Akustikplanung in Bildungsbauten
Den Professor nicht nur hören, sondern auch verstehen

Erst die gute Hörsamkeit ermöglicht eine zweckentsprechende Nutzung von Klassenzimmern oder Hörsälen. Sie wird damit zu einer architektonischen Qualität beim Bau von Schulen und Hochschulen. Ein ganzheitlicher Planungsansatz berücksichtigt das Zusammenwirken aller akustisch wichtigen Raumelemente. Die Kombination von Maßnahmen an der Wand und an der Decke beugt Diffusitätsproblemen vor und schützt vor Kostenexplosionen durch den alleinigen Einsatz hochabsorbierender Decken. Neben der gestalterischen Dimension eines Entwurfs oder z. B. der thermischen Behaglichkeit, ist die Raumakustik eine weitere Qualität von Architektur, die bewusst geplant werden muss. Denn für das positive Erleben eines gebauten Raums ist der akustische Komfort für das Ohr ebenso ausschlaggebend wie die ästhetische Wahrnehmung für das Auge oder die ausreichende und gleichmäßige Wärme für das Temperaturempfinden.

Besondere Bedeutung hat der akustische Komfort in Schul- und Hochschulbauten, weil hier die Kommunikation mittels des gesprochenen Wortes unabdingbare Voraussetzung ist, um die Gebäude und Räume überhaupt in der vorgesehenen Art nutzen zu können. Zwar können Lehrinhalte auch über Tafelbilder und Präsentationen optisch dargestellt werden, aber ohne den begleitenden Kommentar des Vortragenden und ohne die Diskussion unter den Mitlernenden bleiben Vorlesungen und Seminare eine tote Hülle. Wo Sprache aber nur mühsam zu verstehen ist, müssen zusätzliche kognitive Energien mobilisiert werden, um die Sprachinformationen zu verarbeiten, was beinahe zwangsläufig auf Dauer zu Konzentrationsstörungen und Leistungsabfall führt. Akustischer Komfort bedeutet deshalb nicht nur, gesprochene Worte oder Musik überhaupt zu hören, sondern sie ohne Anstrengung und ohne Störung in angemessener Qualität wahrnehmen, verstehen und verarbeiten zu können.

Das bekannteste und am häufigsten eingesetzte Bauteil zur Beeinflussung der Raumakustik ist die Akustikdecke, also eine leichte, abgehängte Unterdecke mit bestimmten schallabsorbierenden oder ggf. auch schallreflektierenden Eigenschaften. Das gilt im Grundsatz auch für die Klassenzimmer oder die Aula in Schulen sowie in Hörsälen und Seminarräumen von Hochschulen und Universitäten. Gerade in diesen Bildungsbauten sind jedoch sehr unterschiedliche Raumverhältnisse und immer wieder neue kommunikative Situatio­nen zu erwarten, weshalb die alleinige Betrachtung der Decke oft nicht ausreichend ist. Eine zielgerichtete, raumakustische Optimierung, die zugleich auch wirtschaftlich vertretbar sein soll, muss mit einem ganzheitlichen Konzept geplant werden, sodass neben der Decke dann bspw. auch Maßnahmen an den Wänden sowie die Möblierung oder die Raumbelegung zu berücksichtigen sind.

Raumakustik im Regelwerk

Grundlage der raumakustischen Planung ist die Neufassung der DIN 18041 Hörsamkeit
in Räumen – Vorgaben und Hinweise für die Planung (Anm.: Die Einführung der DIN 18041 war für Okt. 2015 vorgesehen). Es handelt sich um eine baurechtlich nicht eingeführte Norm, die aber trotzdem gerade bei Lehrräumen als eindeutige Handlungs­anweisung für die Innenausstattung herangezogen werden sollte.

Denn wenn Schul- oder Universitätsgebäude eindeutige akustische Mängel aufweisen, können diese neben dem negativen Leistungsbild für den Planer auch rechtliche Konsequenzen bis hin zur akustischen Nachbesserung haben, weil die Norm den aktuellen Stand der Technik abbildet.

