Bauelemente für barrierefreies Wohnen
Universal Design – einfach sicher nachhaltig für alle

Die demografische Entwicklung fordert

„demografiefeste“ Bauprodukte. Demografiefest bedeutet, dass Gebäude und Bauelemente von Jung und Alt einfach, komfortabel und werthaltig genutzt werden können und damit auch nach 20 Jahren noch gut vermietet oder verkauft werden können. In Zukunft sind Häuser und Wohnungen gefragt, die Design mit Funktionalität verbinden und ein Plus an Wohnkomfort und Sicherheit bieten. Im Gegensatz zu bisherigen Begriffen wie altersgerechtes, barrierefreies oder behindertengerechtes Bauen wird immer stärker mit den Prinzipien des Universal Design (UD) argumentiert – kein Wunder, denn diese sind positiver besetzt.

Universal Design für Bauen und Wohnen

Bauelemente wie Fenster und Türen übernehmen aufgrund ihrer Funktionalität dabei eine wichtige Rolle. Motorisch betriebene Türen werden immer beliebter, weil damit auch bei eingeschränkter Mobilität Balkon oder Terrasse erreichbar bleiben. Das Institut für Fenstertechnik e.V. ift Rosenheim hat deshalb den ift-Kompass „Universal Design“ als Bewertungsverfahren entwickelt. Damit wird für Verbraucher, Nutzer, Planer, Architekten und Behörden die Planung und Auswahl von Produkten im Sinne des Universal Design erleichtert.

Universal Design heißt, Produkte und Dienstleistungen für möglichst viele Menschen ohne spezielle Anpassungen nutzbar zu machen. Das gilt nicht nur für ältere Menschen bzw. Menschen mit physischen oder kognitiven Einschränkungen, sondern für jeden, denn wir alle werden einmal älter oder freuen uns bei temporärer Einschränkung über einfach nutzbare Produkte. Im Alltag

erleben wir immer wieder Situationen, in

denen wir uns bei der Nutzung von Gegenständen ärgern, weil wir entweder drei Hände bräuchten, uns die Finger klemmen oder etwas immer wieder umfällt. Dann entdecken wir ein Produkt, bei dem diese Ärgernisse vermieden werden, und wir freuen uns, dass endlich jemand „mitgedacht“ hat – das zeichnet UD aus.

Zur konkreten Umsetzung wurden sieben grundlegende Gestaltungsprinzipien formuliert, an denen sich Produkte und Dienstleis-tungen orientieren sollten. Diese Grundprinzipien müssen auf die Produkte übertragen und detaillierte Anforderungen für die praktische Anwendbarkeit formuliert werden. Im Baubereich ist im Gegensatz zu Konsumprodukten auch eine flexible Umnutzung zu
beachten, bspw. wenn die Bewohner eines Gebäudes älter werden, bei Krankheit oder Unfall andere Anforderungen zu erfüllen sind, wenn Großeltern einziehen oder Kleinkinder hinzukommen.

Mit diesen Gestaltungsmerkmalen des Universal Design rückt bei Fenstern, Türen und Toren neben den bekannten Leistungsmerkmalen wie Wärme-, Schall- und Brandschutz oder Verformungsstabilität die einfache und sichere Nutzung sowie die Analyse der Nutzerbedürfnisse stärker in den Vordergrund. Ein anschauliches Beispiel ist die Schließgeschwindigkeit einer Automatiktür. In einer Großküche oder aus energetischen Gründen soll die Tür möglichst schnell schließen. Bei älteren, verletzten oder gehbehinderten Menschen sollte der Schließvorgang langsam erfolgen. Die Bedien- und Schließkräfte sind für gesunde Erwachsene bei einem normal eingestellten Tür-/Fenstergriff kein Problem. Für ein Kind oder einen Rollstuhlfahrer können Griffhöhe und Bedienkraft aber zur unüberwindbaren Barriere werden.

