„Wenn der Putz aber nun
einen Riss hat...“
Sanierung von Rissbildungen

Der Wunsch eines jeden Bauherren ist eine optisch ansprechende und rissfreie Putzfläche. Dennoch kann kein Stuckateur, Putzer oder Maler eine völlig rissfreie Oberfläche garantieren. Eine gänzlich rissfreie Ausführung ist bei Handarbeit und unter den immer anderen Bedingungen am Bau einfach nicht möglich. Vereinzelte kleine Risse, Haarrisse, sind im begrenzten Umfang zulässig, wenn diese weder den optischen Wert noch den technischen Wert einer Putzfläche beeinträchtigen. Der optische Wert einer Fassade gilt dann als beeinträchtigt, wenn sich Risse bei Betrachtung unter gebrauchsüblichem Abstand und Blickposition störend abzeichnen und die Putzfläche dabei eine besondere gestalterische oder repräsentative Bedeutung hat. Wird durch das Rissbild der Schlagregenschutz des Mauerwerks oder auch des Putzes und des Anstriches beeinträchtigt, liegt ein technischer Mangel vor. 

Wenn ein oder mehrere Risse auf den Putzflächen auftreten, hängt von der Beeinträchtigung der Putzfläche und von der Art des Rissbildes und dessen Ursache ab, welche Maßnahmen zur Sanierung notwendig sind. Eine professionelle, aber gleichzeitig praxisnahe Bestandsaufnahme ist daher heute unerlässlich. Die aktuelle Putznorm DIN V 18 550 „Putz und Putzsysteme – Ausführung“ fordert dazu die Prüfung des Putzgrundes im gewerbeüblichen Rahmen und die Dokumentation der ermittelten Informationen. Für die Beurteilung und Einschätzung von Rissen vor Ort sollten diese bei der „Inaugenscheinnahme“ in ihrem Verlauf und den Rissbreiten dokumentiert werden. Oft reicht dazu eine Aufnahme des Gebäudes, in die der Rissverlauf eingezeichnet werden kann.

Hat man einen Rissvergleichsmaßstab zur Hand, ist die Ermittlung der Rissbreite vor Ort kein Problem. Durch Abklopfen der Fassade – ganz einfach auch mit dem Autoschlüssel – sind Hohlstellen zu lokalisieren. Vergleicht man nun die Rissbilder einschließlich der ergänzenden Informationen mit entsprechend in Normung und Merkblättern dokumentierten Rissbildern, lässt sich die Rissursache oftmals eingrenzen und bestimmen. Risse, die primär im verputzten Bauteil entstehen und erst sekundär durch die Putzschale brechen, werden als putzgrund- und konstruktionsbedingte Risse eingestuft. Risse, die ausschließlich in der Putzschale auftreten, sind putz- und ausführungsbedingte Risse.

Bei einigen Rissbildern sind sowohl kon-struktionsbedingte als auch putzbedingte Ursachen zu berücksichtigen. Dazu zählen z. B. auch die so genannten Stein-Putz-Risse. Als neue Gruppe wurden im WTA–Merkblatt 2-4, Ausgabe 08.2008/D „Beurteilung und Instand­setzung gerissener Putze an Fassaden“ Risse in Verbindung mit Putzbewehrung, Putzträgern und Putzprofilen beschrieben. 

Putzgrund- und konstruktionsbedingte Risse

Risse mit diesen Erscheinungsbildern treten erst relativ spät auf, d. h. in einem Zeitraum von ½ bis 5 Jahre nach der Putzausführung. Es liegen häufig sehr unterschiedliche Rissbreiten vor. Des Weiteren sind diese Risse sehr oft noch in Bewegung, d. h. nach der Rissentstehung sind die auslösenden Bewegungen nicht abgeschlossen und die Rissränder bewegen sich weiter. Besteht zur Ermittlung der Rissweitenänderung keine Möglichkeit (fehlende Zeit und/oder Technik), so kann man die Hälfte der ermittelten Rissbreite als Rissbewegungspotential annehmen. Es lassen sich zwei Gruppen von putzgrund- und konstruktionsbedingten Rissursachen unterscheiden.

Rissursachen aus der Konstruktion sind Lage-, Form- oder Volumenänderungen der Tragkonstruktion oder des verputzten Bauteils, z. B. Lageänderung durch Setzungen, Formänderungen aufgrund von Durchbiegung, Volumenänderung durch Feuchteabgabe (Schwinden) oder Belastung (Kriechen) sowie durch Temperaturänderungen. Auch Zwängungsspannungen können zu Rissen führen. Die Rissbreiten liegen auch hier häufig über 0,5 mm. Rissursachen aus dem unmittelbaren Putzgrund sind Volumenänderungen (Schwinden, Quellen, thermische Längenänderungen) sowie Verformungsunterschiede des unmittelbaren Putzgrundes bei Verwendung unterschiedlicher Baustoffe mit verschiedenen physikalischen Eigenschaften (Schwindverformung, Wärmeleitfähigkeit, Saugvermögen usw.). Die Rissbreiten liegen häufig über 0,5 mm. 