Auffälligste Änderung der Norm ist vielleicht ihr neuer Titel, denn die Vorgängerversionen von 1968 und 2004 verwiesen noch auf „kleine bis mittelgroße Räume“. Jetzt ist der Anwendungsbereich auf Raumvolumina bis etwa 5 000 m³ sowie bei Sport- und Schwimmhallen bis 30 000 m³ festgelegt und dürfte damit für praktisch alle im Schul- und Hochschulbau auftretenden Raumarten zutreffen.

Die Neufassung setzt außerdem einen verstärkten Schwerpunkt beim Thema Inklusion, also der bestmöglichen Integration von Menschen mit Behinderung und einem erhöhten Bedürfnis für gute Hörsamkeit.

Eine optimale Sprachsituation kann jedoch die Lernerfolge nicht nur bei Handicaps im Hören sowie beim Verstehen und Verarbeiten von Sprache verbessern, sondern bspw. auch die Kommunikation für Nicht-Muttersprachler sehr vereinfachen.

Bauakustik als Voraussetzung für Raumakustik

Der eben bereits benutzte Begriff der „guten Hörsamkeit“ ist der zentrale Qualitätsbegriff in der DIN 18041. Unter Hörsamkeit wird die „Eignung eines Raums für bestimmte Schalldarbietungen, insbesondere für angemessene sprachliche Kommunikation und musikalische Darbietung an den für die Nutzung des Raumes vorgesehenen Orten“ verstanden. Die Eigenschaft „wird vorwiegend durch die geometrische Gestaltung des Raumes, die Auswahl und Verteilung schallabsorbierender und schallreflektierender
Flächen, die Nachhallzeit und den Gesamtstörschalldruckpegel beeinflusst“.

Aus dieser Definition ergibt sich die eindeutige Trennung zwischen den Disziplinen Raumakustik und Bauakustik. Raumakustik zielt auf das akustische Geschehen und die Hörsamkeit innerhalb eines Raumes ab.

Bauakustik hingegen, die nach dem Titel der maßgebenden Norm DIN 4109 auch Schallschutz im Hochbau genannt werden kann, bezieht sich auf das ganze Gebäude und hier speziell auf den eindringenden Außenlärm sowie die Schallweiterleitung zwischen verschiedenen Räumen. Raumakustik und Schallschutz fordern vom Planer jeweils getrennte Überlegungen und Maßnahmen. Sie haben aber insofern Berührungspunkte, als eine gute Bauakustik den Störschall in einem Raum reduziert, womit der Schallschutz eine bauliche Voraussetzung der Raumakustik wird.

Die Einflussfaktoren auf die Raumakustik inklusive der bauakustischen Voraussetzungen zeigt Tabelle 1. Der wichtigste raumakustische Parameter, mit dem die Hörsamkeit geplant werden kann, ist die Nachhallzeit T. Definiert ist sie als die Zeitspanne in Sekunden, in der der Schalldruckpegel im Raum nach Beenden der Schallfeldanregung um 60 dB abfällt.

Praktisch erleben lässt sich eine zu lange Nachhallzeit, wenn die Worte in einem Raum nachhallen, also nach dem Aussprechen immer noch zu hören sind. Die Extremform eines Halles ist das Echo. Aber auch in vielleicht nicht einmal bewusst wahrnehmbaren Fällen überlagern sich bei einer zu langen Nachhallzeit die End- und Anfangssilben aufeinander folgender Wörter, was die Sprachverständlichkeit deutlich erschwert.

