Neuapostolische Kirche, München

Architektur mit
Nachklang
Neuapostolische
Kirche, München

In der im Oktober 2013 eröffneten Neuapostolischen Kirche in München-Laim filtern schimmernd-glatte Kalkputzwände Licht in das Gebäude, leiten die Besucher und vermitteln eine würdevolle Atmosphäre. Die schallharten Wände stellten Architekten und Akustikplaner vor eine Herausforderung, der sie mit akustisch optimierten Materialien und kleineren Raumeingriffen begegneten. Das Ergebnis: ein Raum, der nachklingt.

Einen „Ort der Stille in hektischer Zeit“ wünschte sich die Neuapostolische Kirchengemeinde in München-Laim für ihr neues Gotteshaus, das einen maroden Vorgängerbau aus den 1960er-Jahren ersetzt. Ihr Plan ist aufgegangen: Der strahlend-weiße, schlichte, helle Kubus
der Münchner Architekten Haack + Höpfner strahlt Ruhe und Klarheit aus. Dabei liegt der Neubau nur ein paar Schritte von Laims lärmiger Hauptverkehrsader, der stark befahrenen Fürstenrieder Straße, entfernt in einer Seitenstraße am Übergang in ein Wohnviertel. Die gegenüberliegende Straßenzeile prägen denkmalgeschützte Reihenhäuser aus der Gründerzeit. Die neue Kirche fungiert als städtebauliches Scharnier zwischen der städtisch geprägten Hauptstraße und dem

ruhigen Wohnquartier: Zwei schmale, eingeschossige Nebenflügel umfassen den von der Straße abgerückten, weiß verputzten Monolithen. Dazwischen entstand ein kleiner Quartiersplatz mit Kirschbaum, Wasserbecken und Sitzbänken. Ein Ort der Kontemplation und Begegnung, den Gemeindemitglieder und Anwohner ebenso nutzen wie die Schüler des benachbarten Gymnasiums.

Weg ins Licht

Als „Weg ins Licht“ beschreiben die Architekten Lydia Haack und John Höpfner das Leitthema ihres Entwurfs, das sich schon an der Eingangsfassade abzeichnet: Während die grau verputzten Nebengebäude und der mit Granitsteinen gepflasterte Vorplatz dunkel erscheinen, schimmert an der Fassade der Kirche ein feiner, mehrschichtig verdichteter, mit Marmorzuschlägen versehener Kalkputz. Das Wasser im Becken wirft Lichtreflexe auf die glatte, matt glänzende Wandoberfläche. Vor der schimmernd-weißen Hülle ragt ein Kreuz aus hell glänzendem Metall aus dem Bassin. Die Altarwand durchzieht eine „Lichtwolke“ aus 31 Leuchtröhren, die Innen- und Außenraum verbinden und die Kirche abends mit Hilfe eingebauter LED in Szene setzen. Tagsüber löst sich die seidig glatte Oberfläche des Kalkputzes dagegen scheinbar im Licht auf und hebt sich von den umliegenden Baukörpern ab.

Für die Fassade verwendeten die Gipser eine mehrschichtige Kalkspachteltechnik, die im Italienischen ‚Spatolato a calce‘ genannt wird. Nach dem Auftragen des Grundputzes verdichteten sie die Kalkglätte mit der Kelle nass in nass in vier immer feiner werdenden Arbeitsgängen. Abschließend wurde der Putz mit Bienenwachs versiegelt. Für das zweischalige Mauerwerk kamen druckfeste Hochlochziegel mit hoher Rohdichte zum Einsatz, die Rissen im Putz vorbeugen und zugleich die Wärmeverluste minimieren. Schließlich ist die Kirche
als Null-Emissionsgebäude geplant: Kerngedämmte Ziegelwände, Dreifachverglasung, Fußbodenheizung, eine Grundwasserpumpe und Photovoltaikmodule auf dem Dach sollen einen CO2-neutralen Betrieb ermöglichen. Unter dem Gebäude schafft eine natürlich belüftete Tiefgarage Raum für 20 Stellplätze.

Schrittweise Annäherung

Man betritt die Kirche über den westlichen Nebentrakt, ein weit ausladendes Vordach dient als schützender Unterstand. An der Garde­robe führt eine Treppe die Nutzer der Tiefgarage hinauf. Durch ein Panoramafenster am Treppenaufgang blicken sie auf die schimmernde Kirchwand und werden so schrittweise auf den Gottesdienst eingestimmt.

Ein Quader aus Eichenholz bündelt WCs, Teeküche, Altarschmuckraum und Sakristei. Türblätter mit Griffen aus Bronze und Fächer für die Gebetsbücher sind flächenbündig in den Holzkorpus eingelassen, die Durchreiche zur Küche versteckt sich hinter einer motorbetriebenen Holzklappe. „Alles was man anfassen kann, ist aus Eiche oder Bronze. Materialien, die sich haptisch erleben lassen“, sagt Architekt John Höpfner.

