Der verdammte Baumeister
Bogdan Bogdanovic: Ausstellung und Wiederentdeckung

Das Az W widmet ihm eine Ausstellung, und Reinhard Seiß einen ganzen Film. Mit dem Film (Anton Pustet Verlag, Salzburg: „Architektur der Erinnerung“, 29,90 €) könnte man beginnen, dem „verdammten Baumeister“ Bogdanovic zu begegnen, wahrscheinlich zum ersten Mal. Denn der 1922 in Belgrad geborene Architekt, Urbanologe, Essayist und Schriftsteller ist weit gehend unbekannt, aber: er lebt noch. Und so ist es ein wahrer Glücksfall für uns Unwissende, dass Seiß ihn und sein Werk vor die Kamera holen konnte und ihn erzählen lässt zwischen den schönen, ruhig fließenden Bildern, die Seiß von seinen Bauten des Erinnerns gemacht hat; von der Zeit damals, als er noch der führende Denkmalarchitekt des ehemaligen Vielvölkerstaates Jugoslawien war. Zwischen 1951 und 1988 realisierte Bogdanovic in vielen
Teilen des ehemaligen Jugoslawiens über zwanzig Gedenkstätten für Opfer des Faschismus und für antifaschistische Kämpfer. Es sind Antidenkmale, deren Poetik und reine Architektur derart provozieren, dass sie mittlerweile in ihrem Bestand bedroht sind; und das nicht allein durch dumpfsinniges Vandalentum; seine „Verdammung“ 1993 durch Slobodan Miloševic zog eine Brandmarkung nach sich, deren Signatur das
Hakenkreuz ist.

Von Seiß sehr persönlichem Film eingestimmt, könnte, ja sollte man sich ins Az W aufmachen, um hier angesichts der Präsentation einer Auswahl der mehr als 12 500 Werke der Bogdanovic-Sammlung die Arbeits- und Denkweise des „Architekturesoterikers“ nachvollziehen zu können; oder um einfach an einem Gedanken- und Werkkosmos teilzuhaben, den es in dieser Zuspitzung und Eigenständigkeit kaum noch gibt in der aktuellen Architektur. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog, der in der April-Ausgabe besprochen wird (Bogdan Bogdanovic. Memoria und Utopie im Tito-Jugoslawien. Wieser Verlag, Klagenfurt). Heinrich Lee

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