Schlossgespräche mit Max Dudler

Zweite Folge der Heidelberger Schlossgespräche zum Thema „Bauen und historischer Kontext“

Der Festsaal des Heidelberger Schlosses war gut gefüllt an diesem Abend (20. März 2012), offenbar profitierten die Veranstalter der zweiten aktuellen Auflage der „Heidelberger Schlossgespräche“ von dreierlei: erstens vom Namen des Hauptredners, Max Dudler, zweitens von dem Neubau, den Max Dudler nur wenige Meter entfernt vor der inneren Schlossburg plante und der gerade eben seinen Nutzern übergeben wurde, und drittens der Tatsache, dass in dem an sich beschaulichen Heidelberg abends manchmal einfach nichts los ist.

Etwa 500 Gäste, vornehmlich ArchitektInnen, waren gekommen, um sich die „Reden über Architektur“ anzuhören. Generalthema der Veranstaltungsreihe ist das Bauen im Kontext von Historie, Denkmalschutz, Weiterbauen. Neben dem wie so oft grantig aufgelegten Schweizer mit Wahlheimat Deutschland (Berlin!) waren auf dem Podium Professor Werner Oechslin, Ordinarius für Kunst- und Architekturgeschichte an der ETH Zürich, Amber Sayah, Architekturkritikerin der Stuttgarter Zeitung und der Architekt Christoph Sattler anwesend. Moderiert wurde das Ganze, wie auch schon die erste Veranstaltung im vergangenen Jahr mit Franco Stella, von Reinhard Hübsch, Kulturredakteur beim SWR.

Nach dem erwartbar unterhaltsamem Werkvortrag von Max Dudler, dessen Arbeitsschwerpunkt sich nach eigenen Aussagen im Wesentlichen auf die europäische Stadt richtet (Straße, Platz, Fassade etc.), kam recht schnell eine teils sehr lebhaft geführte Diskussion um das, was denkmaltechnisch möglich oder nicht mehr erlaubt sein sollte, was wir dürfen bei der Fortschreibung von bloß Angedachtem oder Rudimentären, welchen Pragmatismus wir walten lassen sollten und warum wir Deutschen uns mit der Vergangenheit so schwer tun schnell in Gange.

Max Dudler ganz links auf dem Podium, Christoph Sattler ganz rechts, dazwischen die Zwischenrufer Kritikerin und Historiker. Gefragt, ob die beiden Architekten denn bei einem Wettbewerb zum Weiter(Fertig)bauen des Heidelberger Schlosses teilnehmen wollten, kam von beiden ein Ja. Doch während Max Dudler schnell erklärte, er täte das höchstens mit gegenwärtigen Materialien und Techniken, und immer in dem nötigen Abstand zum Bestand, vertrat Christoph Sattler die überraschend nüchterne Auffassung, dass man doch das Geld, das ständig in die Sicherung der Ruine gesteckt würde, besser und nachhaltiger in dessen originalgetreue Rekonstruktion investieren sollte.

Werner Oechslin vertrat den für den hier schreibenden Historiker überraschenden Standpunkt, dass Rekonstruktion durchaus legitim und auch wünschbar sei, wenn denn vorher klar sei, wozu das Rekonstruierte diene. Womit der Schweizer einen vergleichbar pragmatischen Standpunkt vertrat, wie der Mann, der zur Zeit mit Franco Stella den Wiederaufbau des Stadtschlosses in Berlin vorantreibt. Der ETHZ-Mann wunderte sich überhaupt über die Verzagheit der Deutschen im Umgang mit baulicher Geschichte, wenngleich er davor warnte, solche Projekte zu wagen, die vorne Schloss und hinten dann Damen-Unterwäsche-Abteilung seien (Schloss Arkaden, Braunschweig, Grazioli und Mu­thesius, Zürich/Berlin). Womit er sich am Ende dann doch selbst widersprach, denn hier war tatsächlich von vorneherein klar, wozu dieser Zwitterbau dienen sollte.

Die Redakteurin und „wichtigste deutsche Architekturkritikerin“ (Hübsch), Amber Sayah, warnte vor der Tendenz, sich immer gleich von dem zu befreien, was als „hässlich“ angesehen werde und bezog sich dabei auf aktuelle Abrisse von Bauten aus den letzten Jahrzehnten, die nicht selten durch historisierende Neuschöpfungen ersetzt, der Ort gleichsam gereinigt wurde.

Leider fand der Gedanke der Vergänglichkeit, der direkt vor aller Nase stattfindet, keinerlei Erwähnung. Das Überlassenkönnen von Gebautem an die Geschichte, das Leben mit Patina und Verfall, das wir aus unserem Leben überhaupt ja mehr und mehr auszuschließen versuchen. Warum eine Ruine erhalten? Weil sie viel Geld einbringt, mehr, als ihr Unterhalt kostet. Ruinen als Geschäftsmodell? Die Frage nach einem gesellschaftlichen Konsens über mögliche Bilder von Stadt wurde nur gestreift. Die Frage danach, ob wir das in der Denkmaldiskussion immer wieder angegriffene Diktum des Architekturhistorikers Georg Dehio, formuliert in einem Aufsatz von 1901, nicht allmählich hinter uns lassen sollten in dem Sinne, es weiterzuschreiben, also vom Erhalt zur Überlassung zu schreiten, kam ebenfalls nicht auf. Auch nicht die, warum sich die Gesellschaft zurzeit so drängend nach Geschichte in schönen Kleider sehnt.

Die Vortragsreihe, die dieses Jahr noch an zwei bis drei  weiteren Terminen hochkarätige Referenten ins Heidelberg Schloss bringen wird, wird von den Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg zusammen mit mehreren Partnern durchgeführt: Stadt Heidelberg, Architektenkammer Baden-Württemberg, Bund Deutscher Architekten und SRH Hochschule Heidelberg. Die Referenten werden sein: Alvaro Siza und Volker Staab, für 2013 ist David Chipperfield geplant. Be. K.

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