Licht und Luft
Tageslichtplanung und Lüftungskonzept für ein gesundes Raumklima

„Rauchen Sie nicht! – Bewegen Sie sich! – Essen Sie ausreichend Obst und Gemüse!“ Jahrelange öffentliche Debatten haben ein klares Bewusstsein dafür geschaffen, wie wichtig ein gesunder Lebensstil für die ei­gene Gesundheit ist. Und obwohl ein gesun­­des Wohnumfeld bei weitem nicht im gleichen Maße öffentlich diskutiert wird, halten die Europäer zentrale Aspekte gesunder Innenraumbedingungen wie Tageslicht und gute Raumluftqualität für wichtiger als etwa den Verzicht auf Rauchen oder regelmäßigen Sport. Das zeigen die Ergebnisse des „Healthy Homes Barometers“, einer von Velux in Auftrag gegebenen europaweiten Umfrage zur Wohngesundheit, an der 2014 insgesamt 12 000 Menschen aus 12 Ländern Europas teilnahmen. Danach ist für 90 % der Befragten eine gesunde Innenraumluft sogar überdurch­schnittlich relevant bei der Suche nach einer neuen Wohnung.

Schlechte Innenraumbedingungen machen krank

Unser eher intuitives Verständnis von der  Bedeutung eines gesunden Wohnumfeldes für unsere persönliche Gesundheit wird durch die Tatsache gestützt, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Menschen auftreten, die mit dem Aufenthalt in Gebäuden in Zusammenhang zu stehen scheinen. Die zugehörigen Symptome und Beschwerden, wie Reizungen der Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und/oder Bronchien sowie Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und Schwindel werden unter dem Begriff Sick Building Syndrome (SBS) zusammengefasst. Viele der gesundheitlichen Beeinträchtigungen lassen sich heute auf konkrete Faktoren zurückführen. Gemeinsamer Nenner ist dabei der Zusammenhang mit einem schlechten Innenraumklima, für das ein zu geringer Luftwechsel ausschlaggebend ist.

Auch die Folgen von schlechter Lichtqualität für Gesundheit und Leistungsfähigkeit lassen sich mittlerweile quantifizieren. Stu­dien belegen, dass Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz über wenig Tageslicht verfügen, nach einiger Zeit über zahlreiche Befindlichkeitsstörungen klagen. Je weiter der Arbeitsplatz im Rauminnern und damit von Fenstern entfernt liegt, desto stärker fallen diese Störungen aus. Auch bei Kindern, die sich in ­vorwiegend künstlich beleuchteten Klassenräumen aufhalten, wurden vermehrt psychomotorische Beeinträchtigungen festgestellt. Im Umkehrschluss kann eine ausreichende Versorgung mit Tageslicht jedoch die Genesung fördern, was mit verkürzten Krankenhausaufenthalten einhergeht. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Aspekte Licht und Gesundheit stärker bei der Planung von Gebäuden berücksichtigt werden müssen.

Trotz der Tatsache, dass Tageslicht und gute Luft in Gebäuden unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit beeinflussen, be­-steht häufig ein großer Unterschied zwischen Theo­rie und Praxis. Das belegt auch eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik über die Auswirkungen des Raumklimas in europäischen Wohngebäuden und Schulen auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit, die Ende 2014 abgeschlossen wurde. Die von Prof. Dr. Gunnar Grün initiierte Metastudie zeigt, dass es bei den Innenraumbedingungen des gegenwärtigen europäischen Gebäude­bestands erhebliche Mängel gibt. Deshalb bedarf es nach Ansicht der Autoren weiterer Maßnahmen, um das Raumklima dort zu verbessern, wo Menschen leben, arbeiten und lernen, sowie deren Aufnahme in nationale Bauvorschriften und die europäische Baugesetzgebung.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch mangelnden Luftaustausch

Vor dem Hintergrund des Klimawandels und dem damit verbundenen Ziel, den Energiebedarf von Gebäuden zu reduzieren, haben sich die Probleme sogar noch verschärft. Denn durch das Konzept einer weitgehend luftdichten Gebäudehülle wird der Luftaustausch gestoppt, der früher durch undichte Fugen oder Ritzen auch bei geschlossenen Fenstern – sozusagen unbeabsichtigt von alleine – erfolgte. Aufgrund des Wegfalls dieses natürlichen Luftwechsels erhöht sich nicht nur die Schadstoffkonzentration in der Innenraumluft, etwa durch Emissionen von neuen Baumaterialien und Einrichtungsgegenständen wie etwa

Lacken oder Klebstoffen, sondern auch die CO2-Konzentration steigt. So führt allein der Aufenthalt von vier Personen in einem 16 m² großen Raum mit normaler Deckenhöhe von 2,50 m nach einer Stunde zu einer CO2-Konzentration von über 2 000 ppm. Dieser für Umweltbundesamt und Landesgesundheitsbehörden hygienisch inakzeptable Wert kann Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel oder Konzentrationsschwäche zur Folge haben. Als unbedenklich gelten demnach CO2-Konzentra­tionen von unter 1  000 ppm. Auch für Schimmelbildung in Gebäuden kann ein mangelnder Luftwechsel der Grund sein. Denn wird die Feuchtigkeit nicht abtransportiert, die etwa beim Kochen, Duschen oder Wäschetrocknen an die Raumluft abgegeben, schlägt sie sich an kalten Stellen in der Wohnung nieder. Hier droht in der Folge Schimmelbildung. Oft machen sich die Pilze auch hinter Schränken oder im Wandputz breit und stellen, ohne überhaupt entdeckt zu werden und sind eine Gefahr für Bausubstanz und Gesundheit. Die möglichen Folgen sind Reizungen und Entzündungen von Augen und Atem­wegen sowie Befindlichkeitsstörungen wie Müdigkeit, Konzentra­tionsstörungen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Übelkeit.

