Scharoun-Theater, Wolfsburg

Abgeschlossen neueröffnet

Die Sanierung / Modernisierung des Scharoun-Theaters, Wolfsburg, ist gelungen

Wer das Glück hat, mit Winfried Brenne von Brenne Architekten, Berlin, durch das gerade sanierte und erweiterte (!) Baudenkmal Scharoun-Theater geführt zu werden, der weiß am Ende nicht, wo der Anfang sein könnte. Der Anfang der Geschichte, die rund 18 Monate andauerte und eine Bau- und Nutzungsgeschichte weitererzählt, die 1973 am Klieversberg ihren Anfang nahm.

Nun, der Anfang liegt bei solchen Bauprojekten natürlich weit vor ihrer Eröffnung, aber diese Vorgeschichte zu referieren ist hier nicht der Platz. Wie gesagt, die Arbeiten, die ein größeres Expertenteam mit dem Generalplaner unternahm, warum umfangreich und teils von einer solchen Planungstiefe, dass man ein gutes Buch draus machen kann; so geschehen in zwei Bänden beim Jovis-Verlag in der Reihe „Stadt | Raum | Geschichte“, herausgegeben vom "Forum Architektur der Stadt Wolfsburg“. Der erste Band ist bereits erschienen, der zweite kommt demnächst.

Draußen

Dann gehen wir mal mit Winfried Brenne. Erst einmal außen herum. Hier wurde, sehr dezent, die Idee Scharouns von einer „Stadtlandschaft“ wieder aufgenommen. Scharoun hatte in einer ersten Planung vor dem langgestreckten Volumen einen Spiegelteich vorgesehen, den die mit der Außenplanung beauftragten Berliner Landschaftsarchitekten Levin Monsigny mit einer Betonkante nachzeichneten. Die auch als „Sitzkante“ nutzbare topografische Isophyse, setzt den Theaterbau wieder deutlicher von der in der Vergangenheit an die Fassadenkante herangewachsenen Landschaft ab. Als schwierig gestaltete sich der Ersatz der beschädigten Waschbetonplatten, die erste nach langwierigen Recherchen bei mehr als vierzig Firmen in ganz Deutschland bei einer in Braunschweig gefunden wurde.

Dass die großen Fensterscheiben des Foyers heute 2-Scheiben-Isolierglas mit Sonnen- und Wärmeschutzfunktion sind, dass die Alu-Fensterrahmen gereinigt, die Einfassungen statisch ertüchtigt, dass auch die Steinplatten – zwei verschiedene Steinsorten: Der graue Ceppo di Gré, ein Kalksedimentgestein aus Bergamo und ein hellbeiger Travertin – repariert, teils ausgetauscht und im Wesentlichen nur mit Wasser gereinigt wurden, alles das sieht nur der, der ganz genau hinschaut.

Deutlicher wirds dann schon bei den Anbauten auf der Südwestseite des Theaters. Hier wurde einmal eine Zisterne unterirdisch am Nordwestende für die Sprinkleranlage eingebraben sowie ein Stück weiter südlich auf der der Stadt abgewandten Seite ein Volumen für mehr Lagerfläche. Dieses Volumen orientiert sich konzeptionell an den schon von Scharoun geplanten Erweiterungen, die aber wegen Geldmangels damals aus dem Programm genommen wurden. Das Lagervolumen wie auch das weiter südlich anschließende Volumen für eine Erweiterung der Frauen-Toiletten (mit barrierefreien WCs und Raucherpavillon) verschwindet teils in der Erde wie hinter Travertinplatten. Deren Format orientiert sich an den Bestandsplatten, ist als Neuerung aber am veränderten Fugenbild erkenntlich.

Drinnen

Schon im Eingang, dem Zugang zum wunderbar, 80 Meter langgestreckten Foyer, sind Sanierungs- und Renovierungsarbeiten gemacht worden, Oberflächen gesäubert, das Licht aktualisiert. Vor allem aber findet sich hier der vielleicht wesentlichste Eingriffs ins Denkmal mit dem Neuentwurf der Kassenzone linkerhand. Dieser Entwurf war im VOF-Verfahren der Lackmustest für die Eignung des möglichen Gesamtplaners war.

Im Foyer wurde „nur“ das Oberflächliche behandelt, hier wie auch im gesamten Bau wirkt das Theater durch seinen fast durchgängig erhaltenen Originalbestand der Einrichtung, so beispielsweise die Säulensitzbank, Sterntische und Spiegelelemente aber auch die komplette Einrichtung der Künstlergarderoben.

Die Beleuchtung wurde auf den Stand gebracht (LED), die Akustikdecke komplett erneuert und in diesem Zuge die neue Technik (für Veranstaltungen im Foyer) unter die abgehängte Decke gepackt. Teppichboden wurde hier wie im ganzen Haus erneuert, Farbe – wo nachweisbar – ebenfalls wiederhergestellt beziehungsweise gereinigt.

Gereinigt wurden auch die Holzpaneele im Theaterraum selbst, die – aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen – mit Weißlack überzogen waren, der mit der Hand in einem sehr aufwändigen wie zugleich einfachen Verfahren entfernt wurde.

Im Theaterraum war Scharouns Belüftungssystem ein zentraler Aspekt. Luft wird über eine Druckkammer mit geringem aber ausreichendem Überdruck über ein Kanalsystem in jeden einzelnen Sitz im Theater geleitet, von welchem aus die Luft aus den Rückenlehnen sanft emporsteigen soll. Das hatte bis zuletzt funktioniert und wer sich einmal in die Druckkammer begeben konnte kann nur staunen, wie einfach und effektiv dieses System konzipiert ist. Allerdings häuften sich die Beschwerden der Besucher über zu starke Zugluft, ein neu in die Lehnen integriertes Blech verwirbelt nun effektiver die Frischluft.

Die Bühnentechnik wurde auf den neuesten Stand gebracht, Computersteuerung und motorgestützte Hebevorrichtungen beschleunigen die Kulissenschieberei.

Über die Instandsetzung der Gebäudehülle wurde hier nichts gesagt, es hat sie gegeben! Ebenso spielten brandschutztechnische Belange eine große Rolle im Sanierungsablauf.

Ein Baudenkmal hat dann wohl die besten Chancen auf ein Überleben, wenn es entweder eine Berühmheit ist, oder noch immer und ohne größere Einschnitte im Funktionalen als das funktioniert, als was es einmal gebaut wurde. Das jetzt sanierte Tournee-Theater, das zu den am Besten ausgelasteten der Republik gehört, hat mit der rund 32 Mio. € teuren Sanierung/Modernisierung den Übergang in die aktuelle Zeit geschafft. Dass ist der Arbeit der Modernisierer ebenso zu verdanken, wie der Qualität des Entwurfs. Wie meinte Winfried Brenne noch ganz richtig während der Führung: Einen Mies hätte man nicht in dieser Weise an die neuen Anforderungen anpassen können, der von einer dezenten Organik bestimmte Entwurf Scharouns dagegen ist für eine Fortschreibung in die Zukunft geradezu prädestiniert. Bleibt zu hoffen, dass Stadt und Kulturvereine die Pflegeintervalle zukünfig weniger weit setzen! Be. K.

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