Holzbau
dämmt Massivbau
Sanierung einer Wohnanlage in Augsburg

Mit einem großformatigen Holzbausystem hat Architekt Frank Lattke die Außenwände einer Wohnanlage in Augsburg energetisch saniert. Die TES Energy Façade aus vorgefertigten Holzrahmenelementen erweist sich in so mancher Hinsicht als echte Alternative zu gängi-gen WDVS-Lösungen.

Die zwei Wohnhäuser in der Grüntenstraße sollten nach einer fast 50-jährigen Nutzungsphase saniert werden. Ziel war neben der barrierefreien Erschließung und der Erneuerung der Bäder die energetische Ertüchtigung der Gebäude. Als eins von neun Projekten im bayerischen Modellvorhaben „e% Energieeffizienter Wohnungsbau“ sollte die sanierte Anlage außerdem die Anforderungen der EnEV um 40 % unterschreiten. Dafür mussten die Wärmebrücken, die sich aus der Konstruktion mit den thermisch nicht getrennten Balkonen ergaben, beseitigt und eine hochwärmegedämmte Gebäudehülle erstellt werden. Mit seinem Sanierungskonzept mit TES Holzbauelementen ging das Augsburger Architekturbüro lattkearchitekten aus dem Wettbewerb als Sieger hervor und wurde mit der Neugestaltung der Zugänge sowie der

Sanierung der Außenhülle beauftragt.

Die 1966 gebaute Wohnanlage besteht aus einem 3-geschossigen Wohnhaus mit 12 und einem 6-geschossigen Wohnriegel mit 48 Wohnungen, die von 160 Mietern bewohnt werden. Dies war auch eine der Herausforderungen des Sanierungsvorhabens, denn die Gebäude sollten in bewohntem Zustand saniert werden. Mit dem Fassadenkonzept aus Holzrahmenelementen konnte die Bauzeit erheblich verkürzt und die Belastung der Mieter minimiert werden, da die großflächigen Tafeln im Werk inklusive Fenster, Geländer und Außenschalung vorgefertigt worden waren.

Die Planung sah zur Dämmung der beiden bislang ungedämmten Gebäude eine nahezu komplette Umhüllung mit Holztafelelementen vor. Lediglich auf der Nordseite wurde im Bereich der Laubengänge ein auf Mineralwolle basierendes WDVS aufgebracht, weil dort aus Brandschutzgründen der Einbau einer Holzfassade unverhältnismäßig aufwändig gewesen wäre. Durch die Einhausung wurde auch das Problem mit den Wärmebrücken elegant gelöst, denn die auskragenden Betonbauteile der Balkone werden nun von der neuen thermischen Hülle vollständig umschlossen. Dahinter entstehen statt der ehemals offenen Balkone Wintergärten mit großen Glasschiebetüren, die einen Klimapuffer zu den Wohnungen bilden. Hier kann sich die Kaltluft erwärmen, bevor sie über die in den Fenstern integrierten, selbstregulierenden Nachströmöffnungen in die Wohnräume gelangt. Die verbrauchte Luft wird in Küche, Bad und WC abgesaugt und über Dach abgeführt. So ist für eine feuchtereduzierte Lüftung gesorgt und gleichzeitig ein wirkungsvoller Schallschutz gegen den Straßenlärm der viel befahrenen Ausfallstraße gesichert. Die Bewohner jedenfalls loben die sommers wie winters konstanten Zimmertemperaturen und die Reduzierung des Außenlärms in den Wohnungen. Zwischen den Wintergärten verspringt die TES Fassade.

Es entstanden neue Loggien, die in Holzbauweise in die Dämmebene integriert sind. Die Architekten schufen so eine völlig neue Fassadenansicht, die mit ihrer weißen Bretterschalung und ihrer modernen Struktur an einen Neubau denken lässt.

Das Bauen mit vorgefertigten Elementen erfordert ein präzises und genaues Arbeiten. Schon in der frühen Planungsphase wurde daher eine genaue Bestandsanalyse durchgeführt, um die Belange von Baurecht, Brandschutz, Tragwerk und Nutzung aufeinander abstimmen zu können. Wesentlich für die Planung einer TES-Fassade ist die lückenlose Erfassung der Gebäudegeometrie. Das Fassadenaufmaß wurde von dem Holzbauunternehmen mittels Tachymetrie ermittelt, in einem digitalen 3D-Modell erfasst und überprüft sowie daraufhin die Werkplanung an das Aufmaß angepasst. Im Werk wurden Tragstruktur, Dämmschicht und wasserführende Ebene zusammengebaut, außerdem Fenster, Hebe-Schiebetüren, Lüfter, Geländer, Befestigungen und Brandschutzbleche montiert. Auf der Baustelle wurden die bis zu 12 m langen Einzelelemente dann abschnittsweise aufgestellt und geschossweise mit dem Kran in Position gehoben.

