Apple Flagship Store in Shanghai

Makellose Glashülle
Apple Flagship Store in Shanghai/CN

Angelehnt an seinen Zwilling in New York auf der 5th Avenue, trieben die Archtiekten Bohlin Cywinski Jackson die Glaskonstrukion des Apple Stores in Shanghai weiter. Nun formen 12,50 m hohe Segmentbogen aus 3-lagigem VSG einen Zylinder, um den Apple Store im urbanen Umfeld weithin sichtbar zu machen.

Bohlin Cywinski Jackson sind die Exklusivarchitekten für alle Apple Flagship Stores weltweit und konnten somit bei dem Neubau in Pudong auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Wie bei seinen Produkten legt Apple auch im CI und in seiner Architektur größten Wert auf Exklusivität und maximale Innovation. Der Pudong Apple Store zählt neben den New Yorker Stores auf der 5th Avenue und der Upper West Side zu den wohl aufwändigsten, bei denen bis an die äußersten Grenzen des Machbaren gegangen wurde. Wie der Apple Store auf der 5th Avenue liegt auch der Pudong Store komplett unter einem Platz, ist aber gleichwohl nicht Teil eines unterirdischen Shopping Centers. Direkt in der Mittelachse von zwei Glastürmen von César Pelli und vis-a-vis vom so klobigen wie ikonographischen Pearl Tower, der wie ein vertikales Atomium daherkommt, liegt der Bauplatz direkt an einer gigantischen Kreuzung. Eine aufgeständerte, groß angelegte und kreisrunde Fußgängerbrücke verbindet die einzelnen Straßenseiten miteinander und bestimmte auch den Entwurf des abgesenkten Platzes, über den der Store betreten wird. Über diesen Bereich werden außerdem die Metro und die Glastürme betreten, die eine Mischung aus Büro, Hotel und Shopping-Komplex aufweisen. Genau im Mittelpunkt dieses kreisrunden Platzes mit seiner großzügigen Treppenanlage befindet sich der Eingang zum Store, der somit zwei Ebenen unter dem Straßenniveau liegt.

Die architektonische Reaktion auf die runde Kreuzungsüberbrückung und auch auf die Rundungen des Pearl Towers war ein gläserner Zylinder, dessen Durchmesser exakt der Kantenlänge des New Yorker Kubus gleicht. Der Apple Kubus im „Big Apple“ erforderte zur Bauzeit 90 Glaspaneele, die Ende 2011 für kolportierte 6,7 Mio. $ gegen lediglich 15 Paneele ausgetauscht wurden. Die neuen Paneele sind durchgängig 9,75 m hoch und zeugten ebenso von der unbedingten Innovationskraft Apples wie von den ungeheuren Geldressourcen des Konzerns. Die im Februar dieses Jahres durch ein Schneegebläse beschädigte Scheibe des neuen Kubus dürfte somit alleine 450 000 $ kosten. Da einigen Berichten zufolge dieser Glaskubus das meistfotografierte Motiv New Yorks ist, dürfte sich die Inves­tition sicherlich lohnen, da Werte heutzutage ja primär in „Hits“ und „Likes“ gemessen werden.

Den drei Vertikalscheiben je Würfelseite in New York entsprechen die 12 Vertikalscheiben in Shanghai, die den Zylinder in 30°-Segmenten umschließen. Die Herausforderung in Shanghai lautete aber 12,50 m Höhe am Stück bei einer Ausführung als Segmentbogen. Wieder wollte Apple neue Standards und Bestmarken setzen. Der technische Aufwand ist dabei so gewaltig wie unsichtbar, denn was der Kunde am Ende sieht, ist nicht viel und die Perfektion des Wenigen ist die Seele von Apple. Aus optischen wie aus statischen Gründen wurde extraklares, vorgespanntes und gehärtetes Glas verwendet. Somit mussten alle Durchstoßpunkte für die wenigen Edelstahl- und Titanverbindungen im Vorfeld perfekt sitzen, denn spätere Änderungen und Nacharbeitungen sind ausgeschlossen. Da es sich um 3-lagiges VSG handelt, mussten also die drei einzelnen Scheiben mit minimal variierenden Radien und geringfügig differierenden Breiten über Folien laminiert werden, damit sich eine perfekte Stoßkante ohne Reflektionen ergab.

Das New Yorker Winterdebakel dürfte dem Pudong Apple erspart bleiben, denn dort wurde zur Sicherheit der Außenhülle ein drei Meter breiter Wasserstreifen um den Zylinder gelegt, der die reflektive Präsenz des Glases zudem noch erhöht. Dieser Reflecting Pool ist lediglich in den beiden Segmenten ausgesetzt, die den Eingang aufnehmen. Die selbstverständlich gebogenen und rahmenlosen Türblätter schwingen nach Außen auf und liegen unter einem quasi schwebenden Abdach, das horizontal frei nach außen auskragt und innen bündig mit den Vertikallamellen endet, über die die Außenhaut stabilisiert ist. Diese Vertikallamellen tragen wiederum die 12 horizontalen Glasträger, auf denen die 12 Segmente ruhen, die keilförmig auf die Mitte zulaufen. Das Mittelfeld selbst besteht aus Viertelkreisen, aus dessen Mitte das magische Apple Logo abhängt. Magie ist allemal, dass der Apfel auch noch leuchtet, aber kein Kabel in Sicht ist – wohlgemerkt innerhalb einer Ganzglaskonstruktion.
Elegante Lüftungsschlitze am Sockel des Zylinders bringen ausreichend trockene Frischluft auf die Glasflächen um Kondensat auf der Glasinnenseite zu verhindern.

