Muss ein Museum schön sein?

Zur Wiedereröffnung des Kunstgewerbemuseums in Berlin nach einer Intervention von Kuehn Malvezzi

„Dass ist doch allerhöchstens Kunstgewerbe!“ Sagt man leicht verächtlich, wenn man etwas als nicht zur Hochkultur gehörig kennzeichnen möchte. Was aber ist Hochkultur? Vielleicht das, was die wenigsten genießen können, weil ihnen der Zugang zu eben dieser Sorte Kultur niemals ermöglicht wurde. Kultur als Geheimwissenschaft.

Da funktioniert Kunstgewerbe anders. Denkt man. Leichter vom kulturellen Gewicht, direkter im Zugang. Das Erzählerische überwiegt das Theoretische, das Haptische die Abstraktion. Kunstgewerbe ist also eine handfeste Sache. Darf aber das Handfeste, das irgendwie auch Kunsthandwerk ist, ins Museum? Warum nicht. Denkt man.

In Berlin gibt es ein Kunstgewerbemuseum, dessen Erscheinung etwas Handfestes hat. Der Stahlbetonbau von Rolf Gutbrod entstand Ende der Sechziger Jahre und wurde erst 1985 am Kulturforum in Berlin eröffnet. Die lange Dauer seiner Entstehtung und der große Kreis der hier Mitspracheberechtigten hat ihn zu dem gemacht, was man ihm seit seiner Eröffnung vorgehalten hat. Unzweckmäßig sei er, unelegant, weihelos, würdelos.

Vielleicht. So jedenfalls Wilfried Kuehn von Kuehn Malvezzi,Berlin, die diesen seit jeher ungeliebten Bau in einer dreijährigen Teilumbauarbeit an den aktuellen Museumstandard heranführen sollten. Oder, wie der Architekt sagt, ihn wieder zu dem zu machen, was er einmal werden sollte: zur Fortsetzung der Stadtlandschaft draußen.

Die Kunst, auch die des Kunstgewerbes, sollte für alle erreichbar sein. Niedrigschwellig. Unprätentiös, ohne den Dünkel der Kulturbesserwisserei, die unsere heutige Kulturmaschinerie ziemlich angestrengt zu übertünchen sich anstrengt, die aber doch immer präsent ist.

Gutbrod wollte ein Haus so öffentlich, wie ein Kaufhaus vielleicht, eine Schule, eine Bürgerverwaltung. Die gewerbliche Kunst sollte direkt wirken, Inszenierung fand allein dort statt, wo Architektur zeigen durfte, wie sie arbeitet. Tragen, lasten, lagern. Im regelmäßigen Raster der gegliederten Stützen liegen Ebenen unregelmäßig verschoben, Treppenläufe arbeiten gegen das Raster, kleine oder große Fenster öffnen sich nach innen und außen. Es gibt zwei wunderbare Innenhöfe – aus konservatorischen Gründen bis heute nicht betretbar! – und verschiedene Raumhöhen. Und es gibt immer noch eine wenig einfallsreiche und sehr nach Konzentration verlangende Vitrinenpräsentation. Die ist ein deutliches Zeichen der Hilflosigkeit gegenüber dem Raum und einer Sammlung, deren Anspruch es ist, alle Schätze zeigen zu wollen.

Kuehn Malvezzi haben nun diese Ausstellungslandschaft zu ordnen versucht. Wesentlicher Eingriff war die Neuschaffung einer Modegalerie im Zwischengeschoss und der Designpräsentation im UG. Dazu wurde das Meiste der die Entwurfsabsichten Gutbrods Störende entfernt. Vorhänge beispielsweise, Vitrinen auf den Geschossdeckenbrüstungen, Teppichböden. Nun gibt es Estrich, Tageslicht wo möglich, eine leuchtende Schaufensterpräsentation der Mode-Sammlung im Dunkel der (künstlichen) Nacht, ein Wegeleitsystem über Schrift und Farbe (von Double Standards, Berlin). Es gibt weiße Layer über den befreiten Brüstungen, die Wege neu definieren und Orientierung leichter machen … können. Es gibt auf den freigeräumten Flächen Boxen, die Ausstellungsstücke als Ausstellungsstücke inszenieren und es gibt einen schönen Raum auf der Nordwestseite des Baus, Blick Tiergarten und Landes- oder Bundesvertretungen, so die österreichische von Hans Hollein. Hier hängen noch Gardinen, doch es sind neue, lichtstreuende, und noch sind sie beiseitegezogen.

Für den kompletten Umbau wurden einmal 10 Mio. € veranschlagt (ohne die technische Ertüchtigung), Kuehn Malvezzi haben 4,45 Mio. ausgegeben. Die Planung für den ganzen Bau liegen vor, doch wann die zweite Hälfte freigegeben wird wissen die Architekten selbst nicht.

Vielleicht weiß das noch nicht einmal Michael Eissenhauer, immerhin Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, der zur Pressekonferenz diesbezüglich anmerkte, dass man jetzt sehen werde, wie das neue Konzept wirke. Wirkt es nicht (immer noch wenige Besucher), werden die restlichen Millionen wohl anderweitig verplant. Was angesichts der Summen, die zur Zeit in Berlin für Kulturbautensanierungen, -neubauten, -umbauten etc. etatmäßig abgebildet sind, kaum nachvollziehbar ist. Der Gutbrod ist eben doch zu sehr Kaufhaus in dritter Lage und Stadtlandschaft inmitten einer städtebaulichen Wüste. Die Annabelung über den mit der neuen roten Farbe fett markierten Weg aus dem Untergeschoss der mäßig aber immer noch stärker frequentierten Gemäldegalerie nebenan, wirkt hier so hilflos, dass einem vor Mitleid beinahe schon die Tränen kommen.

Dass ein Besucher, der es mit seinem gefalteten Faltrad bis wenige Meter vor die Garderobe geschafft hat, deswegen gleich wieder und in sehr unfreundlichem Ton vor die Tür gesetzt wird, begleitet von einem „no go“-Kommentar irgendeines Kulturjüngers älteren Semesters, deutet auf zweierlei: Erstens hat das Haus nicht erkannt, dass das schöne Gefährt neben dem internationalen iF product Design award in jüngster Vergangenheit zahlreiche weitere Gestaltungspreise eingefahren hat. Und zweitens – und das erscheint viel wichtiger – ist es so, dass die grundlegende Idee des Hauses, öffentlicher Kulturraum für alle sein zu wollen, im neuen alten Haus immer noch nicht angekommen ist. So wird Michael Eissenhauer nicht zu überzeugen sein! Be. K.

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