Aerogele, PUR und Mineralwolle & Co
Eigenschaften und Anwendungen von Dämmstoffen

In letzter Zeit gibt es besonders viele Dis-

kussionen rund um das Thema Dämmen von Gebäuden. Befürworter und Gegner ver-

suchen auf vielfältige Art und Weise ihre Argumente zu vertreten. Dabei geht es um Fragen, wie die architektonische Qualität dick gedämmter Fassaden oder die Wirtschaftlichkeit von Dämmmaßnahmen, um Angstthemen, wie Schimmel und Brandverhalten, bis hin zur Entsorgung der verschiedenen Materialien. Wenn man die einzelnen Aspekte genauer betrachtet, muss man fest-

stellen, dass es eigentlich nicht um das Dämmen grundsätzlich geht.

Dämmen an sich ist keine neuzeitliche Erfindung. Schon immer ging es um ein angenehmes Wohnklima und irgendwie auch um das Einsparen von Brennstoff. Bei histori-schen Bauweisen haben sich zahlreiche Methoden und Materialien etabliert, seien es

dicke Wände, kleine Fenster, Kastenfenster, klassische Wintergärten, mit Reet oder Grassoden abgedeckte Dächer, 2-schalige Bauweisen, holzvertäfelte Räume in Zimmermannsarbeit (die sogenannten Zimmer) und vieles mehr. Bei heutigen Bauweisen sind die Ansprüche und Anforderungen gestiegen. Wir sind gefordert, schlank und so energieeffi-

zient wie möglich zu bauen. Dabei spielen die geeigneten Konstruktionen und Materialien eine wesentliche Rolle.

Es geht heute also eher um Detailfragen: z. B. Welche Anwendung ist wirklich sinnvoll? Ist die Maßnahme wirtschaftlich? Gibt es gesundheitliche Aspekte zu beachten und welcher Dämmstoff ist am besten geeignet? Dazu gilt es, die Materialeigenschaften zu kennen und zu wissen, welche davon für die gewünschte Anwendung relevant sind. An erster Stelle steht die Wärmeleitfähigkeit, dann folgen spezielle Eigenschaften wie Druckfestigkeit, Flexibilität und Verarbeitbarkeit, Feuchteempfindlichkeit, Brandverhalten etc. Um hier einen Überblick zu bekommen, hilft zunächst ein allgemeines Verständnis über die Systematik der Dämmstoffe und dann auch die DIN 4108 „Wärmeschutz und Energieeinsparung von Gebäuden“, insbesondere Teil 10 „Anwendungsbezogene Anforderungen an Dämmstoffe“.

Übersicht

Grundsätzlich werden Dämmstoffe nach ihrer Rohstoffbasis anorganischen (mineralischen) und organischen Ursprungs unterschieden. Beide Gruppen werden nochmals untergliedert in natürliche Dämmstoffe, bei denen der Rohstoff prinzipiell unverändert bleibt und in synthetische Dämmstoffe, bei denen der originäre Rohstoff durch eine Bearbeitung in seiner mineralogischen Zusammensetzung geändert wird. Grundsätzlich sind dabei alle Dämmstoffe anorganischen Ursprungs vorteilhafter im Brandverhalten. Viele Dämmstoffe organischen Ursprungs sind etwas günstiger bei der Wärmeleitfähigkeit.

Eigenschaften der Dämmstoffe

Um die Frage „Welcher Dämmstoff für welche Anwendung“ beantworten zu können, muss man sich detaillierter mit den Eigenschaften der Dämmmaterialien beschäftigen. Für alle relevanten physikalischen Eigenschaften gibt es eine Reihe von Stoff- und Prüfnormen, die spezifische Qualitätsstufen definieren. Die am Markt erhältlichen Produkte werden danach geprüft und überwacht.  Für alle relevanten Eigenschaften geben die Produkthersteller dementsprechend technische Werte an, die regelmäßig von neutralen Instituten kontrolliert werden, um gleichbleibende Qualitäten zu sichern.

Nachfolgend ein paar grundsätzliche Er-

läuterungen zu den drei wichtigsten Eigenschaften: Wärmeleitfähigkeit,Wasseraufnah-me und Druckfestigkeit.