Wie die Straßenfront wurden auch die Seitenwände des Kirchsaals beidseitig mit Kalkglätte verputzt. Ein Oberlicht zeichnet feine Schattenmuster auf die glänzende Rückwand des Saals, die den Nebentrakt flankiert. Die Lichtwand führt Besucher weiter zum Foyer, das den Kirchsaal und drei rückwärtige, über Holzschiebewände in der Größe veränderbare Mehrzweckräume erschließt. Die Wandelemente lassen sich in einer abtrennbaren Abstellzone parken, in der auch Stühle, Tische und Rollcontainer Platz finden. Foyer und Kirchsaal sind über 4,5 m hohe und 2,5 m breite Glastürflügel verbunden. Zieht man die Glastüren auf, kann der Sakralraum bis zum Garten im Süden von 250 auf 450 Sitzplätze erweitert werden.

Der Saal ist für eine Kirche ungewöhnlich hell und strahlt – trotzdem oder gerade deshalb – Würde und Intimität aus. Fünf weiß lackierte Stahlträger halten die abgehängte Decke, die zu drei Seiten von den Außenwänden abgelöst ist. Oberlichter tauchen die schimmernd-glatten Kalkputzwände in helles Licht. Zum Altar hin wird der Raum heller: Direkt vor der Altarwand steht man fast schon im Licht und
ist am Ende des Weges angekommen, der vom schmalen, geduckten, eher dunklen Nebentrakt ins Weite, Helle, Himmlische führt. Der heller werdende Bodenbelag aus Feinsteinzeugfliesen unterstützt diesen Effekt und wechselt von anthrazitgrau im Nebentrakt über basaltgrau (Foyer und Mehrzweckräume) bis hin zu sandbeige (Kirchsaal).

Die zeitlos-schönen, von den Architekten entworfenen Möbel wie Opferschrank, Dirigentenpult oder Altar sind – ebenso wie Bänke und Chorgestühl – aus gebürsteter Eiche. Der drei Tonnen schwere Altar besteht aus lose gestapelten Eichenholzbalken, die sinnbildlich die einzelnen Gemeindemitglieder mit ihren Eigenheiten darstellen.

Raumklang für Wort und Musik

Die Akustik des Kirchsaals verlangte von den Planern eine genaue Auseinandersetzung mit dem Raum, da verschiedene Nutzungsszenarien mit teils widersprüchlichen Anforderungen an die Akustik gefordert waren. „Einerseits muss bei Gottesdiensten die Predigt am Altar gut zu verstehen sein. Andererseits sollten Chorgesang, Orchesterspiel und Orgelkonzerte den Raum klanglich exzellent füllen“, sagt Martina Freytag, Akustikplanerin von der beratenden Ingenieurgesellschaft Müller-BBM. Für die neue Pfeifenorgel, die eigens für die
Kirche in der Tradition des französisch-romanischen Orgelbauers Cavaillé-Coll erbaut wurde, war eine ausreichende Nachhallzeit besonders wichtig, damit sich ihr Klang entfalten kann.

Eine Herausforderung stellten dabei die vielen glatten, schallharten Wandflächen aus Putz oder Glas dar. „Der Raum bot wenig Streukörper, um den Schall zu verteilen. Gleichzeitig waren schallabsorbierende Flächen notwendig – aber nur in geringem Umfang, um eine Überakustik zu vermeiden und den tragenden Raumklang der Orgel zu wahren“, sagt Martina Freytag. Gemeinsam erarbeiteten Architekten und Akustikplaner mehrere Entwürfe für eine Akustikdecke (schachbrettartig, streifenförmig überlappend bis wellenförmig), deren geometrische Schalllenkung und akustische Oberflächenwirkung sie mit Hilfe von Computersimulationen testeten. Schließlich entschied man sich, die Decke aufzufächern und den Schall dadurch zu streuen und in den Kirchenraum zu lenken. Die Trägerplatten für den Deckenputz sind aus porösem Material, das akustisch leicht dämpfend wirkt.

Auch Sitzpolster und Stoffbezüge wurden akustisch optimiert, so dass die Schwankungen der Nachhallzeiten minimal sind – egal, ob 30 oder 120 Zuschauer im Gottesdienst sitzen. Die glatten Oberflächen zwangen die Planer zudem, den Raum an einigen Stellen „gestalterisch zu stören“. Um Mehrfachreflexionen, sogenannte Flatterechos, zwischen den parallelen Wänden zu vermeiden, verengten sie die Seitenwände zum Altar hin leicht. Auch die sägezahnförmig in die Holzrahmen gesetzten Glastüren beugen störenden Echos vor. An der Ostwand wirken zusätzlich einige schmale Fensternischen als Streukörper. Die „Eingriffe“ stören den Raumeindruck nicht, sondern bereichern ihn im Detail.

Wie formschön sich Raumakustik und Architektur ergänzen, zeigt nicht zuletzt die neue Pfeifenorgel. Ein schlichter, weiß lackierter, bündig in eine Wandnische gesetzter Holzrahmen fasst die Silberpfeifen ein. Es ist der einzige Akzent in den glatten, weißen Wandflächen, die sonst nur vom Licht bespielt werden. Michael Brüggemann, Mainz

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