Lüftungstechnische Maßnahmen gewährleisten Mindestluftwechsel

Inzwischen hat der Gesetzgeber die Probleme durch immer luftdichter werdende Gebäudehüllen erkannt und in der Energieeinsparverordnung berücksichtigt. „Zu errichtende Gebäude sind so auszuführen, dass der zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erforderliche Mindestluftwechsel sichergestellt ist“, heißt es in Paragraph 6, Absatz 2 der EnEV und die DIN 1946-6 konkretisiert die Anforderung dahingehend, dass ein nutzerunabhängiges Lüften sichergestellt werden muss. Hierfür müssen die ausführenden Planer und Architekten zunächst prüfen, ob der Mindestluftwechsel automatisch über die natürliche Infiltration via Gebäudehülle erfolgt, oder ob lüftungstechnische Maßnahmen erforderlich sind. Die wesentlichen Parameter hierfür sind die Art des Gebäudes, das vorhandene Wärmeschutzniveau und die Wind-intensität in der Region. Sollten Maßnahmen zur Sicherstellung des nutzerunabhängigen Mindestluftwechsels erforderlich sein, muss gewährleistet werden, dass etwa alle sechs Stunden die Raumluft einmal komplett ausgetauscht wird, ohne dass die Mieter oder Eigentümer selbst eingreifen. Planer müssen in diesem Fall darlegen, wie sie mit lüftungstechnischen Maßnahmen diesen Luftwechsel garantieren. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, können sie für später auftretende Feuchteschäden in die Haftung genommen werden. Auch wenn keine Maßnahmen notwendig sind, gilt es, die Prüfung schriftlich zu dokumentieren und dem Kunden auszuhändigen. Allein dies stellt bereits ein Lüftungskonzept dar, das die Erfüllung der DIN 1946-6 gewährleistet.

Tageslicht – Taktgeber des Lebens

Auch die Tageslichtversorgung von Wohnräumen wird durch die Anforderungen der Energieeinsparverordnung beeinflusst. Da diese vor allem Dämmwerte berücksichtigt, sind in der Folge Fensteröffnungen immer kleiner geworden und/oder wurden falsch positioniert. Dabei deuten aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zweifelsfrei darauf hin, dass das uns umgebende Licht eine direkte Wirkung auf Körper und Geist des Menschen hat. Wir Menschen verfügen über eine innere Uhr, die wichtige biologische Prozesse rhythmisch steuert wie z. B. den Tag-Nacht-Rhythmus. Um diese innere Uhr zu synchronisieren, braucht der Mensch jeden Tag eine gewisse Menge an Licht, die normalerweise nur das Tageslicht zur Verfügung stellen kann und die weit über dem liegt, was etwa zum Lesen notwendig ist.

Tageslichtplanung verbindet Wohlbefinden und Energieeffizienz

Welche Lichtmengen im Inneren eines Gebäudes zur Verfügung stehen, können Planer und Architekten durch die Berechnung des Tageslichtquotienten bereits in der Planungsphase eines Gebäudes ermitteln. Dieser international anerkannte Wert in Prozent gibt an, wieviel des außen verfügbaren Tageslichts im Innenraum ankommt. Da in die Bestimmung des Tageslichtquotienten neben der Größe und Positionierung von Fenstern auch die Wetterdaten und Sonnenhöchststände des jeweiligen Standortes im Jahresverlauf einfließen, ist eine Vergleichbarkeit von verschiedenen Gebäuden unabhängig von ihrer jeweiligen geografischen Lage möglich.

So gilt etwa ein Raum mit einem Tageslichtquotienten von durchschnittlich 2 %  zwar als lichtdurchflutet, muss aber für bestimmte Tätigkeiten zusätzlich mit Kunstlicht angereichert werden. Ein Raum mit über 5 % ist bereits besonders intensiv von Tageslicht durchflutet. Deshalb sollte insbesondere in den tagsüber vorwiegend genutzten Innenräumen, wie Wohn- und Arbeitszimmern sowie Küchen und Kinderzimmern ein Tageslichtquotient von durchschnittlich 5 % oder mehr angestrebt werden.

Darüber hinaus trägt die optimierte Tageslichtnutzung im Inneren nicht nur zum Wohlbefinden der Bewohner bei, sondern senkt auch den Energieverbrauch eines Gebäudes. So kann der Einsatz künstlicher Beleuchtung reduziert werden und solare Energieeinträge durch die Fenster sorgen dafür, dass weniger geheizt werden muss. Um während des Sommers eine übermäßige Aufheizung der Räume zu vermeiden, empfiehlt sich der Einsatz von außen liegendem Sonnenschutz, wie etwa Rollläden oder Hitzeschutz-Markisen. Letztere haben den Vorteil, dass sie eine übermäßige Aufheizung verhindern und trotzdem nahezu freie Sicht nach draußen ­erlauben.

Fazit

Unabhängig von der Energierechnung muss die erste Prämisse immer sein, dass sich Menschen wohl fühlen und sie gesund bleiben. Hierfür benötigen sie ausreichend Licht und eine gesunde Raumluft. Erst wenn die Faktoren Gesundheit und Wohlbefinden angemessen in der Planung berücksichtig sind, sollte nach einer Lösung gesucht werden, wie man möglichst wirtschaftlich Energie einspart.

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