Wärmeleitfähigkeit

Bei Wärmedämmstoffen steht die Wärmeleitfähigkeit im Vordergrund. Grundsätzlich gelten Materialien mit einer Wärmeleitfähigkeit von ≤ 0,1 W/(mK) als Dämmstoff. Die Mehrzahl der Dämmstoffe hat Wärmeleitfähigkeiten im Bereich von 0,03 bis 0,05  W/(mK). Im Vergleich zu Beton mit einer Wärmeleitfähigkeit von 2,1 W/(mK) wird die Leistung der Dämmmaterialien deutlich. Innerhalb einer Stoffgruppe sind teils große Schwankungen möglich, die z. B. durch Rohdichte, Porengröße oder Zellgase beeinflusst werden können.

Wasseraufnahme

Beim Thema Wasseraufnahme muss in Kurz- und Langzeitverhalten unterschieden werden. Die meisten Dämmstoffe sind nicht hy-

groskopisch oder bei der Herstellung hydrophobiert und können so eine gewisse Feuch-

tebelastung schadlos überstehen. Bei fach-gerechtem Einbau sind Dämmstoffe in der

Regel vor Feuchtigkeit geschützt. Ausnahmen sind Anwendungen, wie Perimeterdämmung und Umkehrdach, für die es feuchteunemp-

findliche Produkte aus XPS (extrudiertes Polystyrol) und EPS (expandiertes Polystyrol) gibt. Bei falschem Schichtenaufbau, wie z. B. bei fehlender Dampfsperre, kann es zu Kon-

densation im Dämmstoff kommen. Ein simpler physikalischer Vorgang, der aber bei korrektem Schichtenaufbau zuverlässig verhin-

dert wird.

Druckfestigkeit

Bei der Druckfestigkeit sind Kurz- und Langzeitwerte zu unterscheiden. Für Dämmstoffe, die in druckbeanspruchten Anwendungen eingesetzt werden, wie z. B. Industriefußböden, lastabtragenden Bodenplatten oder genutzten Dächern, ist das Langzeit-Kriechverhalten maßgebend. Die Dämmstoffnormen schreiben auch hier definierte Prüfungen vor.

Anwendungsmatrix

Damit ist allerdings immer noch nicht geklärt, welche Produkte sich am besten für welche Anwendung eignen. Wie erwähnt, bietet hier die DIN 4108-10 den geeigneten Überblick. Die DIN beschreibt alle Anwendungsgebiete für genormte Wärmedämmstoffe und benennt Anwendungstypen mit Kurzzeichen, z. B. DAD für die Außendämmung von Dach oder Decke, vor Bewitterung geschützt, Dämmung unter Deckungen. Zur Verdeutlichung wird jeder Anwendungstyp in einem Piktogramm dargestellt.

Weiterhin werden je nach Anwendung Mindestanforderungen für einzelne Dämmstoffarten beschrieben. Diese Mindestanforderungen sind an Qualitätsstufen gekoppelt, die wiederum mit einem Kurzzeichen beschrieben werden, wie z. B. dm für mittlere Druckbelastbarkeit. Eine Aneinanderreihung dieser Mindestanforderungen bzw. Kurzzeichen ergibt den sogenannten Bezeichnungsschlüssel, der bei in Deutschland gehandelten Produkten auf jedem Verpackungsetikett angegeben ist. Beispiel für einen Extruderschaum: EN 13164:2013 T1-CS(10\Y)300-DS

(70,90)-DLT(2)5-CC(2\1.5\50)130-WL(T)0,7-WD(V)3-FTCD1-MU100-CV95. Zusätzlich werden Wärmedurchlasswiderstand und Brandschutzkennzeichen deklariert.

