Prozessorientiertes Arbeiten im Lebenszyklus

Building Information Modeling

Aktuelle Bauprojekte belegen, worunter die Bauwirtschaft trotz der Fortschritte bei den verwendeten Bauverfahren und Baustoffen sowie beim Einsatz von CAD-Systemen und Informationstechnologien leidet: Verspätungen bei der Fertigstellung, Kostenüberschreitungen, mangelnde Abstimmungen und unzureichende Qualitäten. Diese Tatsache ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass sich durch das Mitwirken unterschiedlicher Akteure bei einem Bauvorhaben viele Schnittstellen ergeben, die eine medienbruchfreie Datenverarbeitung und Informationsweiterleitung erschweren.

Abhilfe soll die Methode BIM – Building Information Modeling – schaffen. BIM beschreibt eine Arbeitsmethode zur Integration und Vernetzung aller relevanten Daten eines Bauwerks in bzw. mit einem Bauwerks-Datenmodell während des gesamten Lebenszyklus, also von der Konzeption, Planung und Realisierung bis hin zu Betrieb und Rückbau.

Hintergrund: Standardisierungsprozess
national und international

Zum erfolgreichen Einsatz der Methode BIM über den gesamten Lebenszyklus und damit der Informationsaustausch möglichst verlustfrei erfolgen kann, sind Standardisierungen nötig. Für die Setzung weltweiter Standards ist die Internationale Organisation für Normung, International Organization for Standardization (ISO), zuständig. Das technische Komitee 59 (Gebäude und Infrastrukturbauten) mit dem Unterkomitee 13 (Organisation der Informationen über Bauwerke) beschäftigt sich hierbei mit dem Bereich Bauinformationen und bereits vor der Einführung von BIM u. a. mit Klassifikationen von Bauobjekten und Leistungen. Jetzt ist dieses Unterkomitee das ISO-Komitee für internationale BIM-Standards. Ein weiterer, sich aktuell in Entwicklung befindlicher Standard ist die ISO 19650 Information management using building information modeling, die angestrebte Internationalisierung basierend auf der britischen Richtlinie BSI/PAS 11 92. Sie beschäftigt sich insbesondere mit der Anwendung von BIM innerhalb einer gemeinsamen Datenumgebung zum verlustfreien Austausch und zur organisierten Aufbewahrung der im Verlaufe des Lebenszyklus eines Bauwerkes erzeugten Daten. ISO-Normen können in das nationale Normenwerk als ISO DIN übernommen werden. [1]

Bezüglich der europäischen Ebene hat im April 2014 das dafür zuständige Europäische Komitee für Normung, Comite Europeen de Normalisation (CEN), das CEN/TC 442 Building Information Modeling (BIM) gegründet, das als erste Aktivität die relevanten ISO-Normen, darunter IFC [2] und IDM [3] in europäische Normen überführen soll. Diese müssen als DIN EN in das deutsche Normenwerk übernommen werden. Zeitgleich ist bei der DIN ein eigener BIM-Arbeitsausschuss gegründet worden, mit der Bezeichnung NA 005-01-39 AA Building Information Modeling, um Deutschland in der europäischen und internationalen Normung zu vertreten. [4]

Zusätzlich ist im Jahr 2014 beim Verein Deutscher Ingenieure ein VDI-Koordinierungskreis BIM gegründet worden, der die VDI-Richtli­nienaktivitäten zu BIM begleitet. Inzwischen wurden einzelne Arbeitsgruppen eingerichtet, die Richtlinien zu unterschiedlichen Aspekten von BIM entwickeln sollen.

BIM-Einführungsstufen in Deutschland

Parallel zu den nationalen Normungs- und Richtlinienentwicklungen zum Thema BIM
hat das damalige Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 2013 die Reformkommission Bau von Großprojekten ins Leben gerufen. Einer der konstituierten Arbeitskreise innerhalb dieser Kommission
beschäftigte sich dabei mit modernen computergestützten Planungsmethoden (ein Teilaspekt von BIM).

Im Rahmen der BAU 2015 in München wurde von Seiten des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, BMVI, die digitale Agenda der Reformkommission unter dem klaren Grundsatz „Erst digital, dann real bauen“ bestätigt und die Gründung einer Gesellschaft zum Vorantreiben dieses Grundsatzes mit den wesentlichen Kammern und Verbänden der deutschen Bauwirtschaft im Januar 2015 verkündet. Die Gesellschaft wurde dann im März 2015 unter dem Namen planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH – offiziell gegründet.