Anforderungen nach Nutzungsart

Ziel der raumakustischen Optimierung ist deshalb nach DIN 18041 vor allem eine Nachhallzeit, die bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Die Norm geht dabei den Weg, die grundsätzlichen Raumgruppen (RG) A und B festzulegen und jede Gruppe noch einmal nach fünf Nutzungsarten zu unterscheiden (A1 bis A5 bzw. B1 bis B5). Wie Tabelle 2 zeigt, gehören die klassischen Räume für die Schul- und Hochschulbildung zu Raumgruppe A, vor allem die Unterrichts- und Seminarräume sowie Hörsäle. Je nach Art und Nutzung des Gebäudes können aber auch im universitä­ren Bauen einzelne Räume der Gruppe B auftreten (s.Tabelle 3), etwa Verkehrsflächen, ­Biblio­theken oder Kantinen. Für die Raumgruppe
A sind Zielwerte der Nachhallzeiten bei mittleren Frequenzen (500 Hz und 1 000 Hz) als Soll-Nachhallzeit TSoll festgelegt, die nach vorgegebenen Formeln in Abhängigkeit vom Raumvolumen berechnet werden. Da die Nachhallzeit frequenzabhängig ist, wird für RG A1 bis A4 außerdem ein Toleranzbereich vorgegeben.

Baupraktisch beeinflussen lässt sich die Nachhallzeit durch die Dimensionierung und räumliche Verteilung schallabsorbierender und reflektierender Flächen, die sehr anschaulich auch als schallweiche bzw. schallharte Oberflächen bezeichnet werden. Schallweiche Oberflächen mit ihrer hohen Absorption wandeln innerhalb ihrer materialspezifischen Struktur einen hohen Anteil der auftretenden Schallenergie in Wärme um und verhindern damit den Nachhall. Umgekehrt zeichnen sich schallharte Oberflächen durch eine hohe Reflexion der auftreffenden Schallenergie aus und bewirken damit lange Nachhallzeiten.

Für die Raumgruppe B werden keine Soll-Nachhallzeiten festgelegt, sondern Orientierungswerte für das Verhältnis der äquivalenten Absorptionsfläche eines Raumes zum Raumvolumen (A/V) vorgegeben. Die äquivalente Absorptionsfläche eines Raumes ist per Definition die hypothetische Größe einer Fläche mit dem Schallabsorp­tionsgrad 1, die die gleiche Schallleistung absorbiert wie die Summe aller absorbierenden Elemente und Oberflächen im Raum. Oder anders ausgedrückt: Es handelt sich um eine fiktive, aber berechenbare Modellfläche, deren Schallabsorptionsgrad α = 1 ist und für deren Mindestgröße im Verhältnis vom Raumvolumen die Norm eine Orientierung gibt.

Hörsamkeit nicht nur mit der Decke beeinflussen

Doch egal, ob Soll-Nachhallzeit für RG A oder äquivalente Absorptionsfläche für RG B, die Einhaltung der Vorgaben aus der DIN 18041 verlangt vom Planer in Bildungsbauten
meist das zusätzliche Einbringen schallwei­cher (schallabsorbierender) Oberflächen. Den größten Freiraum für Absorptionsmaßnah­men bietet i. d.R. die Decke. Hier ist der Platz, um schallabsorbierende Materialien, wie z. B. Platten aus Mineralwolle, als abgehäng­te Unterdecke zu montieren. Funktionen wie die Beleuchtung oder Belüftung lassen sich problemlos integrieren, im Raum über der abgehängten Decke entsteht zugleich ein ­Installationshohlraum für die Versorgungsmedien. Weil diese Installatio­nen für Wartungs- und Reparaturarbeiten zugänglich bleiben sollen, bieten sich vor allem Akustikdecken mit einzeln herausnehmbaren Platten an.

Neben konventionellen, zumeist regelmäßig rechteckigen Rasterdecken stehen mittlerweile auch anspruchsvoll gestaltete Design-Systeme zur Verfügung. Etwa Decken mit trapezförmigen Platten, mit Kombinationen verschiedener Formate oder mit individuell bedruckbaren Oberflächen. Andere Möglichkeiten sind perforierte oder mikroperforierte Metalldecken mit Akustikauflage oder die völlig fugenlose Ausführung der Unterdecke mit einem Akustikputz, die allerdings preislich in einem deutlich höheren Bereich liegt.

