Arbeitsteilung in der VHF
Aluminium-Composites auf der Fassade

In früheren Epochen richtete sich die Auswahl des Bau- und damit auch des Fassadenmaterials zumeist nach dessen Verfügbarkeit. Das Vorkommen von Ton brachte beispielsweise Ziegelarchitekturen hervor, der Schieferbergbau war im regionalen Stadtbild ablesbar und Holz als fast überall verfügbarer Baustoff war dementsprechend weit verbreitet. Inzwischen ist es möglich, nahezu jedes natürliche Material der Welt herbeizuschaffen und einzusetzen.

Darüber hinaus sind eine große Zahl von Werkstoffen und Halbzeugen hinzugekommen, die großes technisches und gestalterisches Potential aufweisen. Architekten und Ingenieure können heute Materialien verwenden, deren Möglichkeiten weit über die der traditionellen Baumaterialien hinausgehen, wie zum Beispiel Verbundwerkstoffe, so genannte Composites. Zu diesen zählen etwa faserbewehrte Betone und Aluminiumverbundplatten.

Die grenzenlose Verfügbarkeit von Mate­rialien hat in Verbindung mit dem bautechnischen Fortschritt dazu geführt, dass Architekten heute bei der Planung der Fassade eine Freiheit erleben, die es nie zuvor gegeben ­
hat und die Verbindung von Ästhetik und Funktion mit größter Individualität gestalten können.

VHF – bauphysikalische Eigenschaften

Das Prinzip der vorgehängten hinterlüfteten Fassade (VHF) besteht vor allem darin, Tragwerk und eigentliche Fassade voneinander zu trennen. Die Fassade hängt – durch eine Luftschicht getrennt – als eigenständiges Bauteil vor der tragenden, gedämmten Wand. Sie übernimmt die repräsentativen Aufgaben (Fassade: lat. facies = Gesicht) sowie den äußeren Wetterschutz. Sie kann aufgrund ihrer dreidimensional justierbaren Unterkonstruktion ein unregelmäßiges, tragendes Mauerwerk eben überdecken oder eine gerade und winklige Konstruktion mit runden und organischen Formen bekleiden. Sie kann, unabhängig vom eigentlichen Tragwerk, trans­pa­rent, geschlossen, farbig, schlicht, konser­vativ oder extravagant sein und ist ohne großen baulichen Aufwand veränderbar, da die Unterkonstruktion in der Regel verschiedene Materialien aufnehmen kann. Deren hygroskopische (Holz) sowie thermi­sche (Metall, Kunststoff usw.) Eigenschaften sind allerdings zu berücksichtigen: Aluminium z. B. weist bei einem ∆ t von 100 K einen Wärmeausdehnungskoeffizienten von 2,4 mm bei ­einer Plattenlänge von 1 m auf. Um dieses Maß kann das Material also maximal „arbeiten“. Solche möglichen Abweichungen müssen in der Konstruktion aufgefangen werden. Umgekehrt ist die Unterkonstruktion aber auch in der Lage, in gewissem Rahmen Bewegungen des Gebäudekörpers aufzunehmen. Schäden an der Fassade, wie etwa Risse im Putz oder in Fugen sowie daraus resultierende weitere Bauschäden können mittels einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade weitgehend vermieden werden.

Durch die Definition des Abstandes zwischen Fassade und tragender Wand lässt sich die Dicke der benötigten Dämmung frei wählen. Die Dämmung ist – je nach Fugenausbildung und -breite – gut bis vollständig vor Feuchtigkeit geschützt. Durch Wind, Starkregen, Flugschnee etc. dennoch punktuell eingetragene Feuchte wird durch Zirkulation in der Luftschicht rasch wieder abgeführt. Die Dämmung bleibt trocken und kann ihre Aufgabe zuverlässig und langlebig erfüllen. ­Diffundierender Wasserdampf findet aufgrund des Dampfdruckgefälles von innen nach außen und durch die absolute Diffusionsoffenheit der vorgehängten hinterlüfteten Fassade einen freien Weg in die Umgebungsluft. Die Materialien, mit denen eine VHF bekleidet werden kann, sind zahlreich. Es gibt keramische, zement- und harzbasierte Platten, solche aus Ziegel und Metall. Unter den ­metallischen Materialien zählen Kupfer, Zink und Aluminium zu den am häufigsten verwendeten. All diese Materialien haben ihre technische und baugeschichtliche Berechtigung. Bei der Auswahl des passenden Baumaterials sollten – neben der Entwurfsabsicht und den persönlichen Präferenzen – vor allem die technischen Eigenschaften eine entscheidende Rolle spielen.

