Boutique M. Sandberg, Wien/A

Ein Plädoyer für Farbe und Form
Boutique M. Sandberg, Wien/A

Wer die Wiener Innenstadt rund um den Lug-­eck nach einem Seelentröster für das von der Wirtschaftkrise gestresste Gemüt durch­-kämmt, wird höchstwahrscheinlich am Schau-­fenster des Herrenausstatters M. Sand­berg stehenbleiben. Der Shop fällt ausf.
Aus alt mach neu
Nachdem sich die Inhaber entschieden hatten, ihr Sortiment ausschließlich auf junge Herrenmode umzustellen, wurde der Verkaufsraum einer radikalen Verjüngungskur unterzogen. Ziel war es, den neuen Modestil durch ein Lifting des Innenraums dem modernen, auch noch so modemuffeligen Mann schmack­-haft zu machen. Mit dieser anspruchsvollen Aufgabe wurde das Wiener Büro Albertoni Architektur.Design beauftragt.
Als die Architekten mit der Planung begannen, fanden sie eine lange, schmale Fläche von knapp 22 x 8 m vor. Sie nutzten diese geschickt. Der Eingangsbereich öffnet sich dem Kunden in seiner gesamten Breite und bietet eine großzügige Verkaufsfläche, mit Kassenbereich und freistehenden Präsentationsmodulen. Im hinteren Bereich wird der Raum schmaler, dort befinden sich die Nebenräume wie Büro, Lager, Küche und WC.
Auch der aus zwei Kabinen bestehende Umkleidebereich ist im hinteren Teil des Shops zu finden Diese Kabinen haben jeweils eine feste, zum Lagerraum gehörige Wand. Die restlichen Seiten bestehen aus hellem Vorhangstoff, der als Sichtschutz dient. Die Umkleiden erinnern an futuristische Lichtsäulen à la Raumschiff Enterprise. Über jeder einzelnen befindet sich eine Deckenaussparung mit integrierter Lichtinstal­lierung. Durch die Beleuchtung und den hellen Vorhangstoff, scheinen die Umkleidebereiche zu schweben.
Grün und gebogen
Bei der Gestaltung der Möbelstücke und Wände legten die Architekten Wert auf das Individuelle. Die Rückwand des Schaufensters ist konkav gekrümmt, sie wird durch wenige Öffnungen durchbrochen, so kann man nur erahnen, wie es im Inneren des Shops aussieht.
Die freistehenden Präsentationsmodule im Verkaufsraum nehmen den konkaven Bogen aus dem Schaufenster wieder auf. Sie beinhalten Aufbewahrungsschubladen, die mit Spiegelfronten versehen wurden. In die Oberfläche der Tresenmöbel sind horizontale Glasvitrinen integriert, die als Verkaufsfläche für Uhren oder Schmuck verwendet werden können. Mit Hilfe dünner Stangen, ähnlich wie bei einem Wäscheständer, sind Aufhängemöglichkeiten zur Präsentation weiterer Accessoires wie Schals oder Gürtel geschaffen worden. An drei Wänden des Shops sind Regale aus grün lackiertem Stahl angeordnet. Mal in zweier, dreier oder in vierer Reihen übereinander, manchmal tanzt auch ein Einzelnes aus der Reihe. Die Regale sind ebenfalls konkav gekrümmt und erinnern ein wenig an Schneeschaufeln. Sie basieren auf der Kombination von Hängestangen und Fächern. Die Architekten haben dafür einfach die Regalflächen mit Langlochstanzungen versehen. Die Aussparungen in der Stahlfläche ersetzen die typischen Hängestangen und bieten den Vorteil, die Ware in direkter Kombination dar­stellen zu können.
Zur sicheren Verwahrung wertvoller Modestücke haben die Architekten eine Glasvitrine entwickelt. Dafür wurden Regale an der Wand mit Glasscheiben umhüllt, die die Ware vor Berührung schützen sollen. Der untere Teil der Vitrine besteht aus einem wiederverwertetem Steintisch, der mit Schubladen versehen wurde. Dieser stammt noch aus dem Bestand des alten Shops.
Beleuchtung
Die Verkaufsfläche verfügt, bedingt durch den schmalen Grundriss, nur über sehr wenig natürliches Licht, welches bei weitem nicht zur Präsentation der Ware ausreicht.
Der Shop ist in helle und dunkle Zonen strukturiert. Die Aufmerksamkeit des Kunden wird mit Hilfe dieses Tricks auf die Ware gelenkt. Die Wahl des richtigen Leuchtmittels ist dabei ein wesentlicher Bestandteil des Lichtkonzepts. Bei einem Bekleidungsgeschäft muss besonderes Augenmerk auf die unverfälschte Farbwiedergabe gelegt werden. Für diesen Zweck wurden Halogen-Metalldampflampen gewählt, die sich auch durch ihre Wirtschaftlichkeit auszeichnen. Die Leuchten befinden sich in einem architektonisch reduzierten Deckenlichtkanalsystem, in dem verstellbare Strahler angebracht sind. Somit kann das Lichtkonzept bei einer Umdekorierung des Shops, z. B. für eine neue Kollektion, den veränderten Bedingungen angepasst werden.
Die Optik des Leuchtenkonzept wird zusätzlich durch Doppelkugelleuchten im Retrodesign originell aufgewertet. Diese stammen aus der Zeit vor dem Umbau des Herrenmodegeschäfts. Sie sind entlang einer Achse angeordnet, die vom Eingang bis zu den Umkleidekabinen reicht. Die Glaskugeln wurden technisch auf den neuesten Stand gebracht und mit modernen Leuchtmitteln ausgestattet.
Das richtige Lichtkonzept ist eines der wichtigsten Mittel, Kunden in den Shop zu locken und zum Kaufen zu animieren. Deshalb haben die Architekten sehr eng mit den Lichtplanern zusammengearbeitet.
Herausgekommen ist ein überraschend farbenfrohes Shopdesign, das neongrüne Möbel und Regale mit bronzefarbenen Wänden kombiniert. Die Entscheidung für provokante Farben und ein individuelles Design ist mutig. Jedoch sind Ideen wie diese in einem Concept Store sicher einfacher umzusetzen als in Planungen für große Monomarkengeschäfte wie z. B. C&A und Benetton. Diese müssen weltweit funktionieren und lassen den Shopplanern meist wenig Spielraum für mutige Kreativität. Annika Frey, Gütersloh
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