Was den Blick auf das beim Bau von Schulen und Hochschulen wichtige Budget lenkt. Gerade unter dem Aspekt der Baukosten ist eine alleinige Fixierung auf die Decke als raumakustische Maßnahme oft nicht sinnvoll. Denn um die angestrebten Nachhallzeiten zu erreichen, müssen dann eventuell Deckenplatten mit sehr hoher Schallabsorption ­vorgesehen werden. Diese sogenannten ­A-Absorber, also Decken der Schallabsorp­tionsklasse A mit Absorptionsgraden über 0,9 bzw. 90 %, sind zwar hochwirksam, aber auch kostenintensiv. Ökonomisch kann es günstiger sein, eine etwas geringer absorbierende Decke zu wählen und ergänzende Maßnahmen an den Wänden vorzusehen.

Diese Wandabsorber optimieren nicht nur die Dauer der Nachhallzeit, sondern kompensieren auch die Streuungsprobleme des Schalles im Raum: ein Phänomen, das z. B. für Hörsäle einige Bedeutung hat, in denen schallweiche Oberflächen an der Rückwand störende Reflexionen verhindern. Aber auch in Seminarräumen oder Klassenzimmern müssen die differenzierten Lehrmethoden beachtet werden: Klassischer Frontalunterricht ist selten geworden, die Gruppenarbeit oder der Anteil an allgemeiner Kommunika­tion mit Sprechern an wechselnden Standorten nehmen zu. Für diese sehr unterschiedlichen Nutzungen muss eine vernünftige Grundakustik geschaffen werden, die neben dem Parameter Nachhallzeit auch die Diffusität des Schalles im Raum berücksichtigt.

Planen mit ganzheitlichem Konzept

Die gute Hörsamkeit in den Räumen von Schulen und Hochschulen ist keine reine Maximierungsaufgabe! Es geht nicht einfach darum, möglichst viel Absorption auf möglichst viel Deckenfläche unterzubringen. Eine zu starke Bedämpfung allein von oben kann sogar kontraproduktiv sein. Ohne Berücksichtigung der Wände entstehen eventuell Flatter­echos oder es bleiben Unzulänglichkeiten bei der Schallstreuung (Diffusität) bestehen. Gerade bei Diffusitätsproblemen wird der Mehrwert einer hochabsorbierenden – und meist auch höherpreisigen – Decke oft verschenkt und ihr Absorptionsvermögen nicht voll ausgenutzt. Zugespitzt formuliert: Es kommen oben an der Decke gar nicht genügend Anteile der Schallenergie an, als dass die Hochleistungs-Decke ihr theoretisch vorhandenes Potential auch praktisch zur Geltung bringen könnte.

Wegen den hier angedeuteten akustischen Details sollte die Raumakustik mit ganzheitlichem Konzept sowie unter frühzeitiger Einbeziehung spezialisierter Akustikfachplaner und/oder der Fachberater des Herstellers geplant werden. An erster Stelle stehen dabei die individuellen Zielsetzungen und ein interaktiver Austausch mit dem jeweiligen Projektpartner. Für welche Situation soll der entsprechende Raum akustisch optimiert werden? Welche baulichen Besonderheiten gilt es zu berücksichtigen und welche Art der Möblierung ist geplant? Der Blick geht hier stets über den Tellerrand – also die gängige Akustik­decke – hinaus, Empfehlungen beziehen sich dabei auch auf schallabsorbierende Wandelemente und alternative Lösungsansätze.

Während im Neubau die Berechnung der künftigen Raumakustik im Mittelpunkt steht, ist beim Bauen im Bestand auch eine Projektierung mittels Messungen möglich. Diese Messungen müssen den Einfluss der Raumbelegung und -möblierung berücksichtigen. Nachhallzeiten nach der DIN 18041 beziehen sich stets auf besetzte Räume und sind gegebenenfalls entsprechend umzurechnen. Zusammen mit einem Fachberater kann der Architekt die Primärstruktur aus Raumform und Raumgröße sowie die Sekundärstruktur der Oberflächenbeschaffenheit im Raum sowohl unter entwurfsästhetischen als auch unter raumakustischen Aspekten optimieren. Besondere Raumsitua­tionen, der Einsatz einer künftigen Beschallungsanlage im Hörsaal oder die Anforderungen an die Inklusion lassen sich dann frühzeitig in das Projekt integrieren. Ein ganzheitlicher Ansatz ist wirtschaftlicher als die reine Deckenmaximierung.

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