Im Focus – der Mensch 
Google Forschungs- und Entwicklungszentrum in Zürich / CH

Google ist anders und will anders sein. Offen für Neues und konsequent in der Umsetzung steht stets der Mitarbeiter im Zentrum – eine etwas andere Planungsaufgabe für das Architektenteam Camenzind Evolution.
 

Google EMEA (Europe Middle East Asia) Engineering Hub – dahinter verbirgt sich das größte Forschungs-und Entwicklungszentrum der Internetsuchmaschine außerhalb der USA. Zurzeit tüfteln am neuen Züricher Standort ca. 500 Ingenieure an Ideen für Google Maps, YouTube oder AdWords (Werbung bei Google). Und die Mitarbeiterzahlen steigen weiter... Wie gelingt es, sie zu immer neuen kreativen Entwicklungen zu motivieren? Welche Räume schaffen die geeignete Arbeitsatmosphäre? Das war die Ausgangssituation für Stefan Camenzind und sein Planungsteam, als sie 2006 neben vier anderen
Architekturbüros von Google zunächst zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch eingeladen wurden. Anschließend musste jedes Team ein ausführliches, schriftliches Konzept erarbeiten, wie sie an die Planungsaufgabe herangehen würden. Einzige Vorgabe: Jedem Mitarbeiter sollen 15 m² Fläche zur Verfügung stehen.

Standort und Gebäude gab es bereits. Auf dem Gelände einer ehemaligen Brauerei – dem Hürlimann-Areal – unweit des Züricher Stadtzentrums ist in den letzten fünf Jahren eine Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Gewerbe entstanden. Hier hatte Google einen
Bürokomplex ausgewählt, der sich entlang einer Bahntrasse im Grundriss mehrfach abwinkelt und der in der Höhe variiert.
 

Der Weg

In ihrer schriftlichen Ausarbeitung schlugen die Architekten Camen­
zind Evolution vor, alle Mitarbeiter nach ihren persönlichen Vorstellungen und Wünschen zu befragen, wie sie sich ihren idealen Arbeitsplatz vorstellen. Sozusagen als Fachplaner wollten die Architekten von Anfang an einen Psychologen mit ins Boot nehmen, der die Fragen stellt. „Das war mit ausschlaggebend für den Auftrag“, meint Ste-
fan Camenzind. Vier Wochen dauerte die Befragung – der „research“. Alles auf Englisch, der offiziellen Sprache bei Google. Jeder Mitarbeiter konnte mitmachen, was schließlich ca. 150 Personen taten. Die
individuellen Antworten ergaben vor allem eines, berichtet der Architekt: „Ein Zoogler, wie die Züricher Mitarbeiter sich nennen, ist sehr visuell orientiert und liebt die Kommunikation.“

Weil die Firma so schnell wächst und die Mitarbeiterteams sich ständig wandeln, musste auch ein großes Maß an Flexibilität möglich sein. „Es dauerte eine Weile, bis wir herausfanden, wie die Arbeitsstrukturen sind“, erklärt der Planer. „Zunächst wussten wir nicht, wie viele Teams es gibt und wie sie zusammenarbeiten. Das Ganze ist wie ein eigener Organismus, wie freie Strukturen im Raum, die sich immer wieder ändern.“ Weil die Planung unter großem Zeitdruck geschehen musste, gab es ein „steering committee“, eine Steuerungsgruppe, die aus 10–20 Mitarbeitern bestand, mit der sich die Planer alle 14 Tage abstimmten. Stefan Camenzind ist ein wenig stolz über den Ablauf: „Diese Art und Weise zusammenzuarbeiten hat bei dem Züricher Projekt das erste Mal stattgefunden. Zurzeit laufen ähnliche Prozesse in Dublin und Moskau.“ In Zürich hat man das Bürogebäude in zwei Abschnitten für die Internetfirma umstrukturiert: Phase 1 von März bis Mai 2007, Phase 2 von Juli 2007 bis Januar 2008. Zurzeit läuft eine weitere Phase.
 

Arbeiten

Die Ingenieure in Zürich kommen aus 50 verschiedenen Nationen und arbeiten zusammen mit Teams aus anderen Teilen der Welt. Das bedeutet, dass sie viel per Videokonferenz kommunizieren und das bis spät in die Nacht. Sie dürfen sich ihre Zeit selbst einteilen, kommen und gehen, wie es ihrem Terminkalender entspricht. Sie forschen an den neuesten Entwicklungen im Programmieren des Internet. Dazu stellt ihnen ihr Arbeitgeber einen Tag pro Woche zur freien Verfügung, um an ihren speziellen eigenen Ideen weiterzuforschen. Das Prinzip kommt aus der Lehre an den amerikanischen Universitäten, wo Doktoranden Zeit für eigene Projekte bekommen. Nicht zuletzt dient diese Regelung am Ende der Firma, weil Forschungsideen schnell Produkte generieren. In dem Fall bekommt der Mitarbeiter ein eigenes Arbeitsteam, um die Idee weiterzuentwickeln. Ein Grund, warum die Zoogler im Durchschnitt zweimal im Jahr ihren Arbeitsplatz innerhalb des Gebäudes wechseln.

