Wer hat Angst vor Hannes Meyer? Hannes wer? Eine Ausstellung in Dessau

Das Bauhaus –  nicht der „Spezialist für Werkstatt, Haus und Garten“, der, allen Versuchen zum Trotz, bis heute immer noch die Weltmarke Bauhaus auf seine Fahnen schreiben und auf Regalkilometern selbstredend Möbel und Wohnaccessoirs im „Bauhausstil“ anbieten darf – das andere Bauhaus also, das 2019 sein hundertstes Gründungsjahr feiert, diese international gewürdigte und anerkannte Bau-, Kunst-, Forschungs- und Produktionsschule also ist eigentlich recht unbekannt.

Klar, Häuser, Möbel, Lampen, Grafik und Webearbeiten à la Bauhausstil kennen die meisten von uns und andere auch (zum Beispiel die Bauhaus-Kunden), und gleich fallen einem Namen ein wie Mies van der Rohe, Kandinsky, Moholy-Nagy, Schlemmer, Breuer und ja, auch Walter Gropius, erster Direktor der Schule, da noch in Weimar. Und natürlich die Schwarzweiß-Fotografien der Schulfassade in Dessau, Ikonen der jüngeren Kulturgeschichte Deutschlands. Aber Hannes Meyer? Erster Meister der in Dessau gegründeten Architekturklasse und zweiter Direktor immerhin des Bauhauses (1928–1930), nach Gropius und vor Mies van der Rohe. Seien Sie ehrlich: Sie haben den Namen noch nie gehört! Oder wussten bis heute nicht, wer das denn war, dieser Schweizer, der aus Deutschland wegging in die Sowjetunion und von dort in die Schweiz zurück und dann nach Mexiko und wieder zurück in die Heimat.

„jede tischdame lispelt vom bauhaus-konstruktivismus, ihre besuchskarte ist in kleinschrift.“

Dabei gibt es lange schon Bücher über den Mann, der wie kaum andere Kollegen (bis heute) viel geschrieben hat. Zur Architektur, zur Lehre vor allem. Und zum Bauhaus, in das ihn – und seinen Partner Hans Wittwer – 1927 Walter Gropius als Lehrer eingeladen hatte. In einem Brief zu den Einstellungsmodalitäten formuliert Meyer bereits eine grundsätzliche Kritik am Bauhaus, die er in einem Vortrag, gerade Direktor der Schule, auf den Punkt brachte: „sie kennen alle das bauhaus: weisse kiste, betonskelett und glasfassade u. flaches dach. innen sechs farbenspiele: weiss/grau/schwarz : rot/gelb/blau. bauhaus ist mode. Bauhausstil: jeder baumeister, jede tischdame lispelt vom bauhaus-konstruktivismus, ihre besuchskarte ist in kleinschrift.“

Da steckt das Meiste drin, es fehlt noch der Vorwurf, dass am Bauhaus das Ästhetische im Vordergrund stehe und nicht die Forschung, dass nicht für die damals „Volk“ genannte breite Masse, sondern für eine (dekadente) Bildungselite gearbeitet werde. Überhaupt werde, so Meyer, in Dessau zu viel Kunst gemacht. Und Kunst sei, so der Basler an anderer Stelle, „nur ordnung“ und also zu wenig zum Leben. Zum Wachsen: „das streben nach harmonischem genuß von sauerstoff + kohlenstoff + zucker + stärke + eiweiß.“ Das Bauen dagegen sei Organisation: „soziale, technische, ökonomische, psychische organisation“. Ja, die Organisation der Psyche ... Die hatte Meyer in den Zwanziger und Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts neben aller Lehr- und Bautätigkeit immer wieder nachjustieren müssen. Nach zwei sehr ertragreichen Jahren als Direktor in Dessau wurde er – der ahnungslos im Urlaub weilte – fristlos entlassen. Und man mag ihm glauben, dass sein Vorgänger Gropius nicht unerheblichen Anteil an der Kündigung hatte.

Das Bauhaus durfte nicht Stellung beziehen

Vordergründig wurde Meyer dezidiertes Engagement für eine kommunistische Gruppe unterstellt. In einer Welt, die auf rot oder braun zusteuerte – braun hatte allerdings die potenteren Unterstützer – durfte ein Direktor einer international renommierten Schule politisch nicht rot sein. Das Bauhaus sollte für Dessau und Deutschland werben, es durfte nicht Stellung beziehen. Nicht gegen die Macht der Meister durch das Kooperative beispielsweise.

Und hier wären wir auf Umwegen zu einer Ausstellung gelangt, die zur Zeit den Blick auf Meyer und seinen kooperativen Ansatz lenken möchte. In der Planung, aber auch in der Lehre. Die Ausstellung am Bauhaus Dessau, kuratiert von Werner Möller (Stiftung Bauhaus Dessau) und Raquel Franklin (Anahuac University in Mexico City), möchte anhand von Themenkreisen darlegen, wie der an Schweizer Coop-Projekten geschulte Architekt an der deutschen Schule im Osten gewirkt hat, wie er mit seinen aus heutiger Sicht moderaten, wie teils sozialreformerischen Ansätzen die verkrustete Struktur der Schule aufgebrochen und verändert hat. Ausgewählte Projekte veranschaulichen (zumindest auf einer Oberfläche) die Möglichkeit, über gemeinschaftliches Arbeiten hervorragende Ergebnisse zu erzielen.

„Tiefes Rot. Wer hat Angst vor Hannes Meyer?“ lautet ein Statement zur Ausstellung und wirklich scheint dieses wesentliche Kapitel in der Geschichte der wohl bedeutendsten Schule für Gestaltung noch längst nicht abgeschlossen, ja, es gibt noch sehr viel Neues zu entdecken. Auch einen das Bauhaus nachhaltig beeinflussenden Architekten. Davor könnten all die Angst haben, die vom „Bauhausstil“ schwärmen, denn der wurde mit Hannes Meyer als kontraproduktiv entlarvt und eigentlich zu Grabe getragen.

„das prinzip coop –  Hannes Meyer und die Idee einer kollektiven Gestaltung“. Noch bis 4. Oktober 2015, täglich von 10 bis 17 Uhr, Bauhausgebäude, Gropiusallee 38, 06846 Dessau-Roßlau. Katalog

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