IN SERIE, Nachfolgeregelung im Büro, Teil 2 /2

Einfach die Tür zumachen, geht nicht. Die Nachfolgeregelung ist wichtig
Wie ein Frankfurter Architekturbüro seine Zukunft als Marke in einem Konzern sichert.

Es geht um das „Lebenswerk“ ebenso wie um die Verantwortung für die Mitarbeiter und die Bindung langjähriger Kunden. Dennoch versäumen nicht wenige Architekturbüroinhaber, ihre Nachfolge zeitig zu regeln. Der Frage, was dabei von zentraler Bedeutung ist, ging der Beitrag aus der DBZ 07|2017 auf den Grund. Im zweiten und abschließenden Teil beschreiben wir einen Weg der Nachfolgeregelung, der sehr speziell, aber deutlich im Kommen ist.

„Nachfolger für Planungsbüro gesucht!“, so begann der Beitrag in der letzten DBZ zum Thema Nachfolgeregelung im Architektur- / Ingenieurbüro. Dort wiesen unsere Autorinnen, Isabella Göring, Geschäftsführerin der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen (AKH) und Leiterin der Akademie und der Managementberatung der AKH, sowie Nina Issel, zuständig für die Konzeption von Weiterbildungs- und Beratungsangeboten in der Managementberatung und mitverantwortlich für die Kommunikation der Akademie der AKH, darauf hin, dass „auch eine Übernahme durch ein Unternehmen […] eine denkbare Variante [ist].“ Im Weiteren schreiben sie: „In Teilen international agierende Unternehmensgruppen im Bereich Planen und Bauen suchen vermehrt nach Expertise für ihr Konzern-Portfolio. Das könnte gerade für Büros mit einem speziellen Tätigkeitsschwerpunkt und entsprechendem Renommee eine attraktive Option für eine erfolgreiche Übertragung sein.“

Tatsächlich erscheint dieser Weg einer Nachfolgeregelung auf den ersten Blick exotisch zu sein, doch mit Hilfe von Christof Bodenbach, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktion DAB Hessen, fanden wir ein Beispiel: ein sehr anschauliches und möglicherweise einmaliges. Immerhin ergaben Recherche und ein längeres Gespräch mit allen Beteiligten vor Ort, dass eine solche Lösung auch auf anderem Niveau, in anderem Rahmen, zu ganz anderen Bedingungen für viele Büros eine Lösung sein kann. Der Markt jedenfalls ist hier lebendig und durchaus in Bewegung, gerade in Deutschland.

Jo. Franzke Architekten, Frankfurt a. M., sucht Nachfolger

Auf die Frage, wann Jo. Franzke zum ersten Mal darüber nachgedacht hat, wie er die Zukunft seines Architekturbüros für die Zeit plane, in der er nicht mehr könne oder wolle, kam die Antwort: „Ich habe mich mit 45 Jahren erst relativ spät selbstständig gemacht. Deshalb habe ich auch erst mit 60 an die Nachfolge gedacht.“ Aus Sicht derjenigen, die sich beratend mit dem Thema befassen, ist es tatsächlich ein später, mit Blick auf die Praxis eher ein ungewöhnlich früher Zeitpunkt. Einen konkreten Anlass für die Überlegungen gab es nicht, aber Franzke wollte „nicht so enden wie etliche renommierte Kollegen, die einfach die Tür zumachen.“ Das hält er, mit Blick auf die zum Teil jahrzehntelange Zusammenarbeit mit den Kollegen, die aus seiner Sicht auch für den Erfolg des Büros stehen, für unverantwortlich.