Hierarchien gibt es keine. Alles ist eine sich ständig wandelnde Struktur aus Teams, deren Größe und Anzahl ebenfalls variiert. Dabei spielt die Kommunikation die wichtigste Rolle. So ergaben die Umfragen, dass der eigene Arbeitsplatz relativ einfach sein kann. Die Mitarbeiter stellten sich zufrieden mit nur 5 m² Grundfläche zugunsten größerer Flächen zum Ideenaustausch und Entspannen. Ein Tisch mit Kabelkorb, ein Rollcontainer, eine Stehleuchte und ein guter Arbeitsstuhl, dazu der Computer mit 1-2 Bildschirmen von optimaler Qualität – der funktionale, flexible Arbeitsplatz. Mal im verglasten Gruppenbüro mit 6-10 Arbeitsplätzen, mal in einer kleineren Einheit von 4-6 hinter mit Transparentfolie beklebten Glastrennwänden. Überall verteilt befinden sich weiße Wandtafeln, die so genannten „white boards“, auf denen man schnell zwischendurch etwas skizzieren kann. Diese Tafeln hängen sowohl in den Büroräumen als auch
in den Verweilzonen.
 

Austausch

„Bei der Umfrage haben wir festgestellt, dass die Ingenieure andere Ansprüche an ihren Arbeitsplatz stellen als z. B. ein Mitarbeiter aus dem Vertrieb. Sie reagieren stark auf optische Reize“, stellt Stefan Camenzind fest. „So war ein Gestaltungsprinzip, Kontraste zu schaffen. Um die Kommunikation zu fördern, haben wir bewusst die Verweil-
zonen in den einzelnen Geschossen weit auseinander gezogen, so dass man schon etwas laufen muss, um dorthin zu gelangen. Auf dem Weg bieten sich dann viele Gelegenheiten, Kollegen zu treffen.“ Zur Orientierung hat jede Etage ein Thema und eine eigene Farbe. Das geht bis zur Bezeichnung der WC’s, die z.B. im „Green Floor“ „Eagle“ bei den Herren und „Butterfly“ bei den Damen heißen. Im „Art Floor“ in der obersten Etage gibt es eine Bibliothek. Das ist ein Raum wie ein gemütliches Wohnzimmer, mit Bücherborden, Mustertapete und Kaminfeuer. In einem Regal stapeln sich Brettspiele. „Die Leute hier spielen sehr gern. Wir sollen jetzt noch einen Tisch mehr aufstellen, weil der Platz nicht reicht“, sagt der Architekt. „Für die
Atmosphäre und um Geld zu sparen, haben wir die Möbel auf Trö-
delmärkten zusammengesucht.“ In der Bibliothek steht auch eine komplette Einbauküche wie eine private Wohnküche. Auffallend sind die verglasten Kühlschranktüren. „Die Zoogler legen Wert auf gutes Essen. Hier ist alles kostenlos. Man kann sich jederzeit etwas zum
Essen oder Trinken holen“, erläutert Stefan Camenzind. „Sie setzen einfach andere Prioritäten. So ist ihnen eine spezielle italienische Kaffeemaschine wichtiger als ein teurer Schreibtisch. Oder der Tischkicker muss ein spezieller sein. Dafür spart man an anderer Stelle z.B. beim Teppichboden.“ Der Teppich im „Tech Stop“ zeigt Fußstapfen im Sand. Im Ambiente einer Strandbar werden hier Computer repariert. Mit verspannten Nackenmuskeln geht man in den Massageraum, der einem Wellnessbereich im Hotel ähnelt. Auf dem Weg durch die Geschosse stehen gut verteilt ausgemusterte Seilbahngondeln, Iglus, die eigentlich Forscher in der Antarktis beherbergen, oder eiförmige Cocoons, in denen Kissenlandschaften zum Verweilen einladen. Telefonhäuschen nennen die Zoogler sie. Hier dürfen sie in heimeliger Atmosphäre Privatgespräche führen oder sich ausruhen. Wer ganz entspannen will, begibt sich in die Water Lounge. Bis auf Wasserplätschern herrscht Stille. Zum Kickern oder Videospielen lädt der Game-Room ein. Im Eingangsgeschoss runden die Konferenzräume, der
Fitnessbereich und die Kantine mit der Qualität eines Sterne-Restaurants das Angebot an Gemeinschaftszonen ab. Der Zoogler soll sich wohlfühlen, um kreativ zu sein. Kreative Räume lieferten die Architekten und die Mitarbeiter. Susanne Kreykenbohm, Hannover

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