 
Universal Design und Barrierefreiheit

Ein Kernpunkt von UD ist die Barrierefreiheit. Laut einer Studie „Wohnen im Alter“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung von 2011 besteht ein kurzfristiger Mehrbedarf von 2,5 Mio. altersgerechten Wohnungen sowie bis zu 800 000 Wohneinheiten zur ambulanten Pflege. In 50 % der Wohnungen befinden sich Schwellen, die als Hindernis empfunden werden, insbesondere beim Zugang zum Balkon oder zur Terrasse. Eine zu enge oder schwergängige Tür, nicht erreichbare Drücker, zu hohe Bedienkräfte scheinen auf den ersten Blick Kleinigkeiten zu sein. Sie können den Alltag von Menschen mit Einschränkungen jedoch erheblich erschweren. Die rechtlichen Vorgaben für Barrierefreiheit finden sich bereits im Artikel 3
des Grundgesetzes und werden für den Baubereich in der MBO im § 50 „Barrierefreies Bauen“ definiert. In der aktuellen Entwurfsfassung von September 2012 heißt es: „In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein; diese Verpflichtung kann auch durch barrierefrei erreichbare Wohnungen in mehreren Geschossen erfüllt werden. In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad sowie die Küche oder die Kochnische barrierefrei sein.“ Auch in der ab Juli 2013 geltenden europäischen Bauproduktenverordnung (BauPV) wurde die Barrierefreiheit im Anhang I aufgenommen.

Die konkrete Umsetzung und die technischen Voraussetzungen für barrierefreie bauliche Anlagen im Hochbau beschreiben DIN 18040-1 (öffentliche Gebäude) und

DIN 18040-2 (Wohnungen), die für Neubauten gelten, sinngemäß aber auch für Umbauten angewendet werden sollen. Die Norm gilt
bei öffentlich-rechtlichen Vorschriften (neue Bundesbauten) und bei privatrechtlicher Vereinbarung. Es werden Schutzziele und Beispiellösungen formuliert, die auch auf andere Weise erfüllt werden können. Bei Bauvor-

haben für spezielle Nutzergruppen (Einrich-tun­gen für Demenz-Kranke, Blindenwohnheim etc.) sind ggfs. zusätzliche bzw. andere

Anforderungen notwendig. Arbeitsstätten

wurden aus dem Anwendungsbereich der

DIN 18040-1 gestrichen und in der Arbeitsstättenrichtlinie (ASR) geregelt.

Anforderungen für Fenster und Türen

Vorgaben bzw. Anforderungen an Fenster finden sich nur in Kapitel 5.3.2 im Teil 2 der Norm. Die wichtigsten Anforderungen an Fenster sind:

– min. ein Fenster je Raum muss auch für Menschen mit motorischen Einschränkungen bzw. für Rollstuhlnutzer leicht zu öffnen und zu schließen sein
– Bedienkraft max. 30 N bzw. 5 Nm (Klasse 2 nach DIN EN 13115)
– bei Fenstern sollten die Brüstungen auf 60 cm gesenkt werden, um auch Rollstuhlfahrern einen Durchblick zu ermöglichen.

Bei Wohnungen, die für eine barrierefreie und uneingeschränkte Rollstuhlnutzung vorgesehen sind, ist zusätzlich

– der Fenstergriff in einer Greifhöhe von 85 bis 105 cm (über OFF) anzuordnen; ist dies technisch nicht möglich, ist min. an einem Fenster je Raum ein automatisches Öffnungs- und Schließsystem vorzusehen.

In Kapitel 4.3.3 werden die Anforderungen an Türen beschrieben. Vorgaben an Tore finden sich nur im Teil 2 der DIN 18040 in Bezug auf PKW-Stellplätze und Garagen. Die wichtigsten Anforderungen an Türen sind:

– lichtes Durchgangsmaß min 90 cm
– Bedienhöhe für Griffe und 85 cm (im begründeten Einzelfall bis 105 cm)
– Schwellen unzulässig, max. 2 cm, wenn
technisch unabdingbar
– visuelle Orientierungshilfen für Griffe, Kennzeichnung für Bedienelemente
(z. B. Griffe) und Glasfüllungen
– Bedienkraft max. 25 N bzw. 5 Nm (Klasse 3 nach DIN EN 12217) oder automatisierte Türen bzw. Fenster
– Aufschlagen von Türflügeln in Bewegungs­flächen vermeiden (Gefahr für Blinde).