Die Lüftungstechnik und die Uplights im Sockelbereich verbergen sich hinter glasperlgestrahlten Edelstahlblechen, die den Übergang zwischen dem unteren Plaza Niveau und dem Apple Store selbst bilden. Unsichtbar verstecken sich in diesem Edelstahlring auch Rauchschutzschürzen, die im Brandfall einen Meter weit nach unten fahren. Der Glaszylinder dient vor allem als Werbeträger und optisches Highlight, weswegen er auch die enorme Höhe benötigte um sich in dem großmaßstäblichen Umfeld zu behaupten. Die dazugehörige, ebenso ganzgläserne Treppenanlage, ist erst beim Betreten des Stores voll erlebbar und wendelt sich mit einem Durchmesser von 6,25 m um 4,90 m in die Tiefe. Die 32 Stufen und das Zwischenpodest bestehen aus 4-lagigem VSG und sind 1,70 m breit. Die gefrittete Oberfläche sorgt besonders für Diskretion und das Gefühl von Blickschutz aber auch Rutschsicherheit ist gewährleistet. Die Treppe wird extrem beansprucht, sie ist einziger Zugang zum Store. Ein Behindertenaufzug befindet sich, wie in fast allen Apple Stores, versteckt im Personalbereich und ist nur auf Anfrage zugänglich.

Die Stufen tragen ihre Lasten primär über eine Edelstahlverankerung an den zentralen Glaszylinder ab, der auf dem Boden aufsteht. An den Außenseiten sind die Stufen über zwei Anker am Ganzglasgeländer befestigt, das aus gebogenen Parallelogrammen gefügt wird. Eine der vier Glaslagen der Stufen springt etwas ein, damit der Edelstahlanker wie ein Lamello mit ihr verbunden werden konnte. Die Handläufe bestehen aus massivem gebürstetem Edelstahl, so dass die gesamte Treppenanlage ausschließlich aus Glas und Edelstahl besteht. Dazu gesellt sich im Innenausbau aller Apple Stores nur noch ein Pietra Serena Boden, für den lediglich die besten 3% der Produktion ausgewählt werden. Die Präsentations- und Displaytische bestehen aus ebenfalls handverlesenem und geöltem Ahorn. Der Grundriss der Verkaufsfläche entspricht annähernd einem Quadrat mit vier freistehenden Stützen und der zentralen Treppenanlage. In zwei Seitenschiffen befinden sich die Kassen und Regale für das Apple Zubehör. Der im absoluten Mittelpunkt befindlichen Treppenanlage kommt somit die volle Aufmerksamkeit zu, nicht zuletzt, weil sie die einzige Tageslichtquelle darstellt.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2015

Durchgängig flexibel Flagship Store von Karl Lagerfeld in London

Mit 250 m² ist der neueste Flagship Store von Karl Lagerfeld in London der bisher größte. Hier setzten Plajer und Franz die Vorstellungen des Modeschöpfers in Storedesign um. Der Raum lebt von...

mehr
Ausgabe 04/2022

Treppenanlage zu teuer?

Sie wackeln, die Bauteile vor dem Berliner Humboldt Forum,­ ­alias Schloss. Aber während das eine Teil – das sogenannte Freiheits- und Einheitsdenkmal, vulgo Einheitswippe – vom Prinzip her...

mehr

Expo 2010

Fachexkursion Shanghai vom 28. Mai bis 6. Juni 2010

Die Zebau GmbH organisiert und begleitet vom 28. Mai bis 6. Juni 2010 eine Fachexkursion für Architekten und Ingenieure zur EXPO 2010 Shanghai in China. Architektonische Höhepunkte, ein fachlicher...

mehr
Ausgabe 11/2011

Bekannt und doch unbekannt Shanghai Oriental Sports Center – SOSC

In unmittelbarer Nachbarschaft zum EXPO-Gelände von 2010, das gerade für seine endgültige Verwendung ertüchtigt wird, entstanden nicht nur Stadien, sondern auch ein für den gewöhnlichen...

mehr
Ausgabe 10/2013

Umnutzung der Hanomag „U-Boot-Halle“, Hannover www.bolles-wilson.com

Mit Rainer Scholze, dem Erfinder und Eigentümer der Möbelproduktion RS Möbel aus Münster verbindet das ebenfalls in Münster ansässige Architekturbüro Bolles+Wilson eine schon längere...

mehr