Putz- und ausführungsbedingte Risse

Diese Risskategorie hat ihre Ursachen in der Verarbeitung und/ oder im Putzmörtel. Es werden dabei folgende Rissbilder unterschieden: Sackrisse entstehen unmittelbar nach dem Putzauftrag im noch plastischen Mörtel. Sie zeigen sich als überwiegend kurze und durchhängende Risse mit einer Länge von 10 bis 20 cm und Rissbreiten bis ca. 3 mm. Nach der Rissentstehung treten keine weiteren Veränderungen auf. Schrumpfrisse entstehen beim Trocknen des Frischmörtels bis spätestens einen Tag nach Putzauftrag. Sie zeigen sich als netzförmige Risse mit kurzen Knotenabständen und betreffen nur die oberste Putzschicht. Auch hier kommt es zu keinen weiteren Veränderungen. Schrumpfrisse treten häufig in Rissbreiten von 0,1 bis 0,3 mm, vereinzelt bis 0,5 mm auf. Schwindrisse im Unterputz entstehen innerhalb der Standzeit des Unterputzes und stellen keinen Mangel dar. Diese Risse haben ein ähnliches Ausse-

hen wie Schrumpfrisse. Schwindrisse in der gesamten Putzdicke (erhärteter Mörtel) entstehen beim Erhärten des Putzmörtels ca. 1-2 bis zu 6 Monate nach Putzauftrag. Sie zeigen sich als y-förmige Risse mit langen Knotenabständen und können die gesamte Putzschicht betreffen. Zeigen sich Hohlstellen, so kann es erforderlich werden, die Putzfläche zu erneuern, da die Haftung am Untergrund gestört ist. Auch Schwindrisse treten häufig in Rissbreiten von 0,1 bis 0,3 mm, bei Störun­gen der Untergrundhaftung bis 0,5 mm auf. Fettrisse stellen eine besondere Form der Schwindrisse dar. Bei mineralischen Edelputzen zeigen sie sich als sehr kurze, nur an der Oberfläche auftretende Risse mit Rissbreiten bis max. 0,2 mm. Sie entstehen während der Erhärtungsphase bzw. beim Abbindeprozess durch Anreicherung von Feinteilen. In Vertiefungen der Putzstruktur vereinzelt auftreten-

de Schwindrisse im Oberputz beeinträchtigen die optischen und technischen Eigenschaften im Allgemeinen nicht. 

Risse mit sich überlagernden Ursachen

Zu den Rissen, die sowohl putz- und verarbeitungsbedingte als auch konstruktions- und putzgrundbedingte Ursachen haben können, zählen die Kerb- und Fugenrisse. Kerbrisse entstehen aufgrund von Spannungskonzen-

trationen in den Ecken der Putz- und Maueröffnungen. Häufig wurde einfach die notwendige Diagonalbewehrung vergessen. Die Breite der Risse reicht von 0,1 bis 0,5 mm, in Einzelfällen auch darüber hinaus. Fugenrisse zeigen ein regelmäßiges Rissbild, das den Fugenverlauf des Mauerwerks nachzeichnet. Die Ursachen für Fugenrisse können sowohl im unmittelbaren Putzgrund als auch in der Verarbeitung der Putzmörtel liegen. Bei Mauerwerk werden diese Risse als Stein-Putz-Risse bezeichnet. Fugenrisse zeigen häufig Rissbreiten von 0,1 bis 0,2 mm. Vereinzelt sind größere Rissbreiten festzustellen. 

Risse im Zusammenhang mit Putzbewehrungen, Putzträgern und Profilen

Risse dieser Art treten häufig in Verbindung mit anderen bereits beschriebenen Rissbildern auf. Die Rissbilder sind in der Regel ohne weitergehende Untersuchungen nicht zuzuordnen, da sich mögliche Ursachen an dieser Stelle oft überlagern. Daher können nur mög­liche Ursachen benannt, aber kein Rissbild zugeordnet werden. Umfassende Hinweise zur Risssanierung findet man insbesondere im WTA – Merkblatt 2-4 „Beurteilung und Instandsetzung gerissener Putze an Fassaden“. Es werden Verfahren zur Instandsetzung von Einzelrissen, die Verfahren E, und Verfahren zur flächigen Instandsetzung, die Verfahren F, dargestellt. Anhand von Tabellen kann bei der Vorlage der oben aufgeführten wesentlichen Merkmale der geschädigten Fassade ein entsprechend geeignetes Verfahren ausgewählt werden. Kommen Verfahren zur Instandsetzung von Einzelrissen zur Anwendung, dann werden die Ausbesserungsstellen je nach Putzstruktur erkennbar sein. Es ist nicht auszuschließen, dass auch nach der Sanierung vereinzelt feine Risse auftreten können. Auch wenn zusammenhängende Flächen abschließend einheitlich beschichtet werden, können Strukturangleichungen des Oberputzes in unterschiedlichem Ausmaß sichtbar bleiben. 

