Effizienzhaus Plus – Mit Plusenergie
zum klimaneutralen Bauen

Das Forschungsnetzwerk für einen neuen Baustandard

Bis 2050 wird in Deutschland ein klimaneutraler Gebäudebestand angestrebt. Ein ehrgeiziges Ziel, wenn man bedenkt, dass der Gebäudesektor 2010 für fast 40 % des hiesigen Energiebedarfs verantwortlich war. Zwar wird in Deutschland schon seit der ersten Wärmeschutzverordnung an energiesparenden Bauweisen gearbeitet, mit den ersten Nullenergiehäusern schien zur Jahrtausendwende jedoch das Ende der Fahnenstange erreicht. Selbst unter der Annahme, dass zukünftig alle Neubauten dieses Niveau erreichen, ließe sich flächendeckend keine Klima-neutralität umsetzen, da es im Bestand immer Gebäude geben wird, deren Verbräuche sich nicht soweit senken lassen. Um sich einer ausgeglichenen Bilanz anzunähern, muss daher ein Weg gefunden werden, Häuser zu errichten, die mehr erneuerbare Energie erzeugen, als für ihren Betrieb notwendig ist.

Bereits 2007 und 2009 wurden mit den Beiträgen der TU Darmstadt zum „solar de-cathlon“-Wettbewerb von der Forschungsinitiative Zukunft Bau zwei Arbeiten unterstützt, die diese Prämisse erstmals in gebaute Realität übersetzten und das Potential der Idee „Plusenergie“ deutlich machten. 2011 lobte dann das damalige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) einen Wettbewerb für ein Demonstrationsgebäude aus, das übers Jahr betrachtet einen deutlichen Energieüberschuss erwirtschaften sollte. Mit seiner Einweihung in Berlin im Dezember 2011 startete ein umfangreiches Forschungsprogramm mit dem Ziel, Grundlagen für die Verbreitung der Plusenergiebauweise zu schaffen. Dabei ging es um die Entwicklung eines technologieoffenen und allgemein anwendbaren Ansatzes für klimaneutrales Bauen. Mit dieser Vorgabe wurde die bislang anspruchsvollste Definition eines Gebäudestandards entworfen: der Effizienzhaus Plus Standard. Er ist erreicht, wenn sowohl ein negativer Jahres-Primärenergiebedarf als auch ein negativer Jahres-Endenergiebedarf vorliegen. Alle Bedingungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) sind einzuhalten. Die Anforderungen können auf ganz unterschiedliche Weise umgesetzt werden.

Mit dem 2012 vom BMVBS aufgelegten Förderprogramm sollten Bauherren dabei unterstützt werden, ihre Wohngebäude als Effizienzhäuser Plus zu errichten und damit den neuen Standard deutschlandweit einzuführen. Ideen, Technologien und Materialien sollten so schneller den Weg in die Praxis finden. Auf diese Weise entstand das Netzwerk Effizienzhaus Plus, das mittlerweile aus über 100 Partnern aus allen Bereichen des Bau-wesens besteht und vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- Raumforschung (BBSR) im Auftrag des Bauministeriums fachlich begleitet wird. Bisher wurden bzw. werden 37 Projekte einem intensiven Monitoring unterzogen. Darüber hinaus erfolgt eine technische Querauswertung aller Ergebnisse, bei der die wesentlichen Leistungsdaten wie Heizenergieverbrauch, Stromverbrauch und Strom­gewinnung, Erneuerbare-Energien-Eigen­nutzungsgrad und Primärenergieverbrauch sowie Behaglichkeitsparameter bewertet werden. In einer sozialwissenschaftlichen Begleitforschung wird zudem untersucht, wie die Bewohner die Gebäude nutzen und erleben.

Messbare Ergebnisse – Prognosen, Monitoring, Kosten

Gut fünf Jahre nach dem Start des Forschungs- und Modellprogramms, das nunmehr unter Federführung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) geführt wird, liegen zahlreiche Erkenntnisse zum Bauen und Wohnen im Effizienzhaus Plus Standard vor. Die geförderten Bauvorhaben sind seitdem Schritt für Schritt anspruchsvoller geworden: Nach freistehenden Einfamilienhäusern sind nun auch große innerstädtische Geschosswohnungsbauten und Sanierungen von Bestandsbauten der 1930er-Jahre im Effizienzhaus Plus Standard vertreten. Die Forschungsaufgaben im Effizienzhaus Plus Bereich sind noch längst nicht erschöpft, wie neue Projekte der Forschungsinitiative Zukunft Bau im Bereich der Quartiersvernetzung und die aktuell anhand von Bildungsbauten durchgeführte Übertragung des Effizienzhaus Plus Ansatzes in den Nichtwohnungsbau zeigen.

Von den Gebäuden im Netzwerk haben mittlerweile 24 ein 2-jähriges Messprogramm absolviert, fünf befinden sich im zweiten Messjahr und acht weitere am Anfang der Evaluation. Klar erkennbar ist die Tendenz, dass die Ergebnisse im zweiten Jahr positiver ausfallen als im ersten. Zurückzuführen ist dies auf die aufgedeckten Optimierungspotentiale. Bislang konnte bei 18 Gebäuden eine positive Energiebilanz nachgewiesen werden.

Im Vergleich zu der prognostizierten Energieperformance zeigt sich, dass in der Praxis vor allem im Bereich von Haustechnik und Haushaltsstrom etwas höhere Energieverbräuche anfallen. Standardwerten sollte daher nicht blind vertraut werden. Vielmehr sollte bereits in der Planung eine möglichst realistische Abschätzung des Bedarfs erfolgen. Nur wenn derartige Parameter angemessen berücksichtigt werden, können die jeweiligen Anlagenkomponenten wirklich effizient ausgelegt werden.

Erstaunlich nah an den Prognosen liegen dagegen die Stromerträge, die bei allen Gebäuden im Netzwerk hauptsächlich durch Photovoltaik-Anlagen generiert werden. Durchschnittlich lässt sich bei einem Haus mit einer Gebäudehülle im KfW 55 Standard mit einer PV-Fläche von 0,5 m² pro m² Wohnfläche in der Jahresbilanz ein Überschuss erzielen.

Erfreulich entwickeln sich auch die Investitionskosten: Waren bei den ersten Projekten durchschnittlich noch 230–325 €/m² Nutzfläche an Mehrkosten gegenüber einem Haus im EnEV-Mindeststandard nötig, so lässt sich der Effizienzhaus Plus Standard mittlerweile mit durchschnittlich 185–260 €/m² Mehrkos-ten realisieren. Dank der Energiekosten-Einsparung ist das Effizienzhaus Plus damit im Bereich der Wirtschaftlichkeit angekommen. Und es wird weiter daran gearbeitet, die Erstinvestitionskosten  zu senken. Würden 15 % aller Neubauten und Sanierungen als Effizienzhäuser Plus ausgeführt, ließen sich einer Hochrechnung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik zufolge über 10 Mio. t CO2 einsparen.

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