Konstruktion einer VHF

Eine VHF besteht üblicherweise aus der tragenden Wand (Mauerwerk, Beton), der Unterkonstruktion mit Dämmung, einer Luftschicht und der Bekleidung.

Die Unterkonstruktion kann aus Holz, Aluminium oder korrosionsfestem Stahl bestehen. Durchgesetzt haben sich hier vor allem strang­-
gepresste Aluminiumprofile. Diese sind erprobt, sicher und lassen sich leicht in drei Dimensionen justieren, was die Montage wirtschaftlich macht. Um Windlasten aufnehmen zu können gibt es fixe Haltepunkte sowie Gleitlager. Die Verankerung der Profile in der tragenden Wand muss statisch nachgewiesen werden. Entsprechende Dübel (Rahmendübel für Stahlbeton, Verbunddübel („Klebeanker“) bei Mauerwerk verfügen in der Regel über eine Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung und sind so unproblematisch im Gebrauch.

Die Dämmung besteht im Normalfall aus mineralischen Baustoffen der Wärmeleitgruppen 040 und 035. Mit diesen Materialien ist neben dem baulichen Wärmeschutz auch gleich ein ausreichender Brandschutz gewähr­leistet, und zwar bei jeder Gebäudehöhe. Die Dämmung kann mechanisch befestigt oder geklebt werden. Bei der Verklebung wird eine dauerhafte Abreißfestigkeit von mindestens 0,01 N/mm² verlangt. Bei der Auswahl des Klebers beraten die Dämmstoffhersteller. Der Grenzwert nach Energieeinsparverordnung (EnEV) beträgt derzeit für Außenwände
U = 0,28 W/m²K, die neue EnEV verlangt ­
U = 0,21 W/m²K für Neubauten ab 2016.

Die Tiefe der Hinterlüftung muss durchgehend mindestens 20 mm betragen, in Einzelfällen kann der Abstand auf 5 mm reduziert werden. So ist das Abführen von anfallen­-
der Feuchte aus der von innen nach außen dampfdiffusionsoffener werdenden Konstruktion gewährleistet. Außerdem muss im Sockel- wie im Dachbereich ein Belüftungsquerschnitt ≥ 50 mm²/m geplant und ausgeführt werden. Hier werden Lochprofile eingesetzt, um ein Verschließen der Hinterlüftung durch Verschmutzung sowie deren Besiedelung durch Kleintiere zu unterbinden. Die Anforderungen an die hinterlüftete Außenwandbekleidung sind in der DIN 18516-1:2010-06 ­geregelt.

Dem „Arbeiten“ der Fassade aufgrund von Windlasten und thermischen Veränderungen ist durch ausreichende Fugenbreite und durch hinlänglich dimensionierte Bohrlöcher Rechnung zu tragen. Die Fugenbreiten sind vom gewählten Bekleidungsmaterial abhängig. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine 10 mm breite Fuge einen voll ausreichenden Schlagregenschutz gewährleistet.

Brandschutz

Vorgehängte hinterlüftete Fassaden aus ­Metall und Metall-Verbundmaterial sind seit Jahrzehnten im Einsatz. Die Erfahrungen von Bau­herren und Betreibern, aber auch die von Prüf­instituten und Feuerwehren zeigen, dass die Brandlast regelkonform montierter Fassaden als unkritisch zu beurteilen ist. Die Brand­schutzanforderungen sind in zahlreichen Regel-
werken festgehalten, die regional unterschiedlich ausfallen und sich gegenwärtig in der fachlichen Diskussion befinden. Stellvertretend seien hier die Landesbauordnun­gen (LBOs) der Länder genannt, die Hochhausrichtlinien und -verordnungen, die Verordnungen/Richtlinien über den Bau und Betrieb von Beherbergungsstätten/Gaststätten sowie die Bestimmung Baulicher Brandschutz im Industriebau. Vertiefende Informationen stellt das Informationssystem der Bauministerkonferenz im Internet unter www.is-argebau.de zur Verfügung.

Grundsätzlich spielt beim Brandschutz vorgehängter hinterlüfteter Fassaden die Gebäu­dehöhe (gemessen von OFF des obersten Geschosses bis OK Gelände) eine wesentliche Rolle. Hier werden drei Gruppen unterschieden; Gebäude geringer Höhe (≤7 m), Gebäude mittlerer Höhe (7 – 22 m) und Hochhäuser (> 22 m).

