Das Licht darin ist wahnsinnig schön …
Ein Gespräch mit Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis, Generalkommissare des deutschen Beitrags zur 14. Architekturbiennale in Venedig

Direkt vor Ort, am deutschen Pavillon in den venezianischen Giardini trafen wir die Architekten Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis. Mit ihrer beider Hilfe sollte sich im Gespräch das erschließen, was der deutsche Beitrag zur 14. Architekturbiennale theoretisch zumindest vermitteln sollte. Allerdings ist der von den Kuratoren auch so genannte und von ihnen gewollte Assoziationsraum ein weiter, und man kann sich schnell in Geschichte und Geschichten verlaufen, die sich um die hier in Szene gesetzten Architekturen ranken. „Bungalow Germania“ heisst das Projekt, das die an der ETH Zürich Lehrenden uns Besuchern als Assoziationsraum präsentieren.

Trubel, Gedränge, mediale Dichte ringsum: Wie habt ihr hier, im deutschen Pavillon, soviel Ruhe hineinbekommen?

Alex Lehnerer: Die Frage, wie wir unser Konzept, unsere Ideen an diesem Ort vermitteln, stand lange im Raum. Was machen wir als Architekten? Wir haben überlegt, wie wir mit unseren Mitteln der Architektur als Präsenzerzählung über Geschichte reden. Irgendwann war klar, dass wir auf alles, was wir hier hineingebracht haben, keine zweite Schicht an Informationen packen können. Die Idee war, dass die beiden Architekturen in ihrer Montage und Konversation miteinander ins Gespräch kommen. Und das ist gar nicht so laut geworden, wie wir am Anfang gedacht haben.

Ja, es kracht hier nicht, das scheinbar Gegensätzliche fügt sich ganz harmonisch ...

AL: Das ist das Interessante. Man erwartet vielleicht, dass diese Architekturen, die man als eine Art Diagramm vor Augen hat – hier der monumentale Pavillon und dort der flache Bungalow – sich viel antithetischer gegenüberstehen. Das tun sie auch manchmal, aber die Momente sind die spannendsten, wo sie sich fast schon harmonisch unterstützen und dabei diesen anderen, diesen dritten Raum bilden.

Was gab den Ausschlag für Pavillon und Bungalow?

AL: Es war weniger ein Muss als vielmehr ein Glück, dass wir einen von beiden schon hier hatten mit seinem Material, der Geschichte etc. Die Frage lautete also: Was stellen wir dem gegenüber? Wie kommen wir in die beiden Erzählstränge hinein, einmal die Geschichte der Republik, der Nation der letzten hundert Jahre, und die Geschichte der architektonischen Moderne? Wo gibt es hier den Moment, in dem diese beiden Geschichten zusammenkommen? Wir hatten sehr schnell diese Erinnerung an das Gebäude im Bonner Park, das wir aus dem Fernsehen kannten und mit dessen Bild wir groß geworden sind. Wir waren auf der Suche nach einem politischen Gebäude, seinem physischen Raum, aber auch seiner politischen Instrumentalisierung.

Savvas Ciriacidis: Das heißt, die Idee der Montage der beiden Gebäude war relativ schnell geboren. Und dann hat sich diese einfache Idee, die wir oft als „Einzeiler“ beschreiben, verkompliziert, erweitert und angereichert und wir lesen die eine Architektur durch die andere.

Was gibt es hier zu lesen? Eine Happy End-Geschichte vielleicht?

AL: Die Geschichte hat auf jeden Fall keine Moral. Es gibt, so wie wir darauf blicken, keine Moral der Geschichte. Wir stellen hier nicht den Guten gegen den Schlechten, und der Gute gewinnt. Das Spiel ist letztendlich unentschieden und soll es auch bleiben. Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht darum, wie diese Gebäude aufgeladen, instrumentalisiert wurden. Und es geht auch darum, zu zeigen, wie sie hier in diesem speziellen Zusammenspiel ihre Funktion als Repräsentationsarchitektur verlieren.

Wie habt ihr den Grundrissausschnitt im Bungalow gefunden?

AL: Deine Frage müssten man noch viel mehr weiten, über den Aspekt des richtigen Ausschnitts hinaus. Die Frage war eher, was wir nach Venedig mitbringen, denn wir wollten keine Totalrekonstruktion.

Nachdem der intensiven Beschäftigung mit dem Pavillon: Könnt ihr euch vorstellen, dass der Bau ersetzt, „gesäubert“ werden sollte?

