Ein Erfahrungsbericht

BIMplus – Mehrwerte der BIM-Planung

Obwohl Architekten und Ingenieure seit vielen Jahren über leistungsfähige 3D-Software verfügen und schon vor zwei Jahrzehnten in der Lage waren, geometrisch komplexe Architekturen wie das Guggenheim-Museum zu realisieren, ist der gegenwärtige Baualltag vielfach noch vom Fertigungsstandard der 1980er-Jahre geprägt. Mit dem Additive Manufacturing steht eine Fertigungstechnologie bereit, die das Potenzial hat, im Zusammenwirken mit BIM das Bauen grundlegend zu verändern!

Die im Betonbau seit Jahrzehnten auf den Baustellen vorherrschenden Bautechniken unter Einsatz von Systemschalungen bedingen einfache Baukörper, die Schalungsarbeiten und die Integration von Bewehrungen erfolgen überwiegend in Handarbeit. In der Konsequenz hinkt das Bauwesen – trotz guter Konjunktur – bei der Produktivität deutlich anderen Produktionsbereichen hinterher (Bild 1). Hinzu kommt, dass innovative Werkstoffentwicklungen wie ultrahochfeste Betone, Textilbetone, Faserbetone etc. durch die vorherrschenden manuellen Bautechniken nur schwer den Weg in die Baupraxis finden.

Was hat das nun alles mit BIM-Planung zu tun? Die Art der Bauausführung ist insofern relevant, da auch die Planungsleistungen auf die Bautechniken ausgerichtet sind: Auf den Baustellen kommen nach wie vor 2D-Schal- und Bewehrungspläne in Papierform zum Einsatz. Das heißt, die Übergaben der Daten erfolgt analog als 2D-Zeichnung (Bild 2). Ob diese mit herkömmlichen CAD-Programmen gezeichnet oder aus einem 3D-BIM-Modell abgeleitet wurden, spielt für die manuelle Umsetzung vor Ort keine Rolle. Für viele Ingenieurbüros stellt sich daher die berechtigte Frage: Was ist der Mehrwert einer BIM basierten Planung?

Diese Frage wird häufig mit Synergien in den Abstimmungen der Fachplanungen beantwortet. Insbesondere wird die Fehlervermeidung durch frühzeitige Erkennbarkeit möglicher Kollisionen bei der Zusammenführung der Daten von den einzelnen Fach­dis­ziplinen in einem Modell hervorgehoben. Zudem werden die Kosten- und Terminverfolgung als Vorteile von BIM genannt. Das ist alles richtig, jedoch sind dies reaktive Aspekte, die vornehmlich auf das Projektcontrolling und Management der Planung ausgerichtet sind.

Doch BIM kann mehr!

Unter dem Begriff BIMplus werden vier derzeit aus Praxis und Forschung erkennbare Aspekte vorgestellt, die im aktuellen Baualltag noch nicht von Relevanz sind, aber den Mehrwert der BIM-Planung für die Zukunft im Bauwesen aufzeigen.

1. BIMplus kann als aktives Instrument neue Impulse für die Entwürfe geben

BIM hat die Chance, zukünftig als kreatives Planungsinstrument schon aktiv in den frühen Planungsphasen genutzt zu werden. Beim derzeitigen BIM-Verständnis sind die originären Entwurfsideen bei Architektur und Tragwerk noch traditionell konzeptbasiert. Die BIM-Modelle werden erst im Nachhinein gemäß der Entwurfsidee aufgebaut und die modellbasierten Bauteile mit zusätzlichen Informationen für die weitere Planung versehen. Hier bietet sich die Chance, parametrische Entwurfsmethoden an den Beginn der BIM-Planung zu stellen, um die Vorteile einer modellbasierten Planung schon für die originäre Entwurfsleistung zu nutzen. Im Ingenieurbüro osd – office for structural design haben wir diesbezüglich bereits erste positive Erfahrungen mit der gezielten ­Einbindung von generativen Algorithmen über das ­Grasshopper® Plugin für Rhino gemacht. Beispielsweise können einzelnen Bauteilgruppen wie Stützen, neben geometrischen und materialspezifischen Informationen durchaus auch statisch relevante Informationen zugewiesen werden. So könnte zukünftig schon in den frühen Planungsphasen erkannt werden, ob Stützenraster ­statisch funktionieren. Die Einbindung von generischen Algorithmen ist darüber hinaus auch für den architektonischen Entwurfsprozess sehr interessant. Hier bietet sich die Chance, BIM über eigene Softwarelösungen und Skripte zu individualisieren und damit die originäre Entwurfsleistung in eine digital basierte Entwurfsumgebung (Computational Design) zu überführen.

2. BIMplus wird die Tätigkeits-profile von Ingenieuren und Konstrukteuren verändern

In den Ingenieurbüros für Tragwerksplanung herrscht größtenteils noch eine klare Trennung zwischen den rechnenden Ingenieuren und den zeichnenden Konstrukteuren vor. Die Ingenieure betreuen die Projekte bis zur Genehmigungsplanung und die Konstrukteure übernehmen diese in der Ausführungsplanung. Diese Aufgabenteilung wird sich in einer BIM basierten Planungsumgebung ändern. Bei unseren Erfahrungen mit BIM-Planungen zeichnet sich ab, dass beim Aufbau eines BIM-Modells ein tiefergehendes tragkonstruktives Verständnis von Vorteil ist und die Aufgabenteilung in Konstrukteure, die das BIM-Modell aufbauen und Ingenieure, die die statischen Berechnungen durchführen, zukünftig nicht sinnvoll ist. Als Konsequenz haben wir damit begonnen, von Beginn an die BIM-Modelle mit Ingenieuren aufzubauen, die diese anschließend direkt in statische Berechnungsmodelle überführen und berechnen können. Konsequenterweise begleiten die Ingenieure ein Projekt dann bis in die Schalplanung. Lediglich die Bewehrungsplanung erfolgt durch die Konstruktionsabteilung. Dies bedeutet in der Konsequenz eine Verlagerung der bisherigen Tätigkeitsprofile von Ingenieuren und Konstrukteuren. Dadruch dass die Ingenieure bei unserem Weg der BIM-Planung bis in die Ausführungsplanung wirken, wird zwangsläufig das Tätigkeitsprofil von Konstrukteuren reduziert. Da die Ausbildung von qualifizierten Bauzeichnern ohnehin rückläufig ist, besteht mit diesem Ansatz eine deutlich größere Flexibilität für die Planungsbüros.