In Anlehnung an „Industrie 4.0“ wird BIM hierbei als Voraussetzung für die Effizienzsteigerung und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Bauwirtschaft genannt. Die Gesellschaft hat im Auftrag des BMVI einen Stufenplan für das Planen und Bauen der Zukunft entwickelt, der BIM bis 2020 zum neuen Standard machen soll.

Dieser Stufenplan [5] beschreibt folgende drei Stufen des digitalen Bauens:

1. Stufe:

Vorbereitungsphase (bis 2017), in der z. B. Standardisierungsmaßnahmen durchgeführt und Leitfäden, Checklisten und Muster erarbeitet werden. Durchführung erster Pilotprojekte.

2. Stufe:

2017 – 2020 sollen die derzeitigen vier Pilotprojekte deutlich erweitert werden, um über alle Planungs- und Bauphasen hinweg Erfahrungen sammeln zu können. Weitere Pilotprojekte bei den Verkehrsträgern Schiene, Straße und Wasserstraße sind dafür in Planung.

3. Stufe:

Ab 2020 soll BIM im Zuständigkeitsbereich des BMVI bei neu zu planenden Projekten
regelmäßig angewandt werden.

Gemäß des Stufenplans sollen in Zukunft insbesondere die „Auftraggeber-Informations-Anforderungen” (AIA) und der „BIM-Abwicklungsplan” (BAP) die Basis einer projektbezogenen BIM-Zusammenarbeit bilden.

AIA

„Der Auftraggeber hat in seinen ,Auftraggeber-Informations-Anforderungen’ (AIA) genau festzulegen, welche Daten er wann benötigt. Dazu gehören insbesondere Angaben, wann, in welcher Detailtiefe und in welchem Format die angeforderten Daten geliefert werden sollen, damit der Auftraggeber auf der Grundlage dieser Daten ggf. notwendige Entscheidungen fällen kann. Die angeforderten Daten sollten nicht nur die geometrischen Maße, sondern auch weitere für ihn relevante Bauwerks- bzw. Bauteilattribute wie eingesetzte Baustoffe mitsamt deren Eigenschaften (z. B. Wärmedurchlässigkeit, Schallschutzeigenschaften oder den ökologischen Fußabdruck) umfassen.“ [6]

BAP

„Der Prozess zur Herstellung der geforderten Daten ist unter Festlegung aller dafür notwendigen Rollen, Funktionen, Abläufe, Schnittstellen, Interaktionen sowie der genutzten Technologien in einem sog. ,BIM-Abwicklungsplan’ (BAP) zu definieren. […] Der BAP legt z. B. fest, wie oft und wann Planungsbesprechungen und Zusammenführungen der Fachmodelle mit Kollisionsprüfungen stattfinden, welche Teile der Planung bis wann in welcher Detailtiefe geliefert werden müssen sowie wann und in welchem Umfang Visua­lisierungen, Mengenermittlungen, Simulationen technischer Anlagen, Lebenszyklusbetrachtungen usw. durchzuführen sind. Damit stellt der BAP den Fahrplan eines jeden BIM-Projekts bezüglich der Erstellung, Weitergabe und Verwaltung von Daten dar.“[7]

Damit ist die Hauptaussage des Stufenplans, dass für die erfolgreiche Erstellung digitaler Modelle und das Bauen mit BIM klar definierte Prozesse eine wesentliche Rolle spielen. Die Relevanz solcher Prozesse bezieht sich nicht lediglich auf das Planen und Bauen mit BIM, sondern laut der Reformkomission auch auf konventionell durchgeführte Projekte, wenn sie im Zeit- und Kostenrahmen bleiben sollen. Dabei ist anzumerken, dass Prozessbeschreibungen, wie sie im BAP zur Festlegung der Rollen und Aufgaben der Akteure erfolgen, keinen Mehraufwand darstellen, da die hierfür erforderlichen Informationen in jedem Fall erstellt werden müssen. [8]

Ziel des Lehr- und Forschungsgebiets (LuF) Baubetrieb und Bauwirtschaft der Bergischen Universität Wuppertal (BUW) ist es daher, die Standardisierungsbestrebungen von Bauwerksdatenmodellen in Bezug auf Prozesse und den zugehörigen Informationsfluss zwischen den Projektbeteiligten in allen Lebenszyklusphasen zu fördern. Dies wird bei gleichzeitiger Rechts- und Normkonformität dazu beitragen, Transparenz in Bezug auf BIM für die am Bau Beteiligten zu schaffen. Aktuell arbeitet das LuF an vier Forschungsprojekten zum Thema BIM im Zusammenhang mit Prozessen. Die Forschungsprojekte werden von zahlreichen Partnern unterstützt und es kann auf ein umfangreiches Unternehmensnetzwerk zurückgegriffen werden.