Seine ersten Überlegungen betrafen – und das ist sicherlich der naheliegendste Weg – mögliche Kandidaten im Büro selbst. Tatsächlich bezog Jo. Franzke auch die leitenden Mitarbeiter in seine Nachfolgeüberlegungen mit ein, doch das scheiterte. Jeder wollte, so der Architekt im Gespräch, Verantwortung übernehmen, aber „eine Übernahme ist auch mit Geld verbunden.“ Ein Bauherr, mit dem das Büro seit 20 Jahren sehr eng zusammenarbeitet, brachte schließlich den Hinweis auf die Lösung, die im letzten Jahr unterschriftsreif war und vollzogen wurde: Die Sweco GmbH, eingebunden in das international tätige Unternehmen Sweco AB mit Hauptsitz im schwedischen Stockholm, kaufte die Firma „Jo. Franzke Architekten“, heute aus rechtlichen Gründen „Jo. Franzke Generalplaner GmbH“. Jo. Franzke selbst ist jetzt „Senior Advisor“ und hat damit, wie er erzählt, eine Position inne, die seine Berufung zum Architekten auf eine höhere Ebene gehoben hat: Befreit von allen administrativen Dingen, kann er sich nun ganz dem Entwurf, der Akquise, den Bauherrengesprächen widmen. „Er sei nun“, fügt Ina Brandes, Geschäftsführerin der Sweco GmbH hinzu, „das ästhetische Gewissen“.

Zentrale Bestandteile der Verhandlungen waren der Kaufpreis, eine Konsolidierung der Bürofinanzen und der Fortbestand des
Büros, das 2016 sein 30-jähriges Bestehen feiern konnte.

Marke verkaufen, Marke erhalten

Sweco hat mit der Übernahme von Jo. Franzke Architekten auch ein Label, eine Marke gekauft. Wie kann der Gründer sicher sein, dass der Kern des Büros, seine Philosophie und seine Reputation, durch den Verkauf nicht verloren gehen? Das ist vertraglich nicht abzubilden, zumal die Vorstellungen des Bürogründers Franzke hier ganz besondere sind. Nach seinem Verständnis entsteht eine Marke überhaupt erst, „wenn Talent, ziemlich viel Eitelkeit auf der einen und Freundlichkeit seitens der Öffentlichkeit zusammenkommen.“ Ob das aber nach einer Übergabe über Jahrzehnte Bestand haben kann? Es kann. Jo. Franzke verweist auf die großen Traditionsbüros wie KSP oder HPP, bei denen das gelungen sei. Auch ein Architekturbüro könne ein Traditionsunternehmen werden wie Mannesmann oder Mercedes.

Die Bedingung war: ästhetisches Gewissen sein und bleiben

Dass Jo. Franzke nach der Übernahme das ästhetische Gewissen des Architekturbüros sein sollte, war, so Ina Brandes, Bedingung in der Vertragsaushandlung: „Er soll an Bord bleiben und die Überleitung des authentischen Franzke-Geistes an die folgende Generation begleitend lenken.“ Vertraglich ist kein Zeitraum festgelegt: „Wir wünschen uns sehr, dass das noch eine Weile so ist.“

Jo. Franzke sieht diese Bedingung als eine Anerkennung seiner Leistung. Er möchte das, was das Büro in den öffentlichen Raum gestellt hat und das dort „hoffentlich die nächsten hundert Jahre noch Bestand hat“, auch in den kommenden Jahren verantworten.

Urheberrecht

Angesprochen auf mögliche Unschärfen das Urheberrecht betreffend, verweist Jo. Franzke darauf, dass natürlich alles, was Jo. Franzke Generalplaner realisieren, urheberrechtlich beim Büro bleibe. Mit Blick in eine weiter entfernt liegende Zukunft sei allerdings nicht ausgeschlossen, dass in dieser Zeit realisierte Projekte urheberrechtlich Sweco zuerkannt werden.

Architektur- und Bauingenieurgesellschaft sucht …

Mit dem Zukauf der Firmen „Jo. Franzke Architekten“, nun firmierend als Generalplaner, und „Ludes Generalplaner GmbH“ im letzten Jahr öffnete sich die Sweco GmbH in Deutschland als bis dahin reine Ingenieurgesellschaft auch dem dezidierten Architekturgeschäft. In der Vergangenheit hatte die Sweco GmbH, so Ina Brandes, nicht in erster Linie Marken gekauft, sondern Kompetenz, Referenzen, Netzwerke. Das passiere im Moment etwa zweimal im Jahr, was angesichts der Größe der Sweco in Deutschland und Europa finanziell keine ganz große Herausforderung sei. Die Zukäufe seien in Deutschland auch möglich, weil die Bürolandschaft noch stark fragmentiert ist. In allen anderen europäischen Ländern sei der Markt bereits seit Mitte der 1970er-Jahre konsolidiert, so Ina Brandes. Bei den meisten Zukäufen ginge es um den Erwerb von Kompetenz. Bei der Übernahme von
Jo. Franzke Architekten habe die Sweco dann sehr gezielt eine „bestimmte Ästhetik und ein besonderes Qualitätsversprechen“ erworben. Zudem besäße das Büro eine integrierende Planungskultur, die man, wie Ina Brandes ausführt, in den meisten deutschen Büros immer noch vergeblich suche. Sie weist darauf hin, dass auch andere große Unternehmen Zukäufe strategisch planten, meist seien das große internationale Ingenieurbüros, die ihr Architekturprofil entwickeln wollten.