3. BIMplus ist Voraussetzung für die Umsetzung einer digitalen Baufabrikation

Die Bauwirtschaft ist der letzte Produktionsbereich, der noch nicht automatisiert ist. Während andere Bereiche die Vernetzung der Produktion unter dem Begriff Industrie 4.0 zur nächsten Stufe der Produktivitätssteigerung vorantreiben, beherrschen manuelle Arbeiten noch überwiegend die Herstellungsprozesse auf den Baustellen. Die Implementierung von BIM in der Planung ist daher Voraussetzung für eine Steigerung der Automatisierung in der Bauwirtschaft. Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren Versuche unternommen, industrielle Fertigungsmethoden aus anderen Bereichen in das Bauwesen zu überführen und innovative Architekturen wie das Phaeno in Wolfsburg oder die Elbphilharmonie in Hamburg konnten nur so realisiert werden. Technologisch ist dies zwar gelungen – die entwickelten Methoden der Freiformschalung beim Phaeno und die Herstellung der gekrümmten Gläser in der Fassade der Elbphilharmonie hätten ohne Technologietransfer nicht realisiert werden können. Aber die meisten der in den vergangenen Jahren entwickelten innovativen Fertigungsprozesse zur Realisierung geometrisch komplexer Freiformarchitekturen konnten sich nicht als richtungsweisende Fertigungsmethoden etablieren und blieben auf den singulären Einsatz begrenzt.

4. Schlüsseltechnologie 3D-Druck (Additive Manufacturing (AM))

Der große Unterschied des Bauwesens zu allen anderen Produktionsbereichen steckt in der Verortung, die jedes Bauwerk mehr oder weniger zu einem Unikat werden lässt (Immobilie). Von daher sind die bekannten Fertigungstechnologien anderer Produktionsbereiche nicht 1:1 in die Bauwirtschaft übertragbar. Am Institut für Tragwerksentwurf (ITE) der TU Braunschweig wird seit einigen Jahren an Verfahren für den 3D-Druck von großformatigen Betonbauteilen geforscht. In einem interdisziplinären Verbundvorhaben mit Forschern aus den Bereichen der Materialtechnologie, des Maschinenbaus und der Informatik an der TU Braunschweig wurde das sogenannte „Shotcrete 3D Printing Verfahren“ (SC3DP) entwickelt. Im Unterschied zu den vorherrschenden ablegenden Extrusionsverfahren wird beim SC3DP das Material mit hohem Luftdruck Layer für Layer aufgebaut (Bild 3). Dieses „Drucken mit Druck“ wirkt sich positiv auf den Verbund zwischen den Fugen (Layer Bonding) aus.

Die laufenden Forschungen zeigen, dass das 3D-Drucken (Additive Manufacturing) das Potential hat, eine Schlüsseltechnologie für die Umsetzung einer digitalisierten Bauwirtschaft zu werden. Der große Vorteil des AM liegt in der Zusammenführung von Material- und Prozessentwicklungen, wodurch innovativen Werkstoffen der Weg in die Anwendung erschlossen wird. Hinzu kommt, dass beim additiven Bauteilaufbau Material nur dort aufgetragen wird, wo es eine Funktion erfüllt. Das ist ein grundlegender Wandel zum derzeitigen Bauen, wo aufgrund einfacher Bautechniken mit Material verschwenderisch umgegangen wird. Neben dem ressourceneffizien­ten Materialeinsatz wird das AM auch neue Freiheiten in den baulichen Formen ermöglichen und kann dazu beitragen, die Bauwirtschaft technologisch in das 21. Jahrhundert zu bringen.

Bereits heute ist der schalungslose, freigeformte Aufbau von Betonbauteilen technologisch möglich. In Zukunft wird es darum gehen, die seitens der Forschung bereitgestellten Technologien in wirtschaftliche Verfahren zu überführen. Hierzu sind grundlegende Forschungsvorhaben notwendig, wozu sich die Universitäten von Braunschweig und München unter dem Begriff des „Additive Manufacturing in Construction“ (AMC) zusammengetan haben. Ziel ist es, neue innovative additive Fertigungstechnologien zu entwickeln, die einem ressourceneffizienten Materialeinsatz unterliegen und per se nachhaltig sind, bei gleichzeitiger Steigerung der Produktivität und Qualität gegenüber den manuellen Bauprozessen. Diese Umsetzung kann nur in einem interaktiven Prozess von BIM basierter Planung und digitaler Fabrikation erfolgen (Bild 4).

Fazit

Es lässt sich feststellen, dass die konsequente Umstellung auf eine modellbasierte BIM-Planung Voraussetzung für eine zukunftsorientierte digitale Bauwirtschaft ist. Neben neuen Berufsbildern in Planung und Bauausführung, wird die BIM-Planung auch eine Steigerung der Attraktivität für die Bauberufe mit sich bringen.

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