Flächige Sanierungsverfahren werden bei hohen technischen und optischen Anforderun­gen sowie bei hoher Witterungsbeanspruchung angewendet. Auf diese Weise können eine große Anzahl von Rissen sowie, bei einem entsprechend gewählten Verfahren, Rissbreitenänderungen und weiter zu erwartende Rissbildungen abgedeckt werden. Bei den Instandsetzungsverfahren werden mineralische und organisch gebundene Systeme unterschieden, welche in Abhängigkeit vom Unterputz (Bindemittelart und Festigkeit) auszuwählen sind. 

Da der oft unbedachte Einsatz von rissüber­brückenden und rissfüllenden Beschichtungssystemen zur Hinterfeuchtung und Schädigung der Putze im Rissbereich und darüber hinaus geführt hat, wurde die Anwendbarkeit der verschiedenen Beschichtungssysteme von den Materialeigenschaften der Beschichtung abhängig gemacht. Unter diesem Aspekt sollten insbesondere die Verfahren F1 bis F3 betrachtet werden. Rissüberbrückende organische Beschichtungssysteme gemäß Verfahren F1 sind oft sehr dampfdicht, d. h. sie weisen einen hohen Diffusionswiderstand gegen­über Wasserdampf und Kohlendioxid auf. Somit sind diese Beschichtungen für kalkreiche Putze der Festigkeitsklasse CS I und CS II keinesfalls geeignet. Weiterhin darf auch auf einem ausreichend festen Untergrund (ab CS III) keine Hinterfeuchtung eintreten, da sonst mit Schäden gerechnet werden muss. 

Rissfüllende Beschichtungen nach Verfahren F2 haben keine rissüberbrückende Wirkung, sind dafür aber vergleichsweise diffusionsoffen. Die Beschichtungssysteme für Verfahren F2 (Dispersionssilikatfarben, Siliconharzfarben, Dispersionsfarben, auch in Form von Füllfarbe, Streichputz) sollten mindestens folgende Anforderungen erfüllen: sd-Wert < 0,14 m und w-Wert < 0,1 kg/(m2 h0,5). Beschichtungssysteme für kalkreiche Putze (CS I /P I, CS II/P I, CS II/P II) müssen einen geringen Diffusionswiderstand gegenüber Wasserdampf und Kohlendioxid aufweisen, um in jedem Fall einen ausgewogenen Feuchtehaushalt (Wasser­aufnahme/Trocknung) sicherzustellen. Für die Erhärtung durch Carbonatisierung muss eine ausreichende CO2-Duchlässigkeit gewährleistet sein. Es dürfen daher nur Dispersionssilikatfarben oder Siliconharzfarben angewendet werden (sd-Wert und w-Wert nach DIN EN 1062). Eine alternative Lösung zur Überarbeitung geringfügig dynamischer Risse bildet das in der folgenden Abbildung dargestellte System unter Einsatz eines Nadelfilz-­Vlieses. Dieses Vlies schafft es, dynamische Risse mit Rissbreiten von 1 mm und Rissbreitenänderungen von ± 0,5 mm – vergleichbar also mit dem Verfahren F 7 – sicher zu überbrücken.

Fazit

Um eine geeignete Maßnahme zur Sanierung einer gerissenen Fassade festlegen zu können, ist die Kenntnis der Rissmerkmale und den daraus ableitbaren Ursachen von wesent­licher Bedeutung. Die genannten Merkmale der verschiedenen Rissformen sind in der Praxis einfach wieder zu erkennen. So kann oft ohne großen Aufwand – im Rahmen der gewerbeüblichen Prüfmaßnahmen – und ohne Messtechnik die notwendige Saniermaßnahme für ein Gebäude festgelegt werden. Lassen sich vor Ort vorhandene Rissbilder nicht einfach einordnen bzw. treten sehr große Rissbreiten auf, dann sollte die Rissursachen mit einem höheren Aufwand, ggf. auch durch einen Sachverständigen, ermittelt und bewertet werden. Nur so können die richtigen Maßnahmen für eine fachgerechte Sanierung festgelegt werden.

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