Die selbsttragenden Elemente übertragen ihre vertikalen Lasten

in die um die Gebäude herum betonierten Streifenfundamente. An den Deckenstirnkanten wurden Holzriegel, sogenannte Bauchbinden, montiert, an denen die Bauteile angeschraubt sind und über die sie ihre horizontalen Lasten in die Geschossdecken übertragen.

Wegen der unebenen Fassaden wurde der entstandene Hohlraum zwischen TES Elementen und Bestandswand mit Zellulosefaserdämmung ausgeblasen. Eine hohlraumfreie Konstruktion ist hier absolut notwendig, um unkontrollierbare Konvektion und die Brandweiterleitung in der Konstruktion zu verhindern. Letzteres wird auch durch die gekoppelten Brandschutzbleche in den horizontalen Elementstößen verhindert. Im Wettbewerbsentwurf war für die Konstruktion der Holzbaufertigteile auch die Integration der neuen Heizungsleitungen vorgesehen. Dies kam jedoch nicht zur Ausführung, weil die bestehenden Heizungsleitungen beibehalten werden konnten. IS

Die TES Energy Façade
Die TES (Timberbased Element System) Energy Façade ist ein Holzfassadensystem zur energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden. Das in einem europäischen Forschungsprojekt 2010 unter Leitung der TU München an den Lehrstühlen von Prof. Hermann Kaufmann und Prof. Dr.-Ing. Stefan Winter entwickelte Fassadensystem basiert auf der Dämmung der Ge-
bäudehülle mit einer neuen Außenhaut aus Holz-
rahmenelementen. Die Forschung beschäftigte sich mit Planung, Konstruktion und Design der innovativen Fassadenelemente, die horizontal, vertikal oder raumbildend eingesetzt werden können. Ein erklärtes Forschungsziel war die Systematisierung des digitalen Arbeitsablaufs von Aufmaß und Pla-­
nung bis zur Fertigung und Montage und die Be-
arbeitung des Projekts mit der BIM-Methode.
Die geschoss- oder auch gebäudehohen Fertigteile werden inkl. Fenster und Türen vorfabriziert, auch solaraktive Komponenten sind integrierbar. Je höher der Vorfertigungsgrad in der Werkstatt umso schneller die anschließende Montage auf der Bau-
stelle; eine Modernisierung mit TES Elementen empfiehlt sich daher besonders für die Sanierung von bewohnten Gebäuden. Die TES-Elemente bestehen im Prinzip aus einer statisch wirksamen Tragstruktur, einer Dämmschicht sowie der wasser-
führenden Fassadenbekleidung. Die Konzeption
der Fugen- und Anschlussdetails gewährleistet die Einhaltung der Brandschutz-, Schallschutz- sowie Luftdichtigkeitsanforderungen. Die Abtragung der Lasten wird je nach Größe der Elemente durch eine entsprechende Verankerung an der bestehenden Tragstruktur gesichert (abgehängt – angehängt – aufgestellt – eingestellt). Die Holzrahmenelemente können entweder vor einer massiven Bestandsfassade montiert werden oder eine vorher demontierte Fassade ersetzen. Die leichten TES-Elemente ermög-
lichen auch die Aufstockung von Bestandsgebäuden mit mehr als einem Stockwerk. In zwei weiteren Forschungsprojekten wurden die Möglichkeiten untersucht, die TES Energy Façade durch den Ein-
satz von effizienten Dämmstoffen zu verschlanken (Smart TES) und die Industrialisierung des bisher noch handwerksdominierten Konstruktionsprinzips voranzutreiben (E2ReBuild).
Beteiligte
Bauherr:
WBG Wohnbaugesellschaft der Stadt Augsburg GmbH, www.wbg-augsburg.de
Architekt: lattkearchitekten BDA, 86150 Augsburg, www.lattkearchitekten.de
Fachplaner/Fachingenieure
Tragwerksplaner:
bauart konstruktions GmbH, 80796 München, www.bauart-konstruktion.de
Haustechnik: IB Ulherr, 86156 Augsburg, www.ib-ulherr.de
Elektroplanung: IB Rebholz, 86154 Augsburg, www.rebholz-ingenieure.de
Holzbau: Gumpp & Maier, 86637 Binswangen, www.gumpp-maier.de
Energiekonzept
Fassadensanierung mit  TES Energy Façade
Außenwand: Wechselfalzschalung, Unterkonstruktion, Konstruktionsvollholz/ Zellulosefaser 160 mm, OSB-Platte 10 mm, Ausgleichsebene 50 mm, Bestand: Außenputz 10−20 mm, MW/Stb 250/365 mm, Innenputz 10−20   mm
Fenster: Holzfenster 3-fachverglast mit Nachströmöffnung, Aludeckschale
Dach: Dachabdichtung bituminös 5 mm, Bestand: Dachabdichtung 5 mm, Wärmedämmung Polyurethan-Hartschaum 120 mm, Stb.-Decke 170 mm
Kellerdecke: Stb.-Decke 160 mm (Bestand), Wärmedämmung 120 mm
Gebäudehülle:
U-Wert Außenwand = 0,11 W/(m²K),
U-Wert Bodenplatte = 0,24 W/(m²K), U-Wert Dach = 0,22 W/(m²K), Uw-Wert Fenster = 1,0 W/(m²K),
Ug-Wert Verglasung = 0,7 W/(m²K),
Ug-total (mit Sonnenschutz) = 0,98 W/(m²K),
Luftwechselrate n50 = 1,4/h
Jahresheizwärmebedarf = 25,3 kWh/m²a, vorher 115,5 kWh/m²a
Haustechnik:
Lüftungskonzept mit feuchtegesteuerter Abluftanlage, Heizkonzept mit zentraler Pellets-Heizanlage (2 Heizkessel á 60 kW) mit zentraler Warmwasserbereitung
Hersteller
Fassadentafeln:
Gumpp & Maier GmbH, 86637 Binswangen, www.gumpp-maier.de
Dämmung: Isocell GmbH, A-5202 Neumarkt am Wallersee, www.isocell.at
Anstrich: Lignosil, KEIMFARBEN GmbH, 86420 Diedorf, www.lignosil.de
Dachabdichtung: Dachsysteme Bauder, 70499 Stuttgart, www.bauder.de
Fenster: Holz-Alu-Fenster, Unilux GmbH, 54528 Salmtal, www.unilux.de
Rollladen: ROMA Pento P, Roma KG, 89331 Burgau, www.roma.de
Sonnenschutz: Warema EA A6 AS, Warema Renkhoff SE, 97828 Marktheidenfeld, www.warema.de
Profilglaselemente: ProfilitTM, Pilkington DE Bauglasindustrie GmbH, 66839 Schmelz, www.pilkington.com
x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 11/2015