Nachhaltigkeitsaspekte

Dämmstoffe müssen heute unter allen Aspekten der Nachhaltigkeit beurteilt werden,  also unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Kriterien. Dabei lässt sich nicht pauschal sagen, ob ein Produkt gut oder schlecht ist. Vielmehr sollte das Produkt in seiner Anwendung über den gesamten Lebenszyklus betrachtet werden. Obwohl diese Betrachtungen sehr komplex sind, gibt es bereits gute Instrumente, dies zu bewerten. Der

Kriterienkatalog der DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) bietet z. B. eine solche Methodik. Dabei fließen in einer ganzheitlichen Bewertung die Umweltwirkungen der Produkte in allen Aspekten

während des gesamten Lebenszyklus des Gebäudes ein. Damit ist ein ganz wesentlicher Effekt berücksichtigt: die Leistung des

Dämmstoffs, Heiz- und Kühlenergie einzusparen und damit die CO2-Bilanz des Ge-

bäudes über die gesamte Lebensdauer zu verbessern. Das kann bei einer bloßen Betrachtung von technischen Daten und reinen Amortisationszeiten nicht berücksichtigt

werden. Für alle Dämmstoffe gilt, dass der Aufwand zur Herstellung des Materials bereits innerhalb weniger Wochen, aber spätestens innerhalb eines Jahres kompensiert wird und zwar durch die Einsparung von Heiz- oder Kühlenergie. Danach gewinnt nicht nur die Heizkostenrechnung, sondern auch die Umwelt.

Entsorgung

Am Ende des Lebenszyklus bleibt noch

die Entsorgungsfrage. In Deutschland werden jedes Jahr etwa 30 Mio. m³ Dämmstoffe verbaut. Etwa 55 % davon sind Mineralwoll-

Produkte (MW), 30 % fallen auf expandiertes Polystyrol (EPS), ungefähr je 5 % auf XPS und PUR und insgesamt knapp 5 % verteilen sich auf alle anderen Dämmstoffe. Irgendwann stehen alle diese Materialien zur Entsorgung an. Obwohl es vereinzelt bereits gute Konzepte dafür gibt, ist die Behandlung dieser großen Massen, die in Zukunft beim Rückbau anstehen werden, noch problematisch. Die Politik fordert schon zunehmend geschlossene Materialkreisläufe, die so genannte Circular Economy. Die Dämmstoff herstellende Industrie ist gefordert, dafür

Lösungen zu finden.

Neue Entwicklungen

Weiterentwicklungen und Neuerungen im Bereich der Dämmstoffe werden meistens mit dem Ziel verfolgt, die Wärmeleitfähigkeit der Dämmstoffe so zu reduzieren, dass die gewünschten Effekte mit dünneren Dämmschichten erzielt werden. Zu diesem Thema werden z. B. Vakuum-Isolationspaneele angeboten oder Materialien, die Aerogele enthalten. Beide Dämmstoffe weisen extrem niedrige Wärmeleitfähigkeiten im Bereich von 0,008 bis 0,018 W/(mK) auf und ermöglichen dadurch den Einbau sehr dünner Schichten. Leider sind diese Materialien relativ teuer und an spezielle Einbau- oder Verarbeitungsbedingungen geknüpft. Auch in der Materialforschung gibt es spannende Neuentwicklungen, so z. B. einen Holzschaum, für den Holz fein zermahlen wird, bis eine schleimige Masse entsteht, die dann mit einem Gas aufgeschäumt wird. Oder organische Aerogel-Dämmplatten mit einer Wärmeleitfähigkeit von nur 0,018 W/(mK), die gleichzeitig feuchteregulierend und druckfest sein sollen. Oder Dämmplatten aus Pilzschaum, die quasi aus einem erstarrten Pilzmyzel bestehen.

Fazit

Wenn wir unseren modernen Lebensstil beibehalten wollen, ist die vernünftige Dämmung von Gebäuden unabdingbar, um Emissionen zu reduzieren und verantwortungsvoll mit Ressourcen umzugehen. Für alle Gebäudetypen gilt: die gesamte Gebäudehülle so gut und effizient wie möglich zu gestalten, um den Energiebedarf zum Heizen und Kühlen gering zu halten. Bei guter Ausführung ist das eine einmalige Investition ohne Folge-

kosten für Bedienung und Instandhaltung. Der kleine Restbedarf an Energie ist dann mit moderner Technik gut zu ergänzen.

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