Aus einem Guss
Monohaus, Berlin

55 cm starke Wände aus hochwärmedämmendem, vor
Ort gegossenem Beton bilden die Hülle des Monohauses in Berlin Mitte. zanderroth architekten erschufen damit einen siebengeschossigen Monolithen – kompromisslos in Material und Ästhetik.

Beton zum Wohnen

Wohnungsbau ist derzeit eines der viel diskutierten Themen. In Ballungsräumen, wie Berlin Mitte erst recht. Berlin - berühmt für seine Gründerzeitbauten mit den typischen Attributen Dielen, Stuck und hohe Räume - hier erwartet der Wohnungssuchende eine nicht versiegende Zahl an Altbauten. Doch mit den modernen Annehmlichkeiten bitte. Aus diesem Grund entstehen zahllose gründerzeitlich anmutende Neubau­ten, mit Gesimsen und Stuck – viele Architekten entwerfen wie vor 120 Jahren. Realisiert wird mit Riemchen, Styropor und Kleber. Wohnungsbau – das ist auch das vornehmliche Betätigungsfeld von Sascha Zander und Christian Roth alias zanderroth architekten. Es wundert nicht, dass die Bauten ihres Portfolios nahezu aus­schließ­lich in Berlin Mitte und Prenzlauer Berg zu finden sind. Bedarf gibt es hier genug. Doch zum Glück für die Baukultur entwerfen sie zeitgemäße Architektur – und finden auch dafür dankbare Abnehmer.

Zum Beispiel in Gestalt von Stefan Karl; er ist Bauherr des Monohauses und nicht etwa Spekulant. Ihm ging es in erster Linie um Wohnraum für seine eigene Familie. Architekten und Bauherr kannten sich – Familie Karl bewohnt(e) ein Haus, das Sascha Zander und Christian Roth entworfen haben – damals noch bei Nägeli Architekten. Der Bauherr ließ den Architekten gestalterisch freie Hand. Und diese planten ein monolithisches Betonhaus.

Beton-Neubau neben Stuck-Altbau

Das Grundstück des Monohauses liegt in der Christinenstaße, eine innerstädtische Wohnstraße, in der Altbau an Altbau grenzt. Doch etwas weiter nördlich in dieser Straße befindet sich der Pfefferberg mit dem Architekturforum Aedes und Sergei Tchobans Museum für Architekturzeichnungen – ebenfalls mit einer Fassade aus Sichtbeton. Das Monohaus passt also in diese Umgebung.

Als Monolith zum Wohnen beherbergt das Monohaus auf sieben Geschossen 660 m² Wohnfläche: über einem Maisonetteappartement mit Garten stapeln sich drei Geschosswohnungen mit jeweils ca. 110 m², jede mit Balkon zum Hof. Darüber befindet sich das Penthouse der Eigentümerfamilie: 167 m² groß, zweigeschossig, mit Dachgarten und Blick über Berlin.

Das Gebäude passt sich an – die für das Betonieren vorteilhaften Absätze in der Fassade nehmen die Differenzierung der benachbarten Altbauten auf, der Sichtbeton fügt sich ohne Probleme in die Putzfassaden der Umgebung. Der Schwere des Betons stehen die großen Fensteröffnungen entgegen. Sibirisches Lärchenholz bildet den Rahmen für den Blick nach draußen. Es wird sich mit der Zeit der Farbe des Betons annähern.

Beton als alleinige Gebäudehülle

Wie zanderroth architekten bei ihren zahlreichen Projekten feststellen mussten, ist das Bauen mit Beton nicht immer gleich – und schon gar nicht einfach. Dennoch entschieden sich die Architekten schon von Anfang an für das Material: Hochwärmedämmender Beton sollte es werden für die Außenhülle: konstruktiv tragend, die Vorgaben der EnEV 2009 erfüllend und Gestalt gebend.

Verantwortlich für die Zusammensetzung des Betons zeichnet sich Edeltraut Hallmann vom Fläming Baustofflabor aus Treuenbrietzen. Sie kam in der Leistungsphase 3, der Entwurfsplanung, zum Projekt dazu und ent­wickelte die Betonrezeptur nach gestalterischen, bauphysikalischen und statischen Er­fordernissen und begleitete die Herstellung des Betons auch während der Bauphase.