BIM im Prozess

Das Forschungsprojekt „BIM-basiertes Bauen im Prozess“ soll den Rahmen für ein längerfristiges Großprojekt spannen. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wird auf Basis einer idealtypischen methodenunabhängigen Prozessanalyse eine idealtypische Prozesskette unter Einsatz der BIM-Methode entlang des Lebenszyklus eines Bauwerks entwickelt. Das Forschungsprojekt betrachtet damit die Prozesse von der Projektentwicklung bis zum Rückbau einer Immobilie und die damit in Verbindung stehenden Informationsflüsse.

Während der Entwicklung wurde festgestellt, dass durch die Anwendung der Methode BIM das „Verfügbarmachen“ von Informationen verstanden werden kann. Hierbei wird zwischen einem inhaltlichen Informationsfluss „wer muss welche Information wann wie wem zur Verfügung stellen“ und einem Informations-Managementprozess, u. a. gemäß ISO 19650 „wer muss was tun, damit In­for­mationen generiert und verfügbar gemacht werden können“, unterschieden. Die Kombination bildet die BIM-Prozesskette.

Fokus Bauausführung

Im Rahmen des im Projekt „Digital Bauen mit BIM in Deutschland: Fokus Bauausführung“ dargestellten Teilabschnitts wird der Fokus auf die Phase der Realisierung von Bauwerken gelegt. Im Vergleich zum Forschungsprojekt „BIM-basiertes Bauen im Prozess“ erfolgt eine detailliertere Aufschlüsselung der Prozesse für die Phase der Realisierung. Zugleich wird jedoch auf eine Zusammengehörigkeit mit der übergeordneten und gröberen Prozessstruktur geachtet. Auf diese Weise entsteht eine durchgehende Prozesslandschaft von gröberen zu detaillierteren Ebenen.

Mittels der gewonnenen Erkenntnisse aus der Prozessanalyse wird ein Anforderungskatalog aus Sicht der Ausführenden an andere Projektbeteiligte erstellt. Dabei soll der Fokus auf dem Informationsfluss, sprich der Bereitstellung benötigter Informationen aus vorangegangen Prozessen, liegen. Der Katalog wird durch unmittelbare Generierung aus der Prozesslandschaft über diese anpassbar, filter­bar und je nach betrachtetem Teil-Prozessbereich differenziert darstellbar sein. Auf diese Weise kann er sowohl als Hilfestellung für den Einstieg von Unternehmen – auch KMU (kleine und mittlere Unternehmen) – in die Methode BIM als auch als Grundlage für entsprechende Verträge eingesetzt werden.

Fokus Arbeitsschutz

Primäres Ziel des Forschungsvorhabens ist es, arbeitsschutzrelevante Prozesse und die zugehörigen Informationen zu identifizieren, zu definieren, zu standardisieren und für Präventionsmaßnahmen mittels der Methode BIM zur Verfügung zu stellen. Durch die Di­gi­talisierung und die damit bedingte medienbruchfreie Durchgängigkeit von arbeits­schutz­relevanten Prozessdaten entlang des Lebenszyklus von Bauwerken sollen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz elementar verbessert werden.

Fokus Arbeitsplanung

Im Projekt „BIM-gestützte Arbeitsplanung in KMU“ wird der Fokus auf die Prozesse der Arbeitsplanung in kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Phase der Realisierung gelegt. Derzeit fehlen Informationen über die in der Praxis der KMU angewendeten Methoden der Arbeitsplanung, der hierbei verwendeten Instrumen­te, der Art der Daten und deren Aktualisierungsintervalle. Hier setzt das Forschungsvorhaben an. Basierend auf Experteninterviews, Literaturrecherchen und ­einer ausführlichen Umfrage sollen die Pro­zes­se der Arbeitsplanung und die zur Optimierung benötigten Daten analysiert und in das Großprojekt integriert werden.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens soll ein Verfahren entwickelt werden, mit dem auch KMU in die Lage versetzt werden mit der Methode BIM zu arbeiten und die von anderen Baubeteiligten zur Verfügung gestellten Daten für die Prozesse der Arbeitsplanung zu nutzen.

Literatur
[1] Vgl. K. Hausknecht, T. Liebich; BIM Kompendium; S. 62 ff
[2] IFC: Industry Foundation Classes
[3] IDM: Information Delivery Manual
[4] Vgl. K. Hausknecht, T. Liebich; BIM Kompendium; S. 62 ff
[6] Stufenplan Digitales Planen und Bauen; S. 9
[7] Stufenplan Digitales Planen und Bauen; S. 10
[8] Stufenplan Digitales Planen und Bauen; S. 1
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