Um die Ziele der DIN 18040 zu erreichen,
ist bei der Planung die Beachtung folgender Aspekte hilfreich:

Öffnungsart – Karussell- und Pendeltüren sind kein barrierefreier Zugang und als einziger Zugang ungeeignet. Automati-sche Schiebetüren werden als Vorzugs­lösung empfohlen, da die Flügel nicht in notwendige Bewegungsflächen oder in Richtung des Benutzers schlagen (wichtig für Blinde und Sehbehinderte).
Maße – Die Nutzbarkeit von Türen ist abhängig von den Türmaßen und der Anordnung der Bedienelemente. Barrierefreie Türen müssen ein Durchgangsmaß von
90 x 205  cm haben und die Griffe müssen so tief (min. 85 cm) angeordnet sein, dass auch Rollstuhlfahrer sie erreichen können. Der Abstand zu Bauteilen, Ausrüstungs- und Ausstattungselementen sollte > 50 cm sein. Abhängig von der Öffnungsart sind ausreichende Bewegungsflächen vor und nach dem Türelement vorzusehen.
Schwellen – Bei der Benutzung eines Rollstuhls/Rollators oder Gehhilfen sind Vorsprünge im Schwellenbereich hinderlich und sollten daher vermieden werden. Zu  beachten ist, dass ggfs. dadurch nicht mehr die höchsten Beanspruchungen bezüglich Schlagregendichtheit erreicht werden; bauliche Maßnahmen wie Wassersammelrinnen oder Vordächer sollten daher eingeplant werden.
Antriebe – Türen mit schweren großen Flügeln, die die normativ vorgegebenen maximalen Bedienkräfte übersteigen, sind mit Antrieben auszustatten. Eingangstüren von öffentlichen Gebäuden sollten vorzugsweise automatisch zu öffnen sein. Dabei muss die Nutzungssicherheit berücksichtigt werden.
Kontrastreiche Gestaltung – Für Personen mit Sehbehinderungen ist die Farbgebung der Türen bzw. Türrahmen mit möglichst kontrastreichen Farben und/oder in auffälligem Hell-Dunkel-Kontrast zu empfehlen. Die Bedienelemente sollen sich vom Rahmen abheben. Bei Drehflügeltüren im öffentlichen Bereich ist die Kennzeichnung des Drehradius sinnvoll.
Zwei-Sinne-Prinzip – Die Vermittlung von wichtigen Informationen (Griffe, Bedien-elemente) soll für mindestens zwei Sinne erfolgen, bei Bauelementen visuell, haptisch oder akustisch.

Die Probleme einer eingeschränkten Sehfähigkeit werden oft vergessen, sie trifft aber mit zunehmendem Alter praktisch jeden Menschen. Hier hilft die Hervorhebung von Griffen und Schaltern durch unterschiedliche Farben, Formen, Materialien oder durch Oberflächen, die eine haptische Information geben. Erstmalig definiert die Norm Bestimmungen für Sicherheitsmarkierungen an Ganzglastüren und großflächig verglasten
Türen. Sie müssen über die gesamte Glasbreite reichen, stark kontrastreich sein, jeweils helle und dunkle Anteile enthalten. Beispielsweise ein 8cm breiter Streifen, der in einer Höhe von 40 bis 70 cm und 120 bis 160 cm angeordnet werden soll. Akustische Informationen können durch ein Klicken oder andere Geräusche die Bedienung erleichtern, bspw. das Schließen der Haustür anzeigen.

 
Mehr Komfort mit automatischen Türen

In vielen Fällen lassen sich Probleme durch zu hohe Bedienkräfte bei Drehflügel- oder Schiebetüren nur mit automatischen Türen bzw. mit  entsprechenden Nachrüstungen

lösen. Bei Hauseingangs-, Terrassen- und

Balkontüren sowie Brandschutztüren im

Zugangsbereich zu Keller oder Tiefgarage können ungünstige Druckverhältnisse zu

zusätzlichen Belastun­gen führen. Auch in

öffentlichen Gebäuden, Pflegeeinrichtungen, beim betreuten Wohnen oder in Komfortwohnungen werden automatische Türen bevorzugt. Die Ausführung automatischer Türsys-teme ist gemäß DIN 18650 vorzusehen.