Bauen mit Holz – alles ist möglich Dipl.-Ing. Frank Lattke, lattkearchitekten, Augsburg zum Thema „Holz“

In den letzten Jahren hat sich der Holzbau in Europa rasant entwickelt. Weitgespannte Tragwerke, großvolumige mehrgeschossige Bauten oder das Bauen im Bestand mit Erweiterungen, Aufstockungen und...

mehr
Ausgabe 11/2015

Keep it simple and stupid Bürogebäude, Augsburg

Eine grüne Lunge, Gewerbeflächen und Wohnungsbauten: Der rund 96?ha große Sheridan-Park ist die größte Konversionsfläche der Stadt Augsburg. Seit 2006 füllt sich das von den US-Streitkräften...

mehr

Bauen mit Holz boomt

10. RENEXPO® - Kongress vom 24. bis 26. September 2009, Augsburg

Eine gute Möglichkeit, sich über alle konstruktiven und energetischen Fragen des Holzbaus zu informieren, bietet der Kongress „Greenbuilding: Bauen mit Holz“, der am 25. September 2009 im Rahmen...

mehr
Ausgabe 12/2012

E2volution – Modulkonzept für einen kostenoptimierten Holzbau

Die südfinnische Stadt Kouvola mit ca. 90?000 Einwohnern ist vom Rückgang der finnischen Papierindustrie hart betroffen. Auf der Suche nach Nutzungsalternativen des jährlichen Überschusses am...

mehr

Zehn Preise - zehn Besondere Anerkennungen

Deutscher Bauherrenpreis Modernisierung 2013 in Berlin verliehen

Am 18. September 2013 war es wieder einmal so weit, dann wurden die Preise des Wettbewerbs zum Deutschen Bauherrenpreis 2013 in der Kategorie Modernisierung verliehen. Unter dem Vorsitz von Prof....

mehr