Mit der Landschaft
altern
Altenheim in
Esternberg /A

Das geforderte Volumen für das neue Bezirksalten- und Pflegeheim in Esternberg war gewaltig, der Bauplatz im Schatten des barocken Kirchturms idyllisch. Die Architekten Gärtner und Neururer betteten die zweihüftige Anlage so in den Hang, dass sie im Ortbild nicht stört.

Die Betreuung von alten Menschen war in der Gegend um Schärding kaum gewährleistet, so entschied sich der dortige Sozialhilfeverband für den Bau eines Bezirksalten- und Pflegeheims mit 125 Betten. Als Standort wählte man Esternberg, eine idyllische Gemeinde im Sauwald. 2004 wurde dafür ein EU-weites Bewerbungsverfahren mit anschließendem Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem die Architekten Gärtner und Neururer siegten.

Der Bauplatz liegt prominent: Er grenzt im Osten an die Friedhofsmauer der barocken Dorfkirche mit Zwiebelturm. Am Parkplatz davor gleitet nun der pavillonartige Bauteil entlang, in dem die Verwaltung, das Foyer, der Veranstaltungssaal, Kapelle und Cafeteria liegen. Die schmalen, gelbe Paneele in der Stahl-Glas-Fassade folgen dem Rhyth­mus der Säulen, die den Weg zum Eingang säumen. Weit ragt die Decke über diesen halböffentlichen, gedeckten Vorplatz, der von Oberlichtsheds erhellt wird. Hier steht eine Skulptur von Annerose Riedl und es lassen sich dort Tische aufstellen.

Viele alte Menschen sitzen in der Cafeteria, die an ihrem transparenten Ende im Norden auf eine Terrasse übergeht. Von hier kann man auf die Kirche oder die terrassierten Beete des Demenzgartens blicken, der sich vor dem rückseitigen Bettentrakt im Westen ausbreitet. Er ist auf dem Kellersockel aufgeständert und so in den Hang gebettet, dass das erste Obergeschoss auf einem Niveau in die Eingangsebene übergeht. „Wir wollten die riesige Baumasse so schonend wie möglich in den Ort integrieren“, sagt Architekt Christoph Gärtner.

Geschickt wurde dazu das Gelände genutzt, das von der Zufahrt stark abfällt. Alle öffentlichen Funktionen sind zur eingeschossigen Gebäudeflanke auf der Hügelkuppe gebündelt. Das große Volumen der dreistöckigen Pflegetrakte aber ist in leicht gegeneinander versetzte Bauteile gegliedert und um eine Ebene tiefer in den Hang gelegt. Nun versinkt es gleichsam im Gelände. Die zweihüftigen Riegel sind mit einer Fassade aus unterschiedlich breiten Lärchenlatten verkleidet, die mit der Zeit ergrauen. Um diesen Alterungsprozess vorwegzunehmen, ist das Holz mit Blechplatten unterlegt. Schon jetzt schimmern die Zwischenfugen grau.

Enges Korsett, weiter Blick

Alle Zimmer sind nach Osten oder Westen orientiert, viele Bewohner haben die hohe Pflegestufe vier oder fünf. Damit auch Bettlägrige in die Umgebung schauen können, sind die Brüstungen der Fenster sehr niedrig (45 cm). Sie nutzen die Breite der stark gedämmten Wand. Die Brüstung vor der Fixverglasung wird zur Sitzbank, vorm öffenbaren Lüftungsflügel adelt es eine Glasbrüstung zum absturzsicheren Blumenbalkon.

Markisoletten und gelbe Vorhänge sorgen für Sonnen-, Sichtschutz und eine freundliche Atmosphäre. „Kein Zimmer ist von außen einsehbar“, sagt Gärtner. „Das wichtigste ist das Bett.“ Je nach Belieben lässt es sich lotrecht in den Raum stellen oder an die Wand rücken, die mit heller Birke verkleidet ist. „Dieses vertraute Material strahlt Wärme aus und gibt Halt.“ Auch alle Einbaumöbel sind aus Birke oder dunklerer Rubinie: das erhöht die Unterscheidbarkeit und erleichtert die Orientierung. Alle Ablagen, Tische und Armaturen sind rollstuhlgerecht, ein Oberlicht erhellt das Bad.

Pro Bett darf in Oberösterreich nur 60 m² Nutzfläche anfallen. Das beinhaltet alle Funktionen und erfordert höchste Planungsökonomie. Paarweise bilden die Zimmer zwischen den vor­stehenden Bädern kleine Eingangsnischen am Gang aus. Neben den Türen sind Handläufe angebracht, damit man sich festhalten kann. Gegenüber der Fluchttreppe gibt es eine feine Stube aus Rubinienholz mit viel Aussicht, jeder Gang endet in einem lichten, raumhoch verglasten Erker: hier schwebt man gleichsam über der Landschaft.

Speisesaal und Aufenthaltsräume sind am Kreuzungspunkt beider Trakte angeordnet und gehen fließend ineinander über, als Pultmöbel stehen die Pflegestützpunkte frei im Raum. Er ist nach Norden und Süden orientiert: Der Blick über den Demenzgarten, die Felder und den Wald am Horizont ist phänomenal.

Isabella Marboe, Wien

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