Bunter Blätterwald
PIXEL-Building, Melbourne/AUS

Im australischen Melbourne ist mit dem PIXEL-Building nicht nur das erste CO2-neutrale Gebäude des Kontinents entstanden. Es gelang mit diesem Projekt im Australischen Green Star Rating für ökologisches und nachhaltiges Bauen die Maximalpunktzahl plus 5 Innovationspunkten zu erreichen. Beim amerikanischen LEED, gab es 105 von den möglichen 110. Allerdings sind 105 Punkte das derzeit höchtbewertete Projekt. Das nächst­beste Projekt auf der derzeitingen „Rangliste“ hat 10 Punkte weniger.

Das Firmengelände der ehemaligen CUP-Brauerei (Carlton United Brewery) in Melbourne ist ein riesiges Konversionsareal im Norden des städtischen Central Business District, CBD. Die Situation ist vergleichbar mit den derzeitigen Bemühungen im Umfeld des Dortmunder U, dem früheren Firmengelände der ehemaligen Union-Brauerei. Hier wie dort gibt es das Bestreben, durch innovative und prägnante Architektur einen alten Industriestandort als repräsentative Adresse, insbesondere für Kreativunternehmen, neu zu besetzen.

Bemerkenswert ist, dass die Parzelle des PIXEL-Buildings, die mit zu den kleinsten des 1,6 ha großen Areals zählt und auch die letzte war, welche überhaupt entwickelt wurde, nun aber das erste vollendete Gebäude des Entwicklungsgebietes aufweisen kann.

Die Investorgesellschaft GROCON, Bau­träger, Eigentümer und Nut­zer zugleich, beauftragte direkt die Architekten von studio 505 mit dem Ziel, das „Büro von Morgen“ zu entwickeln. Es sollte ein Gebäude sein, das keine Emissionen erzeugt, über einen eigenen, geschlossenen Wasserkreislauf verfügt und in allen drei hierfür relevanten ökologischen Ratings – also dem amerikanischen LEED, dem britischen BREEAM sowie dem australischem Green Star Office Design – einen möglichst hohen Punktestand erzielt.

Der Planungsschwerpunkt lag stärker auf der CO2-Neutralität als auf dem Erreichen eines vollkommen autarken Passivhaus-Stan­dards. Entstanden ist ein viergeschossiges Bürohaus, das zwar nicht vollständig ohne externe Energiezufuhr auskommt, das jedoch bezogen auf eine Lebensdauer von 50 Jahren keine Emissionen aufweist. Diese Rechnung beinhaltet nicht nur den eigenen Ausstoß, der über die Jahre durch dessen Nutzung entsteht, sondern berücksichtigt auch das CO2, das durch die durchgeführten Bauarbeiten, wie auch durch die Herstellung der Baustoffe seinerzeit entstanden ist. Kurzum: Im laufenden Betrieb baut das Bürogebäude aktiv Kohlendioxid ab.


Fassadenblätterwerk

Nicht nur aufgrund seiner mehr als vorbildlichen Ökobilanz ist das Objekt ein echter Blickfang, das gilt besonders für seine optische Erscheinung. Schon von weitem fallen die kleinteiligen, irregulär gefor­mten Verschattungselemente auf, welche vor die eigentliche Gebäudefassade aus Doppelverglasung gesetzt sind. Ein wenig wirken sie wie das herbstliche Laub einer Hecke. Wird man dann noch der kleinen Pflanzenbeete gewahr, welche vor die Bodenplatten der drei Obergeschosse platziert sind, so ist man versucht anzunehmen, dass diese unzähligen bunten Paneele auch dazu gedacht sind, wie natürliches Blätterwerk Wasser zu sammeln und den eigenen Wurzeln zuzuführen, hier also diesen extensiven Pflanztrögen. Allerdings verneint die Architektin Rachel Freeman vom studio505 diese Theorie: Es seien nur Verschattungs- und Blendschutz­elemente, die äußerlich angebracht wurden, um einen Aufheizeffekt zu minimieren. Im Gegensatz zu Blättern sind sie zudem starr montiert, um in Zeiten des Sonnenhöchststandes maximalen Schatten zu spenden und gleichzeitig noch für ausreichenden Ausblick im rechten Winkel hierzu zu sorgen.


Wasserkreislauf

Der Neubau benötigt fast kein Trinkwasser aus dem öffentlichen Leitungsnetz. Lediglich jeweils ein Hahn in den Etagenküchen ermög­licht aus hygienischen Gründen die Entnahme von tatsächlich als Trinkwasser genutztem Wasser. Der gesamte weitere Bedarf wird mit Grau­wasser gedeckt, welches über die Regen­drainage des Daches gewonnen und in einer 25 000 Liter fassenden Zisterne gesammelt wird. Versorgt werden damit sowohl der gesamte sanitäre Bereich (WC, Dusche), wie auch die Bewässerung der Vegetation in den erwähnten Beeten und auf dem Dach. Immanent gesenkt werden konnte der Wasserbedarf durch den Einbau von Vakuumtoiletten. In Deutschland kennt man diese vor allem aus Zügen und aus Flugzeugen. Das so deutlich höher konzentrierte Abwasser wird in einem hauseigenen Kompostierer vergoren und gelangt erst als energiereduziertes Fäkalwasser in die Kanalisation.