SC: Für uns ist es eine absurde Idee. Die Frage stellt sich uns nicht und wir empfinden diesen Umgang mit Geschichte als eigenartig.

AL: In jedem Fall haben wir den Pavillon viel besser kennengelernt. Wir haben Spuren von Vorgängerausstellungen entdeckt. Dieses Vertrautwerden mit dem Haus als Ausstellungsort war absolut notwendig. Wer Angst hat vor dem Pavillon, sollte sich besser infor­mieren.

Gibt es neben allem auch eine emotionale Sicht auf den Pavillon?

AL: Unser Thema ist ja Architektur als kommunizierendes Medium. Hier haben wir eine Architektur, die extrem kommuniziert! Extrem aufgeladen, überansprucht, inszeniert. Das Gleiche gilt für den Bungalow, der wie ein Linse wirken soll für eine tiefere Sicht auf den Pavillon. Und umgekehrt.

SC: Das Verhältnis zum Pavillon war von Anfang an nicht neutral. Für uns ist er ein ausgezeichneter Ausstellungsraum. Die Räume haben durch ihre Ruhe, ihre Offenheit und Klarheit des Grundrisses seltene Qualitäten. Die Öffnung der Zwischendecke (als Tuchdecke) 1964 durch Eduard Trier [Kunsthistoriker und Kurator in Venedig; Be. K.] hat aus dem Pavillon eine Ausstellungshalle gemacht, die seitdem in ihrer ganzen Höhe von immerhin acht Metern wahrgenommen werden kann. Das Licht darin ist wahnsinnig schön … Der Raum mit seinen Brüchen und Spuren hat ganz spezifische Qualitäten, die wir sehr schätzen.

Wie sieht euer Projekt denn ganz praktisch betrachtet aus? Fake oder Rekonstruktion, Event oder Forschung?

AL: Das Herstellen der Bungalow-Stücke ist das eine. Das Meiste lief über die Firmen, die uns die Materialien bereitgestellt haben. Beispielsweise der Ziegelhersteller, der mit dem Neubrand des alten Ziegels exakt die ursprüngliche Farbigkeit und Haptik hinbekommen hat. Oder das Holz. Wir haben hier eine italienische Firma gefunden, die in Bonn die Furniere studiert hat, die sie wiederum in Mailand auftreiben konnte. Mit all diesen Firmen fand zunächst eine Art archäologische Forschung im Bonner Bungalow statt.

Verhindert die Abwesenheit von Patina den Eindruck der Fälschung?

AL: Genau. Schon jedes Holz altert anders. Wir machen hier oft den Scherz, dass, wer wissen will, wie unsere Arbeit in fünfzig Jahren aussehen könnte, nach Bonn fahren muss. Dort gibt es das Bonner Gelb zu bewundern.

SC: Man kann hier eine Zeitreise erleben. Wir haben bewusst die Materialien nicht patiniert.

Was sehen die, die den Bonner Bungalow überhaupt nicht kennen?

AL: Architekten verstehen die beiden Sprachen, die hier miteinander sprechen, wohl recht schnell. Generell hilft es aber, sich ein wenig zum Beispiel mit dem Saalblatt über das Projekt zu informieren. Dann öffnet sich der Assoziationsraum. Das ist für uns wichtig, dass von der ersten sehr leichten intuitiven Begehung Interesse geweckt wird für weitergehende Fragen. So die, was das zu bedeuten hat. Wir geben aber keine Lesarten vor.

Assoziationen an Kindheit!?

SC: Ja, auch.

Seid ihr als in der Schweiz Arbeitende nicht zu weit weg von der deutschen Befindlichkeit?

AL: Ich glaube, wir hatten den Vorteil, Deutschland von sehr nah und zugleich aus der Ferne betrachten zu können. Wir konnten eine Fremdsicht einnehmen, in der uns immer bewusst war, wie weit weg wir waren … oder wie nah dran.

Würdet ihr die Arbeit noch einmal machen?

AL: Würden wir es noch mal machen …? Ich glaube, diese Frage stellt sich uns nicht.

SC: Nein. Das macht man nur einmal.

Aber ihr seid mit allem zufrieden?!

AL: Wir können jetzt nicht glücklicher sein!

SC: Können wir nicht!

Mit Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis sprach DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 6. Juni 2014 am deutschen Pavillon in den Giardini, Venedig.

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