Initialzündung
Hansaterrassen, Hamburg-Hamm

Auf einer Brache in Hamburg-Hamm unweit des Hamburger Hauptbahnhofs hat das Architekturbüro blauraum gemeinsam mit dem Projektentwickler Hamburg Team ein Wohnquartier entworfen, das sich von der Umgebung in seiner Ästhetik und Nutzung abhebt. Es ist die Initialzündung für die Stadtteilentwicklung im Hamburger Osten.

Bislang ist der Stadtteil Hamburg-Hamm von Bürogebäuden geprägt, vereinzelt gibt es Wohnzeilen. In einem Dossier zur „Stadtentwicklung mitten in Hamburg“ ist bereits 2006 das Ziel formuliert, „entlang der Kanäle [in Hamburg-Hamm] neue Formen des Wohnens in die bisherige Büro-Monostruktur zu integrieren.“ Mit dem Quartier Hansaterrassen zeigt sich das zukünftige Potential des Stadtteils. Die sechs Wohngebäude mit insgesamt 131 Wohnungen, entworfen vom Architekturbüro blauraum, liegen an der Flussgabel des Mittel- und des Rückerskanals. Sie sollen dem Stadtteil Hamburg-Hamm einen Impuls zur städtebaulichen Weiterentwicklung geben und eine Nutzungsdurchmischung fördern. 2010 erwarb der Projektentwickler Hamburg Team das Grundstück unweit der Innenstadt Hamburgs. In einem Workshopverfahren, an dem drei Büros beteiligt waren, sollten die ersten Gedanken skizziert und festgehalten
werden. Das Architekturbüro blauraum überzeugte mit seinem Entwurf, die geforderte BGF von etwa 17 977 m² in fünf Solitäre und einen Wohnriegel aufzuteilen. Somit umgingen die Architekten die Blockrandbebauung, die sich von der dem Grundstück vis-à-vis befindlichen denkmalgeschützten Hansaburg ableitete und nur vereinzelt an die Wasserkante gereicht hätte. Stattdessen entstehen zwischen den Gebäuden von WES LandschaftsArchitektur geplante Freiflächen, die den Bewohnern Aufenthaltsräume bieten und gleichzeitig eine Verbindung zum Wasser schaffen. Die Freiflächen sind als Spielplätze ausgewiesen. Zwischen den Gebäuden sind die Spielgeräte wie Inseln angeordnet. Das terrassierte Gelände führt zum Kanal, an dem die Böschung renaturiert ist. Um dennoch eine städtebauliche Verbindung herzustellen, nehmen die Architekten mit den Höhen der Gebäude die Traufhöhe der Hansaburg auf.

Gestalterisch hebt sich das Quartier von seiner Umgebung ab, ist in sich aber homogen. Das erreichen die Architekten, indem sie wiederholende Elemente an der Fassade verwenden: Glasmosaik und Aluminium. Diese fassen die Gebäude zu einem Ensemble. Von weitem fällt sofort die Absturzsicherung auf, die sich wie ein Band um die Gebäude legt. Goldschimmernde Aluminiumbänder zeigen abstrahiert die Adresse des Quartiers, die, in einen QR-Code überführt, die Grundlage des Musters bildet. Hinzukommen Glasmosaike, die die Lisenen der Fenster nochmals von der weißen Putzfassade abheben. In Massivbauweise ausgeführt, sind – nach Lastenverteilung – die unteren Mauern in Kalksandstein (KS) in einer Stärke von 22 cm gebaut, die oberen Geschosse mit KS 17,5 cm. Eine wirtschaftliche Entscheidung. Den tragenden Wänden ist ein WDVS vorgesetzt, das sich mit weißem Putz kontrastreich von der ihm gegenüberliegenden Industriearchitektur der Hansaburg abhebt.