Ferner wird die Auswahl durch die Gebäudeklassen 1 – 5 nach der Musterbauordnung (auch hier bestehen regionale Abweichungen) bestimmt. Leicht entflammbare Materialien sind bundesweit ausgeschlossen. Für Gebäude der Gebäudeklassen 1 – 3 ist der Brandschutz ausreichend, wenn Unterkonstruktion und Fassadenmaterial als normal entflammbar eingestuft sind. Bis zur so genannten Hochhausgrenze (22 m) sind nicht brennbare Unterkonstruktionen und Dämmstoffe gefordert, für die Bekleidung reicht die Kategorie schwer entflammbar (Bei Sonderbauten sind ggf. Einschränkungen zu berücksichtigen). Ab der Hochhausgrenze darf nur noch nicht brennbares Material zum Einsatz kommen. Die Wärmedämmung muss unabhängig von der Gebäudeklasse nicht brennbar sein.

Composites – Verbundmaterialien

Verbundmaterialien kommen dort zum Einsatz, wo die physikalischen bzw. technischen Eigenschaften eines einzelnen Werkstoffes nur zum Teil akzeptabel erscheinen: Stabil aber zu schwer, leicht aber nicht stabil, fest aber nicht elastisch genug, gut bearbeitbar aber nicht langlebig etc. Ein Beispiel für ein Composite ist der Stahlbeton: der Beton selbst übernimmt die Druck-, das Metall der Bewehrung die Zugkräfte. Im Verbund, als Composite sozusagen, ist Beton nach wie vor in vielen Anwendungen unübertroffen.

Bei der Metallfassade existieren ähnliche, widersprüchlich erscheinende Materialanforderungen. Das metallische Material soll möglichst plan und eben sein. Gleichzeitig möchte man es aber auch biegen, formen und falten. Die Kantenausbildung hat höchsten ästhetischen Ansprüchen zu genügen, und zwar über viele Jahre hinweg. Die Bearbeitung, in der Vorfertigung wie auf der Baustelle selbst muss unproblematisch, sicher und rasch erfolgen können. Komplizierte Gebäudegeometrien sollen sich in einer durchgehenden Qualität realisieren lassen. Die Oberfläche soll variantenreich sein, von schlicht bis spektakulär, von metallisch bis farbig, und schließlich soll die Fassade auch nachhaltig und bezahlbar bleiben.

Aluminium-Verbundplatte

Bei einer Fassadenplatte aus Aluminium-Verbund handelt es sich um eine Sandwichkonstruktion: Ein Kern aus mineralisch gefülltem Compound wird beidseitig mit Aluminium kaschiert, wodurch eine große Biegesteifigkeit erzielt wird. Wie bei einem Doppel-T-Träger liegen die größten Materialdichten nun in der Zug-, bzw. in der Druckzone. Entlang der statisch neutralen Nulllinie befindet sich das leichte Material, das den Verbund herstellt. So entstehen leichte, sehr feste und plane Platten. Ein weiterer Vorteil dieses Schichtaufbaus ergibt sich hinsichtlich der Akustik. Entsprechend dem Masse-Feder-System entkoppelt die Kernschicht die beiden starren Metallplatten. Dies zeitigt einen starken Dämpfungseffekt: die Fassadenplatten selbst werden „entdröhnt“, was sich etwa bei auftreffendem Niederschlag angenehm bemerkbar macht. Außerdem üben die Fassadenelemente auf diese Weise eine schalldämmende Wirkung aus; der Rw-Wert ist mit 27 dB angegeben, das entspricht in etwa der Wirkung eines einfach verglasten Fensters. Dieser an sich gering erscheinende Wert ergibt im Rahmen der gesamten VHF eine Verdopplung der Schalldämmung des tragenden Mauerwerkes.

Aluminium ist bekanntermaßen ein weiches Metall, das sich hervorragend schneiden, fräsen, bohren, scheren, stanzen und schleifen lässt, desgleichen nieten, schrauben und kleben; der Kern stört bei der Ver­arbeitung nicht. Ganz im Gegenteil, er ermöglicht vielmehr die so genannte Fräskanttechnik. Bei dieser wird die Platte von innen in einer definierten Geometrie ausgefräst, so dass sich das äußere Aluminiumblech um die Ausfräsung kanten lässt. Das Material verhält sich dabei gutmütig, sodass die Abkantungen spitzwinklig (45°-Winkel) und spitz (r = 3 mm) erfolgen können. Dieses vielfach erprobte Verfahren lässt sich ohne großen Aufwand in der Vorfertigung einsetzen, und sogar noch auf der Baustelle.

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