Hallmann befürwortet ausdrücklich eine enge Zusammenarbeit mit den Architekten und beim Projekt Monohaus ist ihr diese ausgesprochen positiv in Erinnerung – ebenso bei zanderroth architekten. Die Fachplanerin verweist auf die hohen Ansprüche vieler Bauherren an den „sichtbaren“ Beton: Die Zuarbeit von ihr als Fachplanerin stelle die Einstufung in die erforderliche Sichtbeton-Klasse SB1 bis SB4 sicher, wobei SB3 und SB4 – also die mit hohen beziehungsweise sehr hohen gestalterischen Anforderungen –   sehr kostenintensiv und nicht immer zu erreichen seien. Ebenso sei die Herstellung einer bestimmten Betonfarbe ein kostenintensiver Faktor, bei der sie die Planer (und damit den Bauherren) unterstützen kann in der Auswahl der entsprechenden Zemente und Gesteinskörnungen. Darüber hinaus berät Hallmann auch zur Betonierbarkeit bestimmter Bauteile, denn oft werden das Eindringen (Befüllgassen) und das Verdichten (Rüttelgassen) bei der Planung nicht berücksichtigt, was eine hohe Fehlerquote verursacht.

Dem Statiker wurden für seine Bemessung verschiedene Muster vorgelegt, bei denen die Druckfestigkeiten, Expositionsklassen, Rohdichten, der Wärmeleitwiderstand, die Farbe und die Kosten bekannt sind und die sich für die geforderte SB-Klasse 2 eignen. Anfangs gab es noch die Überlegung, das Gebäude mit Betonfertigteilen zu erstellen, diese wurde aber schnell aufgrund der vielen Fugen und zugunsten einer lebendigeren Oberfläche fallen gelassen. Das Monohaus ist vollständig in Ortbeton erstellt. Die einzelnen Betonierabschnitte sind geschosshoch und an den oben bereits erwähnten Absätzen in der Fassade zu erkennen. Zur Sicherstellung der gleichbleibend hohen Oberflächenqualität des Sichtbetons kam eine nicht saugende Schalung zum Einsatz, die mehrfach belegt wurde. Beim Monohaus wurde die erforderliche SB-Klasse 2 eingehalten, in vielen Bereichen erreichte der Beton sogar die höhere Klasse, was laut Hallmann der kompetenten und engagierten Ausführung der Rohbaufirma zu verdanken sei.

Beton: Zusammensetzung und Dimensionierung

Zum Einsatz kam ein Konstruktions-Leichtbeton, der statt Sand und Kies entsprechende Anteile Vulkamix und Liapor in adäquater Körnung und Mischung enthält. Von dem Baustoff mit hohem Zementanteil (CEM II/B-S 42,5 N), mit Steinkohlenflug­asche, Blähton und Leichtsand vulkanischen Ursprungs wurden 230 m³ eingebaut. Im getrockneten Zustand erhält der Beton die Farbe Hellgelb.

Die geringe Wärmeleitfähigkeit und das hohe Wärmespeicherungsvermögen des verwendeten Vulkamix- und Liapor-Leichtbetons sorgen dabei ganz allein für die Wärmedämmung. Für die Dimensionierung der Außenwände entscheidend sind die Vorgaben der DIN 4108 – Wärmeschutz im Hochbau. Davon ausgehend wurde „zurückgerechnet“: Der Lambda-Wert des verwendeten Leichtbetons beträgt 0,38  W/mk, daraus ergab sich eine erforderliche Materialstärke von 55 cm. Der rechnerische U-Wert der Außenwände beträgt 0,647  W/m²k.

Besonders wichtig war es, dass Festigkeit, Rohdichte sowie die Konsistenzmaße zwingend eingehalten werden, da schon geringe Abweichungen den Lambda-Wert verändern. Voraussetzung dafür sind gleichbleibende Eigenschaften der Ausgangsstoffe, die stark auf unterschiedliche Feuchtgehalte reagieren. Daher ist ein hoher Prüfaufwand beim Beton-Hersteller erforderlich.

Die praktische Umsetzung sah dabei so aus, dass jedes den Beton transportierende Fahrzeug auf folgende Parameter kontrolliert wurde: Konsistenz: 480 mm +/- 20 mm, Rohdichte-Frischbeton: 1 300 +/-, Betontemperatur: > 30 °C und Verarbeitbarkeitszeit: 120 min. Bei Abweichungen gingen die Betonlieferungen zurück.

Nun steht er da – ein Monolith aus einem Guss. Keine Instandhaltung, keine zukünftige Sanierung z. B. von Wärmedämmung nötig. Langlebig, dauerhaft, (wert-)beständig. Und damit passt das Monohaus sicher besser in die umgebenden, immer noch nachgefragten Altbauten als die Neubauten, die sich optisch angleichen, denn es ist nachhaltig. SG

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