Erstes Satteldach

Volksbank von Stephan Braunfels in Gifhorn eröffnet

Ganz am Rande, nach Dollbergen, Dedenhausen, Meinersen und Leiferde kommt die Kreisstadt Gifhorn, in Niedersachsen, bei Braunschweig und am südlichen Rand der Lüneburger Heide. Dort sind die Dächer der Bürgerhäuser Walmdächer oder spitzer Sattel, und die der Gewerbebauten in Randlage flach wie überall sonst. Rot sind die Dächer, etwa so rot, wie die beiden der örtlichen Volksbank, die in der vergangenen Woche eröffnete. Nichts Besonderes könnte man meinen, gäbe es nicht bereits ein paar Volksbanken in dieser Republik, die städtebaulich wie architektonisch mehr sind, als das Übliche. In Gütersloh steht eine solche (Turkali Architekten), in Dortmund demnächst (Gerber Architekten), und nun eben in Gifhorn. Hier zeichnet das Berliner Büro von Stephan Braunfels verantwortlich, Braunfels hatte den Einladungswettbewerb im Jahr 2009 gewonnen.

Neben aller innerräumlichen Flexibilität und solider Details (trotz des – bezogen auf das Volumen – knappen Budgets), ist auch hier wieder der städtebauliche Ansatz die wesentliche Leistung. Braunfels antwortet mit seiner giebelständigen Neuinterpretation der historischen Parzellierung und Gebäudeausrichtung auf die im letzten Jahrhundert vielfach vorgenommene Neuausrichtung der alten Ackerbürgerhäuser, die jetzt traufständig und meist lückenlos den Straßenraum schließen. An einen zentralen Gelenkpunkt, eine verglaste Rotunde mit dem von der Bank so genannten „Marktplatz“ auf Erdgeschossniveau, lagern sich zwei langgestreckte, unterschiedliche hohe Baukörper in West-Ost-Richtung an. Im niedrigeren, nördlichen Riegel sind die Repräsentations- und Besprechungsräume sowie der große Veranstaltungssaal im Dach untergebracht, die Mehrzahl der Büros finden sich im Südriegel. Die Reduktion des Ensembles auf die, wie Stephan Braunfels sagt, wesentlichen Elemente der historischen Vorbilder, also Giebel, Dachhaut und Gasse, soll nach Auskunft des Architekten dennoch einen „dramatischen Kontrapunkt“ zur eher monotonen Nachkriegsbebauung der Nachbarschaft ergeben. Das kann man so sehen, die elegante Rückführung historischer Typologie auf elementare Bilder ist gelungen, der Neubaukomplex fügt sich ein und überrascht zugleich.

Für denjenigen, der den Architekten Braunfels länger schon begleitet, ist die Dachform die größte Überraschung. Der bekennende Flachdach-Apologet (seit seinem vierten Lebensjahr, so geht jedenfalls die Legende, verfolge ihn das Ideal des „modernen“ Daches) hat hier sein erstes Satteldach abgeliefert. Und mit Blick auf die weiteren Entwicklungen des Büros und möglichen Neuorientierungen gen Osten wird das nicht die letzte Überraschung sein, die der Architekt der Pinakothek der Moderne oder der Abgeordneten-Bauten in Berlin für uns bereit hält. Solche Sachen gehen einem durch den Kopf auf der Rückreise mit der Bahn in die Welt, mit Halt in Leiferde, Meinersen, Dedenhausen und Dollbergen. Be. K.

(Mehr dazu in einem Interview mit Braunfels in der März-Ausgabe der DBZ).

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