Alle ans Wasser

Die Wohnungen der fünf fünfgeschossigen Solitäre mit Staffelgeschoss sind windmühlenartig in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung ausgerichtet. Dadurch schaffen die Architekten unterschiedliche Qualitäten der Wohnungen für die natürliche Belichtung. Gleichzeitig schaffen sie durch diese Ausrichtung für jede Wohnung den Bezug zum Wasser. „Das ist die Qualität des Quartiers“, sagt Ron Hülsemeyer, Projektleiter bei blauraum, „die auch den Bauherrn überzeugte“.

Die 102 Wohnungen der Solitäre sollten ursprünglich als Eigentumswohnungen verkauft werden. Die Gebäude 5 und 4 sind jedoch nun an jeweils einen privaten Investor verkauft worden. Ein institutioneller Investor ist Eigentümer der 29 vermietbaren Wohnungen in dem fünfgeschossigen Gebäuderiegel 6. Mit dieser Entwicklung hat sich das Verhältnis von Eigentums- zu Mietwohnungen verändert: Insgesamt sind nun 76 Wohnungen vermietet und 56 verkauft. Dieses Angebot und die Wohnungsgrößen von 2- bis zu 5-Raum-Wohnungen sowie Maisonette-Wohnungen sorgen für eine Heterogenität im Quartier. Seit der Fertigstellung Anfang dieses Jahres leben in dem Quartier Hansaterrassen vermehrt zugezogene Paare und Singles, wie Irene Traub von Hamburg Team berichtet. Obwohl zwischen den Gebäuden öffentliche Flächen als Spielplätze ausgewiesen sind, sind bislang im Quartier nur wenige Familien ansässig geworden.

Um in Zukunft die Flexibilität der Grundrisse zu erhalten, sind in Geschossen der Gebäude 1 und 5 Wände im Trockenbau ausgeführt. Diese Wohnungen können in Größe und Form zu einem späteren Zeitpunkt den Bedürfnissen der Bewohner angepasst werden. Vorstellbar sind Wohngemeinschaften für „Wohnen im Alter“. Diese Flexibilität und Heterogenität war für den Bauherrn eine wichtige Voraussetzung für die Vermarktung der Wohnungen.

Zusammenarbeit

Um auf der Brache Wohnungen zu bauen, be­durfte es einer Bauvoranfrage. Diese erarbeiteten blauraum und WES LandschaftsArchitektur in enger Kooperation mit dem Bauherrn. „Für das Grundstück gab es bis zu diesem Zeitpunkt keinen Bebauungsplan“, so Traub. Auf Grundlage des Workshopverfahrens erteilte das Stadtbauamt den Bauvorbescheid. Die Argumente, den Stadtteil Hamburg-Hamm mit sozialer Durchmischung aufzuwerten, überzeugten. Umgeben von sozialem Wohnungsbau und vermietbaren Woh­nungen können die Hansaterrassen, mit ihrem Mix aus Miet- und Eigentumswohnungen, Antrieb für den Stadtteil sein, Infrastruktur anzusiedeln. Hülsemeyer sagt: „Das Stadtbauamt und der Bauherr haben das Projekt forciert und betrachten es als Impulsgeber für den Hamburger Osten.“ Jedoch verlangte das Stadtbauamt von den Architekten Modifizierungen: Der im Süden angeordnete Wohnungsriegel sollte mit einem Durchgang etwaige zukünftige Planungen zur Erweiterung des Quartiers berücksichtigen. Das Staffel­geschoss sollte noch weiter einrücken. Ins­gesamt hat der Entwurf dadurch an Kompaktheit gewonnen.

Die Architekten übernahmen neben der Vorplanung und dem Entwurf auch die Ausführungsplanung. Sie erstellten das Leistungsverzeichnis (LV) mit Masse und Qualität, das sie komplett an den Bauherrn übergaben. Der vom Bauherrn beauftragte Generalunternehmer August Prien schrieb das LV in Summe aus, weswegen es keinen Qualitätsverlust gegeben habe, ist sich Hülsemeyer von blauraum sicher. Ein weiterer positiver Aspekt: Das Hamburger Architekturbüro behielt die künstlerische Oberleitung. S.C.

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