Wärmekreislauf

Die Energiereduktion basiert auf dem Umstand, dass bei der erwähn­ten Fäkalgärung Methangas entsteht. Dieses wird aufgefangen und einem Brenner zugeführt, mit welchem eine Absorptionskältemaschine betrieben wird. Bei dieser Art von Klimaanlage erfolgt die erforderliche Verdichtung des Kältemittels nicht – wie in der Regel üblich – auf hydraulischem Wege, sondern auf chemischem Wege. Dabei macht man sich zu Nutze, dass thermisch wirksame Stoffe, wie hier etwa Ammoniak, abhängig von ihrer Temperatur, ein unterschiedliches Lösungsverhalten in einem anderen Stoff besitzen. Der „absor­bierende“ Stoff ist dabei häufig Wasser. Der geringere Wirkungsgrad dieser Anlagen (Vor­lauftemperatur nur etwa bei lauen 16 °C) im Vergleich zu mechanischen Kompressionsmaschinen (Vorlauftemperatur kalte 6 °C) ist der Grund, warum sie nicht so weit verbreitet sind. Bei Zuluftklimaanlagen ist die höhere Temperatur jedoch von Vorteil, da so die Raumluft schonender gekühlt wird. Die Temperaturreduktion der frischen Außenluft geschieht über auf diesem Wege gekühlte Kanäle im Hohlraumboden. Mit einer nie­drigeren Vorlauftemperatur könnten zwar diese Kühl­einheiten deutlich kleiner dimensioniert sein, dies würde aber auch einen höheren Tauwasserausfall bedeuten und so das Risiko eines Legionellenbefalles mehren.

Auch die entsprechenden Strömungswege in den Kanälen wurden sehr bewusst geplant und auf Kamineffekte geachtet. Obwohl das Gebäude zu 100 % mit über das Dach angesaugter Frischluft arbeitet, wird nicht mit Um­luft operiert. Der anfallenden Abluft wird mittels eines Wärmetauschers sogar noch deren thermische Energie über einen Wärmetauscher entzogen. Trotzdem benötigt die gesamte Anlage nur zwei mechanische Lüfter. Von den beiden dachmontierten Propellern bewegt jeweils einer die Zuluft und einer die Abluft. Das ganze System arbeitet in gleicher Weise auch in der kalten Jahreszeit. Dann wird jedoch der zentrale Brenner, der teilweise mit dem erwähnten Klärgasmethan betrieben wird, nur direkt zum Erwärmen der Raumluft genutzt.


Energiegewinnung

Die quasi unvermeidliche Karbonemission beim Bau des Gebäudes wird im Nachhinein durch eine aktive Energiegewinnung kompensiert. Das geschieht zum einen über drei neu entwickelte, Platz sparende Vertikalwindkraftrotoren sowie mit genauso vielen photovoltaischen Elemen­ten, die mechanisch dem Sonnenstand nachgeführt werden.


Nachhaltige Baustoffe

Selbst der für den Bau erforderliche Beton wurde in Hinblick auf einen möglichst geringen Kohlendioxidausstoß bei seiner Herstellung neu entwickelt. In Zusammenarbeit mit der ebenfalls in Melbourne ansässigen RMIT University wurde der „Pixelcrete“ entwickelt, bei dessen Herstel­lung nur halb soviel CO2 erforderlich ist bzw. frei wird, wie bei der Produktion von herkömmlichem Beton. Der neue und entsprechend patentierte zementöse Baustoff weist mit 40 MPa dieselbe Festig­keit auf wie traditioneller Beton, so dass damit problemlos alle Geschossdecken sowie der aussteifende Treppenhauskern gegossen werden konnten.


Blick nach Europa

Australien ist ambivalent. Einerseits existiert eine große Sensibilität für Ökologie und Nachhaltigkeit, andererseits sind umweltfreundliche Gebäude dort eine Ausnahme. Das Land stellt sich gerne als rückständig dar und lobt Europa. So seien hierzulande Vakuumtoiletten und Absorptionsklimaanlagen Stand der Technik und weit verbreitet. Auch gilt in Down Under das Einspeisen von Strom, der aus regenerativen Energiequellen gewonnen wurde, in das öffentliche Stromnetz als innovativ, da verlustfrei. Die öffentliche Diskussion ist in Europa, besonders in Deutschland, in diesem Punkt schon deutlich weiter und man hat dies als ein technisches, wie auch als ein gesellschaftliches Problem erkannt. Ohne wenn und aber muss man die Innovationskraft des PIXEL-Building anerkennen und feststellen, dass dieses Gebäude neue Maßstäbe setzt und die Welt dringend viel mehr davon benötigt.

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