Bambusskulptur an Fassade des Frankfurter Kunstvereins

Bambuskunst am Frankfurter Kunstverein

Wie sang ein deutscher Barde vorlängst: „Über siiieeeben Brücken musst Du gehn ...“ In Frankfurt am Main gibt es sieben Brücken, wahrscheinlich sogar noch mehr. Auch gibt es sieben städtische Ämter, wahrscheinlich sogar noch viel mehr. Zu sieben Ämtern jedenfalls mussten die Planer, Beantrager, Künstler und Kuratoren laufen, um ihre Bambusskulptur realisieren zu dürfen, die sie vor der denkmalgeschützten Fassade des Frankfurter Kunstvereins aufbauen wollten.

Natürlich war der Kunstverein auch einer der Initiatoren der Skulptur, die in Koopera-tion mit dem Architekturbüro Marie-Theres Deutsch Architekten entstand und noch bis zum 10. Januar 2016 in Frankfurt zu sehen ist. Ihr Entwerfer: der Künstler Joko Avianto.

An der denkmalgeschützten Fassade des Steinernen Hauses setzt die raumgreifende Skulptur mit ihren natürlichen Materialien

einen deutlichen Akzent im von Baustellen geprägten Altstadtgemenge am Römer.

Tatsächlich kann man die bauliche Retroveranstaltung ringsum in einem ganz neuen Licht sehen, verschieben sich mit der Skulptur doch die gewohnten Seh-Hierarchien.

Die Bambusskulptur „Big Trees“ (Pohon Besar) des indonesischen Künstlers Joko Avianto ist schon von Weitem als Gegenüber zu den meist aus rotbraunem Sandstein oder Sichtfachwerk errichteten Häusern am Römerberg zu erkennen. Für den Ort entwickelt nimmt sie Bezug auf die Fassade des Steinernen Hauses – seit mehr als 50 Jahren

Heimat des Frankfurter Kunstvereins.

Zwischen Dom und Rathaus Römer, wo in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kunstverein das neue DomRömer Quartier entsteht, kommentiert und kontrastiert das Kunstwerk die auf Alt getrimmten Neubauten auf den benachbarten Baustellen. Hier, im Herzen der Frankfurter Innenstadt werden bis Ende 2017 auf rund 7 000 m² exakt 35 Altstadthäuser und ein Stadthaus entstehen. Ähnlich wie das im Krieg 1939–45 schwer beschädigte und in der Nachkriegszeit mit modernen Materialien wiederaufgebaute Steinerne Haus sollen die Neubauten die mittelalterliche Parzellierung und die damit verbunden geglaubte Atmosphäre wiederaufleben lassen.

Nun kann man, es wurde oben schon angedeutet, in Deutschland nicht einfach etwas anbauen, sei es nun dauerhaft oder wie hier in der Frankfurter Altstadt temporär. Das öffentliche Kunstprojekt musste in einem aufwändigen Genehmigungsprozess zur Realisierung gebracht werden. „Bereits im Herbst 2014 skizzierten wir gemeinsam mit dem Künstler Joko Avianto erste Ideen für seine Bambusinstallation und haben viele spannende Projektphasen und Weiterentwicklungen mit vielen uns unterstützenden Kooperationspartnern und Sachverständigen durchlaufen“, erklärt Franziska Nori, Direktorin des Kunstvereins, den Planungsprozess. Die Monumentalität der temporären Installation im öffentlichen Raum machte es erforderlich, einen Bauantrag zu stellen. Marie-Theres Deutsch sorgte für die Realisierung der Skulptur im eng gesteckten Zeitrahmen.

Die Überprüfung der Statik des Bambusbauwerks übernahm das Ingenieurbüro für Tragwerk Bollinger + Grohmann. Für das Brandschutzkonzept zeichnet das Sachverständigenbüro für vorbeugenden Brandschutz Hilla verantwortlich. Die bis zu sieben Meter hohe Skulptur, die die komplette Fassade des Steinernen Hauses einnimmt, wurde aus 1 525 ineinander gewobenen Bambusstangen gebaut. Das Material kommt von Plantagen aus der Region West Javas, die der Künstler als Teil seines Ateliers bewirtschaftet. Für die Konstruktion orientierte sich Avianto an sundanesischen Webtechniken. Die dicken Bambusstangen wurden teils längs zwischen den Knoten aufgeschlitzt, teils wurden Querkerben gesetzt, damit sie an diesen Stellen flexibel verformt werden konnten.

Die Bambusskulptur ist Teil der Ausstellung „Roots. Indonesian Contemporary Art“, die anlässlich des Ehrengastauftritts von Indonesien zur Frankfurter Buchmesse 2015 stattfand. Sie kann noch bis zum 10.01.2016 im Kunstverein besichtigt werden. Be. K.

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