„Das Make-Up der Architek­tur wird räumlich-funktional“

Christian Langenhövel und Michael Iking zum Thema „Glas“

Ornament - ja oder nein? Diese Frage beschäftigt die Architektenschaft seit über 100 Jahren. Doch was, wenn das Ornament nicht als bloße Dekoration, sondern als Raum selbst verstanden wird? Mit dieser Aufgabe beschäftigten sich Christian Langenhövel und ­Michael Iking in ihrer Masterthesis.


Sie haben ein Raumbildendes Ornament entworfen. Erläutern Sie bitte das Konzept.

Es wurde der Versuch angestrebt, das Ornament, den Schmuck der Architektur und der bildenden Kunst, aus seiner Zweidimensionalität oder vielmehr aus seiner Flächigkeit ins Dreidimensionale bzw. Raum­bildende zu übersetzen. Somit entsteht ornamentaler Raum, der die Architektur gestaltet. Das „Make-Up“ – die „Haut“ der Architektur – wird räumlich-funktional und behält hierbei seine schmückenden Qualitäten auf andere Weise. Das Ornament soll also nicht, wie in der direkten Übersetzung, schmücken oder dekorieren, sondern räumlich gestalten. Dieser konzeptionelle Gedanke basiert auf einer vorangegangenen, umfangreichen Analyse, welche das Ornament thematisch auf seine bau- und kunstgeschichtlichen, gesellschaftlichen und kulturellen, städtebaulichen und geografischen Eigenschaften untersucht hat.


Welche räumlichen Qualitäten waren Ihnen wichtig und mit welchen Mitteln wollen Sie diese erreichen?

Unser Ziel war es, eine Architektur zu entwickeln, deren Räume sich vollständig aus dem schmückenden Charakter des Ornamentes bilden und die dennoch nutzbar und baubar bleibt. Im Umkehrschluss soll also nach dem „Loos´schen Gedanken“ ein Ornament entwickelt werden, welches vollkommen auf Architektur verzichten kann, da es aus sich heraus bereits nutzbare Architektur ist.

Adolf Loos beschreibt in seinen Theorien (Ornament und Verbrechen), dass auf das Ornament vollständig verzichtet werden kann bzw. muss, da die reine und klare Architektur der eigentliche Schmuck, d.h. das eigentliche Ornament ist. Dementsprechend verzichteten wir in unserer Thesis auf eigentliche Architektur, da das raumbildende Ornament bereits Architektur ist.

Unser Entwurf muss kein „Alleskönner“ sein. Stattdessen hat er den Anspruch, Raumqualitäten zu entwickeln und nutzbare bzw. sinnvolle Raumprogramme zu bilden. Das Raumgefüge muss nicht aus sich heraus Technik, Erschließung und Inventar im Sinne eines autarken Mobils generieren. Der Aspekt der konsequenten und konzeptionellen, skulpturalen und benutzbaren Raumbildung wird in den Fokus gerückt.


Geballte Transparenz muss meist aus Gründen des Sicht- und Sonnenschutzes wieder geschlossen werden. Was spricht trotzdem für eine Glasfassade?

Für eine Glasfassade in diesem Zusammenhang sprechen mehrere Argumente: das Entwurfskonzept – hergeleitet aus dem verformten Muster – erlaubt in seiner konsequenten Umsetzung nur zwei Materialien; ein Flächenmaterial und ein weiteres für die Schnittkanten. Als Flächenmaterial musste ein Baustoff gewählt werden, der nutzungsbedingt geschlossene und transparente Flächen erlaubt, ohne sein äußeres Erscheinungsbild entscheidend zu verändern. Dies kann mit Profilbauglas einfach erreicht werden, da man dieses Material durch Maßnahmen wie Füllungen oder Oberflächenbehandlung transluzent gestalten kann und somit einen gewissen Sicht- und Sonnenschutz erreicht.

Unser definiertes Ziel war es zudem, ein Raumbildendes Ornament zu entwerfen, welches ohne zusätzlichen Schmuck auskommt. Eine weitere Farbe oder ein anderes Material hätte die strenge und konsequente Umsetzung vom zwei- ins dreidimensionale Muster entscheidend gestört und auch nicht nachvollziehbar gemacht. Sicht- und Sonnenschutz erreicht man auch ohne den Einsatz von großflächigen, außenliegenden und damit sichtbaren Verschattungssystemen.

Die Fassade ist als Doppelfassade konzipiert, bei der die äußere Wetter-Hülle aus der Profilbauglasfassade besteht und die Klimahülle aus Dreischeiben- Isolierverglasung. Die Profilbauglasfassade ist gesandstrahlt und somit transluzent. Die Transparenz der Fassade entsteht erst durch die Drehbarkeit der Gussglaselemente. Erst wenn ­diese aus Ihrer Nullstellung in eine Position zwischen 45° und 90° gebracht werden, wird Transparenz erreicht.

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