Kommunikation

Die Kommunikation des Verkaufs ist nicht allein für Sweco ein großes Anliegen, fügt Ina Brandes hinzu, schließlich habe man mit Jo. Franzke Architekten eine Marke erworben, die ihren eigenen Marktwert und damit einen Gewinn für Sweco mitbringe. Heike Klotz, Geschäftsführerin Jo. Franzke Generalplaner, ergänzt, dass eine offene Kommunikation auch deswegen wichtig sei, weil der Verkauf natürlich Unsicherheiten am Markt provoziert habe, denen man offensiv habe begegnen müssen. So hätte sich mancher Partner über den „Generalplaner“ gewundert. Heike Klotz dazu: „Aber denen habe ich gesagt: Keine Angst! Wir sind zwar von Sweco gekauft, aber wir sind kein Papiertiger, es geht weiter.“

Natürlich ist auch die Kommunikation nach innen sehr wichtig. Tatsächlich hatten in den letzten Jahren Mitarbeiter das Büro verlassen, weil aus ihrer Sicht der Chef in die Jahre gekommen war. „Von den zehn neuen Mitarbeitern, die wir in den letzten Monaten eingestellt haben, sind acht Heimkehrer“, betont Ina Brandes. Sweco gebe nun die wirtschaftliche Sicherheit eines Konzerns, die ein einzelner Unternehmer möglicherweise nicht geben könne.

Der Vertrag

Um ein Büro dieser Größe zu kaufen und die Benchmarks zu definieren, die eine Kontinuität der Marke Jo. Franzke für zumindest einige Jahrzehnte sichert, bedarf es zig Seiten Papier und hunderter Vertragsklauseln – dachte der Autor. Es sind aber nur 15 Klauseln. „Im Vertrag“, so Ina Brandes, „kann man solche Dinge überhaupt nicht regeln! Wenn Sie soweit sind, dass Sie in den Vertrag schauen müssen, ist alles verloren. Wir betreiben ein Personengeschäft, das auf Vertrauen beruht.“

Renommierte Büros klopfen an

Danach gefragt, ob denn auch renommierte Architekturbüros bei Sweco anklopfen, um mögliche Übergaben zu besprechen, antwortet Ina Brandes überraschend, dass das nicht selten vorkomme, „so einmal in der Woche ungefähr“. Pro Jahr werden Sweco rund 100 Büros angeboten, etablierte Büros mit gutem Auftragsbestand. Hier sei Sweco interessiert, aber – so Ina Brandes – nicht vordringlich an Marken, sondern an Kompetenz auf zukunftsträchtigen Arbeitsfeldern im Hochbau.

Institutionelles Handeln

Der erste Text aus dieser Reihe (DBZ 07|2017) deutete es bereits an: Die Kammern unterstützen bei der Suche nach Nachfolgern. Aktuell, so Christof Bodenbach, Öffentlichkeitsarbeit AKH, bringt die Managementberatung der Kammer sogar aktiv die Architekten zusammen, die übergeben bzw. übernehmen wollen. Dabei gibt es im Vorfeld ein Matching der Parameter, um unsinnige Verhandlungen zu vermeiden. Doch selbst bei einer 99-prozentigen Übereinstimmung auf der Parameterseite ist der persönliche Aspekt der entscheidende: Ähneln sich die Firmenkulturen nicht, ist eine Nachfolgeregelung zwischen ihnen aussichtslos. Be. K.

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