Dennoch scheuen sich Bauherren und Planer oft vor Bauelementen mit Elektroantrieben. Bei näherer Betrachtung ist die „Black-Box“-Elektrik aber gar nicht so kompliziert.

In den letzten Jahren sind die Produkte ausgereifter geworden und die meisten Hersteller bieten komplette Bausätze an, bei denen Elektro- und Türentechnik aufeinander abgestimmt sind. Für das Arbeiten an elektrischen Einrich­tun­gen ist eine Qualifikation als Elektrofachkraft erforderlich, die Metallbauer und Monteure durch eine Weiterbildung zur „Elek­trofachkraft für festgelegte Tätigkeiten“ erlangen können und die sie zum Anschluss von elektrischen Türantrieben, Fensteröffnern oder Feststellanlagen autorisiert.

Nutzungssicherheit

Zu beachten ist, dass aus einer Tür mit dem elektrischen Antrieb eine Maschine im Sinne der Maschinen-Richtlinie 2006/42/EG wird, bei der die Nutzungssicherheit zu gewährleisten ist. Die Umsetzung erfolgt durch den Nachweis gemäß DIN 18650 „Automatische Türsysteme“, in der die Nutzungssicherheit geregelt wird. Grundsätzlich ist für jede An-lage vor Inbetriebnahme eine Risikoanalyse zu erstellen, aus der Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Beseitigung von Risiken abgeleitet werden. Im privaten (nicht öffentlichen Bereich) ist die Risikoanalyse und Bewertung überschaubar, da hier von eingewiesenen Nutzern ausgegangen werden kann. Allerdings ist bei der Nutzung durch schutzbedürftige Personen (ältere Menschen, Personen mit Handicap und Kinder) bspw. auf Justierung von Schließ­geschwindigkeit oder Kraftbegrenzung zu achten. Vor nicht zu vermeidenden Gefahren (Restrisiken) kann bedingt auch per Beschilderung oder in der Bedienungsanleitung gewarnt werden. Restrisiken wie Quetschen, Scheren und Anstoßen soll-ten aber konstruktiv durch Profile oder Ab-

deckungen reduziert werden.

Leichte Zimmer- oder Wohnungseingangstüren können gut mit einem Low-Energy (LE)-Antrieb versehen werden. Solche Antrie-be arbeiten mit geringerer Kraft und langsa-

men Schließgeschwindigkeiten und halten den Schließvorgang bei Widerstand (Hand oder Gegenstand) an. In Verbindung mit einer variablen Offenhaltezeit von min. 5 Sekunden ist dies eine sinnvolle Ausführung. Die Betätigung erfolgt in der Regel durch Taster und Funksteuerungen.

Für Haus- und Wohnungseingangstüren ist die Transponder-Technik eine interessante Alternative, bei der die Entriegelung automatisch erfolgt. Hier entfällt das lästige Suchen und Bedienen von Schlüsseln, man hat beide Hände frei. Unbedingt ist jedoch auf eine gute Einbruchhemmung zu achten und darauf, dass sich die Steuerung mit der Decodierung des Funksignals innerhalb des Hauses befindet.

Der Betreiber, sprich Bauherr, muss bei dem Einsatz automatischer Türen und Tore beraten und aufgeklärt werden, denn er ist für die Verkehrssicherheit der automatischen Tür­systeme verantwortlich. Er muss letztlich entscheiden, in welchem Umfang er die vorgeschriebenen Absicherungsmaßnahmen umsetzen will. Planer und Monteure sollten deshalb aus Haftungsgründen die Aufklärung dokumentieren. Zur Verkehrssicherheit gehört auch die vorgeschriebene Wartung und Prüfung aller kraftbetätigten Bauelemente. Die Verantwortung für die rechtzeitige Durchführung durch fachkundiges Personal trägt der Gebäudebetreiber. Bei Unfällen an automatischen Systemen wird zunächst untersucht, ob der Betreiber dieser Pflicht nachgekommen ist. Die weitere Prüfung wird sich dann mit der in der Planung erstellten Gefahrenanalyse beschäftigen und ob die Anforderungen an die verwendete Konstruktion und die zu erwartenden Gefahren gebührend berücksichtigt wurden.

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