Metamorphose in Weiß
Wohnhaus Quant, Stuttgart

Am Fuße des Stuttgarter Killesbergs verwandelten die Architekten Wilford Schupp ein steriles Laborgebäude aus den 1950er Jahren in ein strahlend weißes Wohnhaus mit licht- und luftdurchfluteten Stadtwohnungen. Sie ließen sich von Stuttgarts Architekturgeschichte inspirieren. 

Die Archivbilder zeigen einen viergeschossigen Verwaltungsriegel, Baujahr 1959, mit einfachverglaster Rasterfassade, monotonen Fensterbändern und Bürozellen zu beiden Seiten der Mittelflure. Von tristem Ambiente ist heute nichts mehr zu spüren. Aus dem grauen Bürobau am Fuße des Stuttgarter Killesbergs ist ein strahlend weißes Wohnhaus mit 28 hochpreisigen Eigentumswohnungen geworden. „Quant“ nennt der Bauherr und Eigentümer, die LBBW Immobilien Development GmbH, das exklusive Wohnhaus – in Anlehnung an Max Planck, den Begründer der Quantenphysik. Noch bis vor wenigen Jahren beherbergte das Gebäude Büros und Labore der Max-Planck-Gesellschaft.

Dass das Gebäude nicht der Abrissbirne zum Opfer fiel, ist dem stringenten Baurecht zu verdanken. Nach einem Abriss hätte maximal zwei- bis dreigeschossig gebaut werden dürfen. Das aber wäre unrentabel gewesen. Schließlich liegt das Wohnhaus in der teuersten Wohngegend der Stadt, am Übergang zwischen den Institutsbauten der Universität und den Jugendstilvillen am Killesberg, nur wenige Fußminuten von der Innenstadt entfernt. Mit ausgefallenen Wohnkonzepten soll das „Quant“ eine Marktlücke schließen, die bislang in Stuttgart unbesetzt ist: stadtnaher, exklusiver Wohnraum für die Zielgruppe der wohlhabenden über 50-Jährigen.

Der Name ist jedoch fast das Einzige, was noch an die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes erinnert. Wilford Schupp Architekten haben dem Bau die Laboratmosphäre gründlich ausgetrieben und ihm ein neues Gesicht gegeben. Die Ecklage des Grundstücks nutzten sie, um drei eigenständige Baukörper zu schaffen: Turm, Südflügel und Gartenpavillon. Jedes dieser „Häuser“ hat einen eigenen Eingang, den farbige Vordächer und unterschiedliche Materialien kennzeichnen. Die weit ausladenden Vordächer mit ihren gelb, blau bzw. rot lackierten Untersichten reichen bis an den Straßenraum. Von dort leiten natursteinverkleidete Wandscheiben zum Haus. In den Eingangshallen nehmen Reliefwände den Farbenkanon der Vordächer auf. Bei der Farb- und Materialkomposition ließen sich die Architekten von den Stuttgarter Bauhauskünstlern Oskar Schlemmer, Willi Baumeister und Adolf Hölzel inspirieren. Die hellen, lichtdurchfluteten Treppenhäuser fassten sie mit Glasbausteinen ein. Den Boden veredeln Muschelkalk, Basaltlava und – im dritten Haus – schwarzer Basalt.In den 95 bis 220 m² großen Wohnungen ist von Enge nichts mehr zu spüren. Aus schmalen Bürozellen sind licht- und luftdurchspülte Lofts geworden. Wilford Schupp Architekten schnitten die tragenden Flur- und Fassadenwände großzügig auf, so dass sich die Wohnungen zu beiden Seiten „durchwohnen“ lassen. Nur noch weiß verputzte Pfeiler erinnern an die Struktur des Altbaus, die Flächen rundherum wurden völlig neu aufgeteilt. Die fehlenden Balkone auf der Südseite ersetzt eine zweite, vor die Fassade gestellte Raumschicht, die Loggien und Teile des Wohnraums aufnimmt. Der 1,20 bis 4,50 m auskragende Erker gibt der Fassade Tiefe und Plastizität. Im Inneren bekommt jede Wohnung neben der Loggia eine Art „Außenwohnzimmer“, das die Bewohner als Bibliothek oder Panoramasitz nutzen. Das Wohnungsspektrum reicht von etagengroßen Appartements (Turm) über zweigeschossige Maisonetten (Südflügel) – in den Obergeschossen mit Dachterrasse und fulminantem Blick über die Stadt –, bis hin zu den Wohnungen im Gartenpavillon mit Aussicht auf den neu begrünten Innenhof. Michael Brüggemann, Mainz

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