ausgabe 11/2020 Kleines Haus – großes Potential

Haus Ferdinand, Antwerpen/BE

Hässliches Entlein Die BauherrInnen kauften das dreigeschossige und abgewohnte Gebäude mit seinem einfachen Giebeldach 2018. So wie die anderen Parzellen der unmittelbaren Umgebung zeichnet sich das...

mehr
Ausgabe 12/2012

Wohnhaus Z. www.meixner-schlueter-wendt.de

Ein Haus aus den 20er-Jahren mit Walmdach wurde als Wohnhaus für eine Familie erweitert. Dabei stellte sich Meixner Schlüter Wendt Architekten, Frankfurt am Main, die Aufgabe, zum einen den...

mehr